Eröffnungsfeier in Sotschi:Putin lässt es krachen

Sotschi 2014 - Eröffnungsfeier

Feuerwerk nach geglückter Eröffnungszeremonie

(Foto: dpa)

Ein unvergleichlicher Männerchor, Selbstironie im Vorprogramm - und eine Panne, die wie ein Propagandatrick wirkt: Von der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele in Sotschi werden quietschbunte, aber auch überraschend unpathetische Bilder in die Welt geschickt. Es schneit sogar - wenn auch nur Plastik.

Von Holger Gertz, Sotschi

Ein paar Stunden vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele von Sotschi hat Konstantin Ernst schon mal ein bisschen was verraten und sich bei der Gelegenheit gleich entschuldigt beim Publikum vor Ort: Könnte sein, sagte Ernst, dass man im Fischt-Stadion nicht jeden Effekt, jedes Detail werde erfassen können. "In erster Linie geht es ums Fernsehen, es muss da draußen gut aussehen." Damit hatte Ernst, 53, künstlerischer Direktor der Opening Ceremony, recht beiläufig zugleich die Feier als auch die Spiele an sich beschrieben.

Der Mann kennt das Fernsehen, er verantwortet in Russland praktisch sämtliche populären Events, zum Beispiel den Eurovision Song Contest von 2009. Ernst ist Generaldirektor des staatlichen Senders Channel One und damit natürlich bestens vernetzt und eng vertraut mit Wladimir Putin. Zwei Zeremonienmeister unter sich, die es krachen lassen würden, daran ließ Ernst keinen Zweifel, als er sagte: "Es wird Unglaubliches zu sehen sein."

Die Pre-Show konnte man weltweit nicht sehen, so entging den meisten, dass - Selbstironie! - ein absichtsvoll auf schwul getrimmter Soldatenchor "Get lucky" von Daft Punk darbrachte, außerdem traten die beiden Mädchen von Tatu auf, die vor ein paar Jahren mal einigen Wirbel verursacht hatten durch öffentliche Küsse auf der Bühne. Es stellte sich aber bald heraus, dass sie nur Scheinlesben waren oder Fake-Lesben. Die Intensität des Kusses, den sie diesmal austauschten, war aus der Ferne der Zuschauerplätze tatsächlich nur zu erahnen. Und auch die sogenannten Großbildleinwände unterm Stadiondach gaben nicht mehr her: Bildschirme dieses Ausmaßes haben die meisten Amerikaner zu Hause an der Wohnzimmerwand.

Die Amis werden ausgeblendet

Die Russen nicht gigantisch, regelrecht underdressed? Das schien eine erste Spur des Unglaublichen zu sein, das Konstantin Ernst angekündigt hatte. Aber als sich danach - ein Lichteffekt - die fünf olympischen Ringe entfalten sollten, funktionierte die Technik nicht, ein Ring blieb verschlossen, verharrte als Sternchen, der dritte von oben, der rote also. Jeder Ring symbolisiert einen Erdteil. Früher waren Menschen, die sich für Olympische Geschichte interessieren, davon ausgegangen, dass Baron de Coubertin, Begründer der modernen Olympischen Spiele und zugleich Designer von dessen Markenzeichen, jedem Erdteil eine Farbe zugedacht hätte. Diese Deutung ist inzwischen überholt, aber Rot wäre die Farbe Amerikas gewesen. Was für ein lakonischer Propagandatrick also, die Amis quasi auszublenden.

Wer will, kann die Panne mit den vier Ringen auch als gute Gelegenheit ansehen, ein smartes Bekenntnis zum Charme des Unperfekten abzulegen. Menschen, die sich gern olympische Geschichten erzählen, werden das Bild von den vier Ringen jedenfalls nicht mehr vergessen. Die Inszenierung orientierte sich eindeutig mehr an Danny Boyles Show von London 2012 - the best ceremony ever - als an der Leistungsschau von Peking 2008, sie strafften den sonst elend langen Einmarsch der Nationen, bei dem sich vor allem die Legaten von Bermuda in ihren Bermuda-Shorts als underdressed präsentierten.

Im Fischt-Stadion im Olympic Park ist es immer signifikant kälter als ums Stadion herum, das liegt angeblich an den von Seeseite einfallenden Winden. Irgendwann schneite es sogar, die Flocken wirbelten, natürlich waren es künstliche Flocken. Aber immerhin war jetzt klar, wie der Altkanzler und Ehrenrusse und Medienkritiker Gerhard Schröder das gemeint hat, als er kurz vor der Feier sozusagen seherisch formulierte: Jetzt haben sie auch noch Glück mit dem Schnee.

"Ihr kriegt uns nicht"

Der Fahnenträger von Bermuda, Dr. Tucker Murphy, hat übrigens in Oxford Zoologie studiert. Der Fahnenträger von Peru, Roberto Carcelen, lebt in Seattle und arbeitet bei Microsoft. Als das russische Team ins Stadion kam, lief noch mal Tatu, Titel des Songs: "Ihr kriegt uns nicht." Wahrscheinlich ein Sportbezug: In London hatten sie zu Ehren der Gastgeber David Bowie gespielt, Heroes.

Nach dem Einmarsch: eine wilde Fahrt durch die Geschichte, Industrialisierung, Revolution, und sogar als Nachbildungen sowjetischer Denkmalfäuste durchs Stadion schwebten, hatte die Veranstaltung etwas überraschend Unpathetisches. Sie kombinierten Ballett- und Marschmusik mit Pop und einmal auch mit der Melodie der russischen Nachrichten.

Für die elegischeren Töne sorgte der neue IOC-Chef Thomas Bach, der sehr lange redete, sich immerhin auch endlich gegen jede Diskriminierung aussprach, und der von den besten Spielen aller Zeiten schon vor ihrem Beginn redete - selbst der alte Patriarch Samaranch hatte damit immer bis zum Ende gewartet. Putin eröffnete die Spiele dann schnörkellos und bündig, wobei alle Reden sich nicht vergleichen lassen mit dem Klang eines Männerchores, der die russische Hymne singt. Man wird sie noch oft hören, bei den Spielen von Sotschi, die jetzt eröffnet sind.

Sotschi 2014
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