Süddeutsche Zeitung

Erstes Gold für Deutschland:Der Bua vom Hackl Schorsch

Einst sah der dreifache Rodel-Olympiasieger Hackl den kleinen, schmächtigen Jungen Felix Loch. Heute verhilft er ihm zu Gold - und bewundert ihn sogar.

M. Neudecker, Whistler

Georg Hackl stand da vor dem Zelt, er sah zufrieden aus, aber der Hackl Schorsch sieht ja irgendwie immer zufrieden aus, und warum sollte er das auch nicht sein, drei Goldmedaillen im Rennrodeln in drei aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen, das hat außer ihm noch niemand geschafft. Der Hackl Schorsch blickt dann ganz ruhig umher, er deutet ein leichtes Grinsen an, und er wippt mit den Füßen, wenn er zufrieden ist. So stand er also vor dem Pressezelt im Whistler Sliding Centre und sprach über Felix Loch, dem soeben gekürten Olympiasieger im Rennrodeln, dem ersten Goldmedaillengewinner aus Deutschland bei diesen Spielen von Vancouver.

Den Opa vom Felix hat er gekannt, sagte der Hackl Schorsch zum Beispiel, und dass der Bua ja früher so klein und schmächtig war, dass man nicht damit rechnen konnte, dass er mal ein so guter Rodler wird. Und dass er immer locker drauf ist, der Felix, das ist schon unglaublich, "wie der sich mental fokussieren kann, das macht ihn zu einem großen Sportler, jetzt schon", sagte der Hackl Schorsch, er wippte vor und zurück und wiederholte: "Jetzt schon."

Felix Loch aus Berchtesgaden ist 20 Jahre alt. Er ist zweifacher Einzel-Weltmeister, und nun ist er auch Olympiasieger. Was da noch kommen soll, noch kommen kann? Felix Loch lacht, als er am Abend im Deutschen Haus in Whistler sitzt, "es gibt jedenfalls noch kein Karriereende", sagt er.

Der Gesamt-Weltcup, das sei ja noch ein Ziel, bislang hat Felix Loch überhaupt erst ein Weltcuprennen gewonnen. Noch am Nachmittag, gleich nach dem Rennen, hatte er gesagt: "Es ist einfach nur geil, eine Goldene gemacht zu haben, ich bin erst 20 Jahre alt, mir fehlen die Worte", und immer wieder hatte er den Kopf geschüttelt.

Auf dem Boden der Realität blieb Felix Loch aber schon, er wusste, dass er seinen Sieg unter anderem auch dem Umstand zu verdanken hatte, dass nach dem tragischen Unfall vom Freitag entschieden worden war, den Männerstart zu schließen. "Dass wir vom Frauenstart losgefahren sind, war sicherlich ein Vorteil für uns", für ihn also und seinen Teamkollegen David Möller, der die Silbermedaille gewann.

Der Frauenstart ist wesentlich flacher als der steile Männerstart, man muss eine gute Schnellkraft und Dynamik haben, um ein guter Starter zu sein, und lange Arme sind zudem von Vorteil. Felix Loch hat all das, Armin Zöggeler, der Italiener und Olympiasieger 2002 und 2006, dagegen hat seine Stärken eher woanders. Zöggeler weiß das, deshalb war am Ende "glücklich, aufs Podium gefahren zu sein". Felix Loch war an diesem Tag nicht zu schlagen.

Er hatte das Rennen vom ersten Durchgang an dominiert, ein Rennen, das allerdings anders war als die bisherigen. Der Tod des Georgiers Nodar Kumaritaschwili beschäftigt die Olympiagemeinde ja immer noch, natürlich, auch wenn die Trauer vom Jubel über Medaillen und Erfolge bald übertönt sein wird. "Man hat das im Hinterkopf", sagte Felix Loch, und auch David Möller sprach "diese Tragödie" immer wieder an. Die Entscheidung, an den Frauenstart zu gehen, fanden beide richtig - nicht wegen ihres Vorteils, sondern "weil es ein Zeichen war, dass man etwas tut", wie Möller sagte.

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"Die Bedingungen waren für alle gleich", stellte Andi Langenhan fest, der Fünfter wurde, "und wer sich am besten anpassen kann, ist halt vorn." Und das ist ja gerade eine der Stärken von Felix Loch: Dass er bei Großereignissen auf den Punkt konzentriert ist, sich durch nichts stören lässt. "Ich weiß auch nicht, warum das so ist", sagt Felix Loch, "aber irgendwie funktioniert es." Naturtalent, so könnte man das nennen.

Aber selbstverständlich hat auch der Hackl Schorsch seinen Teil zu Lochs Goldmedaille beigetragen; eine Goldmedaille, bei der Hackl nicht irgendwie seine Finger im Spiel hätte, wäre ja auch kaum vorstellbar. Er ist eine Art Materialbetreuer für Felix Loch, die beiden arbeiten eng zusammen, vor allem, wenn es um den Schlitten geht. Sie entschieden, den ersten und dritten Lauf mit anderen Kufen zu fahren, weicheren. Das war ein Risiko, weil weichere Kufen sich nicht so sehr ins Eis eingraben und daher schwieriger zu steuern sind. Aber aufgrund des sonderbaren Wetters in Whistler war das Eis ungewöhnlich weich, deshalb glitt der Schlitten mit diesen Kufen besser - und das Risiko zahlte sich aus.

Im Video: Die Rodler haben der deutschen Olympiamannschaft die erste Goldmedaille beschert. Felix Loch und David Möller sorgten im Eiskanal bei den Spielen in Vancouver sogar für einen Doppelsieg. Loch sicherte sich Gold, Möller Silber.

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Für Felix Loch sind die ersten Olympischen Spiele damit mit dem größtmöglichen Erfolg zu Ende gegangen. An diesem Montagabend bekommt er die Medaille auf dem Medals Plaza in Whistler, da werden ihm noch mal Tausende Menschen zujubeln. Er will dann aber noch bis zum Schluss bleiben, Freunden und Kollegen bei anderen Wettkämpfen zuschauen, dem Skispringer Michael Uhrmann zum Beispiel, Bundespolizist wie er.

Und er wird viel zu tun haben, viele Interviews geben, im Fernsehen auftreten, Sponsorenhände schütteln. Zwischen dem Rennen und dem Abend im Deutschen Haus war das auch schon so gewesen, noch im Rennanzug musste Felix Loch erst einen schier endlosen Korridor mit Fernsehkameras abschreiten, weiter zur Pressekonferenz, weiter zur Dopingprobe, immer stand irgend einer hinter ihm, der ihn weiterzog zum nächsten Abschnitt, weiter zur nächsten Aufgabe. "Es war viel los", sagt Felix Loch. Wie das eben so ist als Olympiasieger.

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