Süddeutsche Zeitung

Ermittlungen gegen die Fifa:Blatter watet durch den Sumpf

  • Austeilen, anlocken und dazu ein paar Verschwörungstheorien: Sepp Blatter tritt den Vorwürfen gegen seinen Verband kämpferisch entgegen.
  • Er versucht, seine Gegner zu ködern - und spricht bedrohliche Sätze.

Von Johannes Aumüller, Zürich, Zürich

Der Präsident betritt den Raum, wie so oft umrahmt von seiner treuen Entourage. Sein Kommunikationsdirektor vorweg, sein Generalsekretär hinterher. Dann setzt sich Sepp Blatter und sagt: "Ich bin glücklich."

Selten hat ein Mann, der diesen Satz sagte, so wenig glücklich ausgesehen.

Am Freitagabend ist der Schweizer zum fünften Mal zum Präsidenten des Fußball-Weltverbandes gewählt worden. Knapper als erwartet, weil es gegen den blassen jordanischen Prinzen Ali bin al-Hussein nicht zur gewohnten Zwei-Drittel-Mehrheit reichte, sondern nur zu einem 133:73 - und die Wahl nur nach dem ersten Durchgang endete, weil der Gegenkandidat freiwillig zurückzog. Aber eine Wiederwahl alleine reicht in diesen Tagen des Aufruhrs, den Blatter immer so betulich als "Ereignisse" oder als "Sturm" bezeichnet, nicht aus für ein umfängliches präsidentielles Glück. Er steht so stark unter Druck wie noch nie in seiner langen Zeit an der Spitze der Fifa (seit 1998) - und das von zwei Seiten.

Blatter spricht von "Hass" und droht, "nicht zu vergessen"

Die eine Seite, die von Uefa-Präsident Michel Platini angeführten Gegner in der Gesellschaft des weltweiten Fußballs, glaubt Blatter in den Griff zu kriegen. Und zwar mit einer Strategie irgendwo zwischen Austeilen und Anlocken.

Das Austeilen findet statt, als Blatter direkt nach der Wahl von "Hass" spricht, er droht, "nicht zu vergessen", wer da gegen ihn agitiert habe. Am Samstagmittag bei der Pressekonferenz auf dem Zürichberg hat er noch eine Pointe: Er habe auch eine größere Reform für mehr Moral in der Fifa gewollt, aber das habe leider die Uefa verhindert. Der Brite David Gill, Vizepräsident der Uefa und eigentlich in den neuen Fifa-Vorstand abgeordnet, ist wie angekündigt erst gar nicht aufgetaucht, als Blatter seinen neuen Vorstand am Samstagmorgen zum ersten Mal versammelt - und er hat "sich auch nicht entschuldigen lassen", wie Blatter scharf anmerkt.

Er lässt den Europäern die üblichen 13 Startplätze

Aber zugleich ködert Blatter die Europäer wieder mit den üblichen Methoden. Er lässt Europa für die WM 2018 die üblichen 13 Startplätze (plus Gastgeber Russland), für die WM 2022 ebenfalls - und für die WM 2026, da steht jetzt auf einmal eine Erweiterung auf 40 Mannschaften im Raum, wie DFB-Präsident Wolfgang Niersbach nach seiner ersten Sitzung als Mitglied des Fifa-Vorstandes berichtet. Apropos 2026: Bis vor Kurzem galt die Meinung, dass die Weltmeisterschaft nicht auf den Kontinenten stattfinden kann, die 2022 oder 2018 Gastgeber sind, also weder in Asien noch in Europa. Am Samstag tut Blatter kund, alle könnten sich bewerben außer - außer asiatischen Föderationen.

Eine radikale Kehrtwende. Und wenn sich Europas kritische Funktionäre kommende Woche in Warschau treffen, um über Konsequenzen aus Blatters Wiederwahl zu beraten - dann steht dort die Möglichkeit einer WM 2026 in Europa im Raum.

"Die Uefa gehört zur Fifa, sie brauchen die Fifa und die Fifa braucht die Uefa", so charmiert Blatter.

Es sind diese kleinen Tricks und Kniffe, die Blatter schon Dutzendfach in seiner Fifa praktiziert hat. Aber diese Tricks und Kniffe helfen nichts im Kampf gegen seinen zweiten Gegner: die Ermittler in den USA. Die Verhaftung von sieben lateinamerikanischen Funktionären könnte nicht die letzte Welle gewesen sein. "Ich bin ziemlich sicher, dass es noch weitere Anklagen gegen Fußball-Funktionäre geben wird", so hat das Richard Weber, der Leiter der Kriminalabteilung bei der US-Steuerbehörde IRS, der New York Times gesagt. Und schon unter der Woche hatten amerikanische Justizvertreter ja anklingen lassen, dass sie richtig tief hinein wollen in den Fifa-Sumpf.

In der Bedrängnis hilft nur die große Verschwörungstheorie

Konkret und aktuell machen Blatter vor allem drei Überweisungen über insgesamt zehn Millionen Dollar, die in der Anklageschrift der Amerikaner notiert sind, zu schaffen. Diese sollen nämlich 2008 von einem hochrangingen Fifa-Offiziellen über ein Konto des Weltverbandes an ein von Jack Warner kontrolliertes Konto gegangen sein. Damals war der Mann aus Trinidad & Tobago schon ein skandalumwitterter, gleichwohl enger Gefolgsmann der Fifa-Führung. "Dazu nehme ich keine Stellung", sagt Blatter am Samstag. Er könne nur sagen: Er habe die genannten Millionen nie gehabt oder verwendet. Aber ist er nicht der Mann an der Spitze des Verbandes - und damit der Mann in der Verantwortung?

In solch einer Bedrängnis hilft dann nur, die große Verschwörungstheorie anzukurbeln - die These von der gezielten Einmischung Amerikas gegen ihn. Die Verhaftungen, okay natürlich, wenn es Fehlverhalten gegeben habe, "aber man hätte sie sicher auch woanders auftreiben können und nicht zwei Tage vor dem Kongress". Es sei auch verblüffend, dass solche Festnahmen in einem schicken Züricher Hotel laufen, "und gleichzeitig waren dort schon drei amerikanische Journalisten zugegen".

Ob er Angst hat vor einer Verhaftung? "Verhaftung? Für was?"

Einer der Reporter hatte am Morgan des Zugriffs gar Bilder von den Polizisten an der Hotelrezeption im Netz verbreitet. Und überhaupt, die engen Beziehungen zwischen den USA und Jordanien, dem Land seines Herausforderers Prinz Ali: "Man darf nicht vergessen, dass sie der Hauptsponsor des haschemitischen Königsreichs sind, also von meinem Gegner. Diese Sache riecht nicht gut", so Blatter in voller verschwörerischer Blüte.

So einfach ist das also in Blatters Welt: England und die USA haben vergeblich um die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 gekämpft, also kommen jetzt die Angriffe also aus England und den USA.

Ob er Angst habe, dass er wegen der Ermittlungen in Amerika auch einmal verhaftet werden könnte? Antwort Blatter: "Verhaftet? Für was?" Und dann war sein Auftritt schon wieder vorbei.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2500516
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ digital vom 30.5.2015/jbe
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.