Ermittlungen zur Fifa:Fragwürdiger Deal mit Blatters Unterschrift

Sepp Blatter

In Bedrängnis wegen einer Unterschift: Fifa-Präsident Sepp Blatter

(Foto: AP)
  • Am Nachmittag geben die US-Ermitler Neues zur Fifa bekannt.
  • Davor erschüttert der nächste Verdacht den Fußball-Weltverband. Diesmal betrifft er den Präsidenten direkt.

Von Thomas Kistner

Der nächste Verdacht auf Untreue erschüttert den Fußball-Weltverband - und diesmal betrifft er den Präsidenten direkt. Das Schweizer Fernsehen SRF präsentierte am Freitagabend einen Vertrag vom 12. September 2005, der die Unterschriften von Sepp Blatter und dessen damaligem Fifa-Vize Jack Warner trägt, das Papier regelt den Verkauf regionaler Fernsehrechte für die WM-Turniere in Südafrika 2010 und Brasilien 2014. Für läppische 600 000 Dollar gingen sie an die karibische Fußballunion CFU, deren Chef und Kontobevollmächtigter war zu der Zeit Warner (Trinidad und Tobago).

Außer Frage steht, dass die Verkaufssumme - 250 000 für die Südafrika-WM, 350 000 für Brasilien - weit unterm Marktpreis lag. Nach dem stillen Deal unter Kollegen übertrug Warner die Karibik-TV-Rechte auf eine eigene Firma und verkaufte sie dem Kabelanbieter Sports Max - für geschätzt 15 bis 20 Millionen Dollar. Solche Transaktionen haben Tradition: In den Neunzigerjahren erhielt Warner die Karibik-Rechte sogar für nur einen Dollar.

Der denkwürdige Deal könnte nun aber strafrechtlich relevant sein, sagte die Luzerner Rechtsprofessorin Monika Roth im SRF, sie denkt "an den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung", wenn der Fifa durch so ein Geschäft erhebliche Einnahmen entgangen seien. Die Frage sei, ob es ein wirtschaftlich korrekter Betrag war oder ein Freundschaftsdeal.

Die Fifa reagierte eilig. Am Wochenende warf sie Warners CFU Vertragsbruch in der Causa vor und teilte mit: "Gestützt auf diesen Vertrag sollte die Fifa (. . .) auch eine Gewinnbeteiligung von 50 Prozent aller Unterlizenzeinnahmen erhalten." Die CFU sei der Zahlungspflicht nicht nachgekommen und habe auch "weitere Vertragsverletzungen begangen". Deshalb habe die Fifa "die Vereinbarung mit CFU am 25. Juli 2011 gekündigt". Soll heißen: Die TV-Rechte wären weniger günstig für Warner gewesen, hätte er die Vertragsinhalte erfüllt.

Im Kern dürfte diese Darstellung Blatter, 79, aber kaum weiterhelfen. Zum einen hätte die Fifa dem einflussreichen Warner, seinerzeit Chef des Nord- und Mittelamerika-Verbands Concacaf, auch im Falle einer Rückzahlung von 50 Prozent Profitbeteiligung noch einen Reibach in bis zu zweistelliger Millionenhöhe mit Fifa- Rechten ermöglicht. Zum anderen fand die WM in Südafrika bereits 2010 statt, dieses Turnier kann eine Kündigung 2011 also kaum betroffen haben. Unklar ist zudem, ob Warner nicht auch den Verkauf der WM-Rechte 2014 schon vor Vertragskündigung getätigt hat. Und ob die Fifa hier die Rückzahlung betrieb oder betreibt.

"Hier ist der Vertrag, unterschrieben vom P."

Im Kontext der diskreten Geschäfte zwischen den Fifa-Bossen Blatter und Warner tut sich die nächste brisante Frage auf. Der SZ liegt ein von der Fifa als "authentisch" klassifiziertes Papier vom heutigen Generalsekretär Jérôme Valcke an Warner vor. Darin heißt es: "Hier ist der Vertrag, unterschrieben vom P. Das Geschäft ist nicht durch alle üblichen Gremien und Kommission gegangen. Daher bitte ich, es vorläufig nicht öffentlich zu machen." P. ist in der Fifa die Abkürzung für Präsident. Ein Datum trägt Valckes Schreiben nicht.

Valcke wurde Mitte 2007 Fifa-Generalsekretär; er war kurz zuvor als Fifa-Marketingchef gefeuert worden. War also 2005 der Marketingchef Valcke - vorbei am damaligen Generalsekretär Urs Linsi - Bote zwischen Blatter und Warner? Ist das Papier, das der SZ vorliegt, Valckes Begleitschreiben zu dem Vertrag, den das SRF präsentiert? Oder betrifft Valckes Brief einen weiteren Vertrag, der in seiner Amtszeit als Fifa-General ab 2007 besiegelt wurde?

Letzteres behauptet Warners öffentlich. Er hatte 2011 mit Blatter gebrochen und dann unter Druck alle Ämter abgegeben. Fortan hielt er sich die Fifa mit massiven Drohungen vom Leib: Er könne jederzeit über schmutzige Deals in der Vergangenheit auspacken. Er klagte öffentlich, "dass die Fifa nur auf meine Behauptung reagiert, die Rechte 1998 für einen Dollar erhalten zu haben, aber jeden Kommentar zu der Anschuldigung verweigert, dass ich auch 2002, 2006, 2010 und 2014 die WM-Rechte für einen symbolischen Preis erhielt". Eine Aussage, die sich nun zu bewahrheiten scheint.

Warum sollte Blatters Fifa die Rechte immer wieder unter Marktpreis an Warner gegeben haben? Warner sagt, dies seien Begünstigungen gewesen für die "entscheidende Rolle, die ich bei der Absicherung von Blatters Fifa-Präsidentschaft gespielt habe" - indem er diesem bei Wahlen stets sein knapp 40 Voten umfassendes Stimmpaket zuführte. Warner forderte die Fifa auch auf, "öffentlich zu bestreiten, dass sie mir die WM-Rechte 2018/2022 zum Freundschaftspreis anbot, gegen Hilfe im Präsidentenwahlkampf 2011". Und er drohte, "dass ich alle Verträge und persönliche, handgeschriebene Notizen habe, die meine Anklagen untermauern".

Immer mehr alte Sündenfälle kochen in der Fifa-Affäre inzwischen hoch. Und jeder fragwürdige Deal von Warner, der Immobilien und Konten in den USA hat, interessiert auch die US-Justiz, die seine Auslieferung beantragt hat und seinen Sohn als Kronzeugen führt. Was kommt noch? Gegen den 2016 aus dem Amt scheidenden Blatter werde nicht ermittelt, sagte der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber der NZZ, aber er sagte auch, dass die Causa noch andauern dürfte. An diesem Montag äußert sich US-Justizministerin Loretta Lynch zum Stand der Dinge. In Zürich, im Zentrum des Bebens.

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