Ermittlungen im kroatischen Fußball:Strohmänner und Marionetten

Ermittlungen im kroatischen Fußball: Demonstratives Lächeln: Der kroatische Fußball-Funktionär Zdravko Mamic bei seiner Verhaftung am 4. Juli.

Demonstratives Lächeln: Der kroatische Fußball-Funktionär Zdravko Mamic bei seiner Verhaftung am 4. Juli.

(Foto: Stringer/AFP)
  • Seit dem 4. Juli sitzen Zdravko und Zoran Mamic in Untersuchungshaft. Sie gelten als die mächtigsten Akteure im kroatischen Fußball.
  • Der Fall der Brüder ist angeblich mit dem Fifa-Bestechungsskandal verknüpft. US-Behörden unterstützen die Ermittler bei ihrer Untersuchung.
  • Der Mamic-Clan soll sich an Transfers von kroatischen Top-Spielern wie Real Madrids Luka Modric um rund 30 Millionen Euro bereichert haben.

Von Thomas Kistner und Tobias Schächter

Es war wie in alten, den besseren Zeiten: Mehr als 25 000 Menschen pilgerten am Sonntagabend zum Saisonauftakt ins Maksimir-Stadion, um Dinamo Zagreb gegen Hajduk Split zu sehen. Komplette Familien und sogar die Bad Blue Boys bevölkerten die Ränge, die mächtige Fanvereinigung von Dinamo. Dieses Bild gab es seit Jahren nicht mehr. Aus Protest gegen die Umtriebe der Spitzenfunktionäre des Traditionsklubs waren Dinamos Heimspiele gemieden worden; dort verloren sich wenige hundert Fans. Doch wenn am Mittwoch der CS Fola Esch aus Luxemburg zur Qualifikation für die Champions-League-Gruppenphase in Zagreb gastiert, wird es mehr Zuschauer geben. Es gibt ja nun Hoffnung auf Veränderung - sie lockt die Dinamo-Fans zurück ins Maksimir.

Seit zehn Tagen sitzen die mächtigsten Männer des kroatischen Fußballs in Untersuchungshaft. Nicht mal das Angebot, seine 2,5 Millionen Euro teure Villa als Kaution zu geben, bewahrten Zdravko Mamic und seinen Bruder Zoran vor dem Gefängnis: Das Gericht befürchtet Zeugenbeeinflussung. Zdravko Mamic, seit 2003 Präsident des Serienmeisters Dinamo Zagreb, Vizepräsident und Exekutivdirektor im kroatischen Fußballverband (HNS), gilt als stiller Patron des nationalen Fußballs. Zoran, ehemals Bundesligaprofi bei Bayer Leverkusen, war Manager Dinamos und ist nun Trainer.

Die Justiz wirft dem Duo Bereicherung, Steuerhinterziehung und weitere kriminelle Machenschaften vor. Sie sollen vor allem bei Auslandstransfers von Dinamo-Profis Millionen veruntreut haben. In Haft sitzt auch ein Finanzbeamter, der bestochen worden sein soll. Ermittelt wird zudem gegen HNS-Generaldirektor Damir Vrbanovic, der einst an der Dinamo-Spitze arbeitet. Doch im Verband gilt er ebenso als Marionette Zdravko Mamics wie der Verbandschef: Davor Suker.

Verknüpfungen mit dem Fifa-Bestechungsskandal

Kroatische Ermittler spüren Mamic seit langem nach. Ernst wird es jetzt auch, weil Teile der zuständigen Korruptions-Sondereinheit USKOK von amerikanischen Spezialisten trainiert werden. Die nationale Polizeispitze soll über die Zugriffe Anfang des Monats spät informiert worden sein; Premierminister Zoran Milanovic erklärte sogar, nichts von Ermittlungen gegen Mamic gewusst zu haben.

Das passt ins Bild: Insidern zufolge spielen die seit etwa 2010 laufenden Ermittlungen des FBI gegen Funktionäre des Weltverbands Fifa auch im Kontext des Mamic-Falles eine Rolle. Frühzeitig sind bei den weltumspannenden Untersuchungen der US-Bundespolizei Geschäfte in Osteuropa ins Visier geraten. Nach SZ-Informationen prüft das FBI auch Aktivitäten im Glücksspielgeschäft, Kasino-Beteiligungen kroatischer Hinterleute in Spanien und anderswo sowie Geldflüsse bei Spielmanipulationen. Auch solche, die im Zuge der Bochumer Ermittlungen auftraten.

Bei diesen Arbeiten rückte die zentrale Geldquelle des Profibetriebs in den Fokus der Fahnder: der Transfermarkt. Schon lange steht der Mamic-Clan im Verdacht, sich bei Dinamo systematisch zu bereichern. Der Verkauf von Stars wie Luka Modric, Mario Mandzukic, Ivica Olic, Vedran Corluka und anderer spielte seit Mamics Amtsantritt mehr als 120 Millionen Euro ein; insgesamt soll der Bruder-Clan laut kroatischen Medien Klub und Staat um rund 30 Millionen Euro geprellt haben.

