Fifa-Ermittlungen gegen Beckenbauer:Kaiser im Visier

Platini, Blatter und Beckenbauer

Vorläufig gesperrte Spielführer: Uefa-Chef Michel Platini, Fifa-Chef Sepp Blatter, "Kaiser" Franz Beckenbauer (von links).

(Foto: Laurent Gillieron/dpa)
  • Die Untersuchungskammer der Fifa-Ehtikkommission hat den Fall Beckenbauer an die Spruchkammer weitergereicht. Eine Entscheidung dürfte bald fallen.
  • ​Dass jetzt die Öffentlichkeit von dem Vorgang erfährt, ist ein Novum.
  • Dabei geht es noch nicht um die Ungereimtheiten um die WM 2006 - auch sie dürften die Ethiker bald interessieren.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Gewöhnlich ist der Kaiser nicht weit, wenn ein großes internationales Turnier ansteht. Aber als sich die Fußballwelt im vergangenen Sommer zur WM-Austragung in Brasilien versammelte, musste Franz Beckenbauer zunächst aus der Ferne zuschauen. Er war für den Fußball-Weltverband Fifa zur persona non grata geworden. Das hauseigene Ethikkomitee hatte ihn für 90 Tage gesperrt, weil er bei den Ermittlungen um die offenkundig manipulierte Vergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 nach Russland beziehungsweise Katar nicht kooperiert hatte. Das sei ein "Aprilscherz", befand Beckenbauer damals - aber jetzt muss er befürchten, dass ihm der üble Scherz noch ein zweites Mal droht.

Die Untersuchungskammer der Kommission hat seinerzeit weiter gegen Beckenbauer ermittelt. Inzwischen hat sie den Fall an die Spruchkammer weitergereicht - was zumindest bisher stets mit einem Antrag auf Sanktion verbunden war. Eine Entscheidung dürfte bald fallen.

Auch im Fall von Villar Llona, Vize in der Fifa und der Uefa, wird bald ein Urteil erwartet

Dass jetzt die Öffentlichkeit von dem Vorgang erfährt, ist ein Novum. Bisher durfte der Ethikerstab nicht publik machen, gegen welche Personen ein Verfahren läuft. Das ist seit Dienstag anders: Die Chefs der beiden Ethik-Kammern, der Schweizer Cornel Borbely und Strafrichter Hans-Joachim Eckert aus München, rangen dem Fifa-Vorstand das Zugeständnis ab, die rigiden Verschwiegenheitsklauseln zu lockern.

Am Mittwochnachmittag veröffentlichten sie die erste Liste mit insgesamt elf Namen. Dabei handelt es sich aber nicht um alle aktuellen Fälle, sondern nur um solche, für die es aufgrund des Amtes oder der Person ein besonderes öffentliches Interesse gibt: den gesperrten Fifa-Präsidenten Sepp Blatter, den suspendierten Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke, die aktuellen Fifa-Vorständler Michel Platini und Angel Maria Villar Llona sowie die früheren Fifa-Vorständler Worawi Makudi, Jeffrey Webb, Ricardo Teixeira, Amos Adamu, Eugenio Figueredo und Nicolás Leoz. Und um Franz Beckenbauer.

Den Ethikern ging es bei ihren Ermittlungen gegen den Deutschen nicht um die aktuellen Vorwürfe des Spiegel über angebliche schwarze Kassen und Stimmenkauf rund um die WM 2006 in Deutschland. Diese Vorgänge sind frisch, sie könnten wohl allenfalls in der Vorprüfung sein. Die in Zürich anstehende Causa Beckenbauer ergab sich im Zuge der Ermittlungen zu den WM-Vergaben 2018/22. Beckenbauer war wie mancher andere Funktionär auf der nun vorliegenden Ethiker-Liste Mitglied des Fifa-Gremiums, das im Dezember 2010 Russland und Katar den Zuschlag erteilte. Als der damalige Chefermittler Michael Garcia nach permanenten Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten bei jenen Entscheiden seine Untersuchung begann, beäugte er alle Bewerber - und alle Wahlmänner.

Auch für Blatter und Platini dürfte es eng werden

Einen Katalog mit 130 Fragen erhielt Beckenbauer nach eigenen Angaben im Vorjahr, er ließ ihn zunächst unbeantwortet. Alle anderen Wahlmänner indes hatten laut Fifa mit Garcia gesprochen. Beckenbauers Begründung für seine Zurückhaltung: Er habe die Fragen nur "in Juristen-Englisch" erhalten. Der Ex-Bundesanwalt Garcia indes betonte, die Fragen seien "wiederholt" auf Englisch und Deutsch versendet worden. Der Widerspruch wurde nie geklärt, Beckenbauer antwortete schließlich schriftlich und auf Deutsch. Die provisorische 90-Tage-Sperre wurde aufgehoben.

Aber damit waren die inhaltlichen Fragen offenbar nicht ausermittelt. Kurz nach der Abstimmung hatte Beckenbauer, stets fest als Russland-Wähler eingeordnet, das Fifa-Amt abgelegt und einen Botschafterjob für die russische Gasgesellschaft angetreten. Und mit Blick auf die Vergabe der WM 2022 rückte unter anderem eine Reise mit seinem stillen Adlatus Fedor Radmann zum Emir von Katar 2009 ins Visier.

Die ihm eng verbundene Bild schrieb, Beckenbauer habe dabei seinem Gesprächspartner klarzumachen versucht, dass sich sein Land nicht bewerben solle. Aber warum nicht? Weil es in Katar zu heiß ist? Oder weil die Deutschen im Wort standen bei Katars Rivalen Australien, für den Radmann offiziell aktiv war? Hinzukommen dürfte in den nächsten Wochen weiteres Ungemach: Die Ethiker werden sich Beckenbauers Rolle bei all den Ungereimtheiten um die WM 2006 anschauen müssen.

Nur drei der elf Personen von der Ethikerliste sitzen noch im Fifa-Vorstand. Da sind Blatter und Platini, deren 90-Tage-Sperre wegen Ungereimtheiten rund um eine Zahlung über zwei Million Schweizer Franken aus dem Februar 2011 bereits bekannt war. Der dritte ist der Spanier Villar Llona, sowohl bei der Fifa als auch bei Europas Fußball-Union (Uefa) derzeit Vizepräsident. In letztgenanntem Amt hätte er eigentlich Platini nach dessen Sperre als Interimspräsident an der Spitze der Organisation ablösen müssen, doch das tat er nicht. Womöglich ahnten er und die Uefa schon, was auf den spanischen Langzeitfunktionär zukommt. Neben der Causa Beckenbauer ist sein Fall der einzige, den die Untersuchungskammer abgeschlossen und der rechtssprechenden Kammer vorgelegt hat. Sollte Villar nun wie Platini eine Sperre erhalten und die Uefa irgendwann einen Interimschef küren müssen, würde das auf ihren zweiten Vizepräsident hinauslaufen: den Zyprioten Marios Lefkaritis, Funktionär mit schlechtem Ruf.

Bei Blatter und Platini wiederum gab es durch den Transparenzschritt der Ethiker zwar keine neuen Sachverhalte - wohl aber die Aussicht, dass es für beide eng wird. Domenico Scala, Compliance-Chef der Fifa, hielt fest, dass die Millionenzahlung zwischen der angeblichen mündlichen Vereinbarung wegen einer Beratertätigkeit von 1998 bis 2002 sowie der Überweisung 2011 nirgendwo in den Fifa-Bilanzen festgehalten sei. "Ein schwerwiegendes Versäumnis", sagte Scala der Financial Times, "denn beide Parteien waren Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees und haben damit jedes Jahr wissentlich Bilanzen abgesegnet, die um zwei Millionen Franken inkorrekt waren. Das könnte als Kontenverfälschung angesehen werden." Platinis Anwalt wies den Vorwurf der Bilanzfälschung zurück, weil Platini niemals Mitglied der zuständigen Finanz- oder Prüfungskommission gewesen sei.

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