Das Netz spinnt sich durch Fußball und Politik

Die Ermittlungen gewähren Einblick in die Tiefen des internationalen Transferbetriebs. Mamic und Mittelsmänner sind insbesondere in den Topligen gut vernetzt, von Spanien, England, Deutschland bis Holland. Die Behörden haben den Wechsel von Luka Modric zu Tottenham Hotspur aus dem Jahr 2008 ebenso im Visier wie Transfers von Dejan Lovren (FC Liverpool) zu Olympique Lyon 2010, Milan Badelj (Florenz) 2012 zum Hamburger SV, Tin Jedvaj (Leverkusen) 2013 zum AS Rom sowie von Mateo Kovacic 2013 zu Inter Mailand. Kroatische Medien berichten, für den offiziell 21 Millionen Euro teuren Transfer Modrics seien keine Steuern bezahlt worden. Eine Vertragsklausel habe dem Profi 50 Prozent der Ablösesumme zugesichert, über diesen Umweg sei das Geld bei Mamic gelandet. Modric äußerte sich bisher nicht.

Generell spielen Privatvereinbarungen, die Zdravko Mamic mit vielen Spielern abgeschlossen hat, eine zentrale Rolle. Modric, Spielgestalter bei Real Madrid, soll demnach verpflichtet sein, bis ans Karriereende 20 Prozent des Salärs an Mamic zu überweisen; derzeit seien es rund 125 000 Euro pro Monat. Der ehemalige kroatische Nationalspieler Eduardo, einst von Mamic in Brasilien entdeckt und bei Dinamo angestellt, klagte 2013 als bislang einziger Profi gegen eine solche Vereinbarung und erklärte, er sei bei der Unterschrift des Kroatischen nicht mächtig gewesen.

Mamic verkaufte einst Sitzkissen aus Styropor vor dem Maksimir, schmuggelte Jeans aus Italien ins Land und soll im Krieg an der Front Zigaretten verkauft haben. Er wurde nach den Wirren der Neunzigerjahre reich. Seit er 2003 von einem Wahlkomitee an die Dinamo-Spitze gehievt wurde, regiert Mamic den Klub und Kroatiens Fußball mit seinem Clan. Als gut vernetzt gilt er auch in der nationalkonservativen Partei HNZ. Doch der Schutz von Justiz und Politik bröckelt seit dem Regierungswechsel 2011. Die seitdem amtierenden Sozialdemokraten erließen ein Gesetz, das Klubfunktionären und Verwandten verbietet, Spielerberatungsfirmen zu führen. Aushebeln lässt sich das Verbot über Strohmänner; es hatte auch bei der früheren Beratungsfirma von Mamics Sohn keine Wirkung. Der für seine Wutreden berüchtigte Mamic sieht einen "Plot der Kommunisten" gegen sich und nannte Innenminister Ranko Ostojic nach Bekanntwerden der aktuellen Ermittlungen einen "Lügner".

Der kroatische Fußball profitiert von Suker und Platini

Die heikle Entwicklung erhöht den ohnehin starken Druck auf den Fußball. Der Nationalelf droht nach mehreren rassistischen und nationalistischen Ausfällen ihrer Fans - beim Geisterspiel in der EM-Qualifikation gegen Italien war jüngst ein Hakenkreuz auf dem Rasen in Split zu sehen - harte Sanktionen. Ministerpräsident Milanovic bat deshalb jüngst den Uefa-Präsidenten schriftlich um Milde. Doch von Michel Platini ist vorläufig wenig zu befürchten: Er ist Verbandschef Davor Suker sehr zugetan. Perfekt spielen die beiden früheren Weltstars auch in einem anderen aktuellen Problembereich zusammen.

Suker, der auch im Uefa-Vorstand sitzt, taucht in den Prozessakten des Bochumer Wettskandals wiederholt als Gesprächspartner des verurteilten Wettbetrügers Ante Sapina auf. Dass die Behörden der heiklen Spur nie weiter nachgingen, nimmt die Uefa zum Anlass, die Sache ruhen zu lassen. In den damaligen Ermittlungen fiel auch Mamics Name.

Laut der Zeitung Vecernji list sollen neben Stars wie Modric und Lovren auch die Ex-Bundesligaprofis Vlado Kasalo (Nürnberg) und Dino Drpic (Karlsruhe) auf einer 80 Namen umfassenden Zeugenliste im Mamic-Verfahren stehen. Die Liste soll aber gekürzt worden sein. Kasalo war Anfang der Neunziger-Jahre vom Deutschen Fußball-Bund die Spielerlaubnis entzogen worden, er wurde in Nürnberg suspendiert, weil die Polizei nach einigen Eigentoren gegen ihn wegen Spielmanipulation ermittelte. Nachgewiesen wurde ihm nichts. Später war er Direktor, Coach und Scout bei Dinamo und saß wegen illegalen Waffenbesitzes in Kroatien im Gefängnis.

Spielbetrug gehört in Kroatien zu den Krankheitssymptomen des Fußballs. Untersucht wurden hier auch schon Spiele Dinamos in der Champions League, etwa das 1:7 im Dezember 2011 gegen Olympique Lyon, wodurch Ajax Amsterdam damals die K.o.-Runde verpasste. Eine Manipulation konnte hier so wenig nachgewiesen werden wie bei anderen Spielen - selbst, wenn schriftliche Zeugenaussagen von Spielern vorlagen, die über Bestechungsversuche berichtet hatten.

Suker sagte jüngst der Presse, sein Vize Mamic habe solange als unschuldig zu gelten, bis Beweise auf dem Tisch lägen.

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