Erklärung von Franz Beckenbauer:"Keine Stimmen gekauft"

  • Für die WM 2006 in Deutschland seien keine Stimmen gekauft worden, sagte Franz Beckenbauer bei einer Anhörung der externen Untersuchungskommission des DFB.
  • Gleichzeitig räumte Beckenbauer ein Fehlverhalten des Organisationskomitees ein, dessen Präsident er damals war.
  • Fehler seien bezüglich eines Finanzierungsvorschlages der Fifa-Finanzkommission gemacht worden.

Von Thomas Kistner

Immer stärker hatte der Druck auf Franz Beckenbauer gelastet. Schon am Dienstag voriger Woche, am Tag fünf der Sommermärchen-Affäre, hatte er Wolfgang Niersbach am Wohnsitz Salzburg empfangen und ihm eine lückenhafte Version für das Zustandekommen der ominösen 6,7-Millionen-Euro-Zahlung mitgeteilt. Diese Version gab der DFB-Präsident dann zwei Tage später derart konfus in einer Pressekonferenz wieder, dass noch viel mehr Fragen offen blieben - zugleich gab es nicht eine schlüssige Antwort.

Am Montagabend nun, immerhin an Tag elf der öffentlichen Märchen-Debatte, brach Beckenbauer sein Schweigen. Er hatte in den Stunden zuvor bei den privaten Ermittlern der vom Deutschen Fußball-Bund zur Klärung angeheuerten Kanzlei Freshfields ausgesagt. Danach gab er ein dürres Statement ab, aus dem sich zweierlei festhalten lässt: Niemand kann mehr sagen, der Bewerbungs- und Organisationschef der WM 2006 habe sich zur schwelenden Affäre nicht geäußert. Und zugleich gilt: Alle Fragen sind weiterhin offen.

Nur zwei kurze Aussagen trifft Beckenbauer. Erstens: Es habe keinen Stimmenkauf für die WM 2006 gegeben. Das bleibt vorläufig als Behauptung so stehen. Als eine Aussage des deutschen Bewerbungschefs zu einem Vergabe-Prozedere, das in der Regel nichts anderes als ein sport- und wirtschaftspolitisches Armdrücken einiger Länder ist, in dem es um eine Milliarden-Trophäe geht: das WM-Turnier. Beckenbauer erklärt die Arbeit seines damaligen Bewerberteams für sauber: "Es wurden keine Stimmen gekauft." Bestanden hat diese Arbeit allerdings darin, nachweislich korrupte Fußballfunktionäre von den Vorzügen einer deutschen WM zu überzeugen. Dieses Gebuhle ging im Falle aller übrigen WM-Vergaben von 1998 bis 2022 mit massiven Verdachtsmomenten einher. In manchen Fällen ermittelt derzeit die US-Justiz.

Nur die WM 2006 wurde sauber vergeben? Just das Turnier, das Fifa-Boss Sepp Blatter in Südafrika sehen wollte? Das ist eine der Fragen. Zumal die deutschen Bewerber im Endspurt damals tief in Grauzonen vordrangen. So ließen sie zum Beispiel üppig dotierte Fernsehverträge für quasi wertlose Freundschafts-Kicks von Bundesligisten in Ländern von Fifa-Wahlleuten ausreichen.

Beckenbauer hat einen Fehler begangen. Aber welchen?

Wichtiger aber ist Beckenbauers Aussage Nummer zwei: "Um einen Finanzierungszuschuss der Fifa zu erhalten, wurde auf einen Vorschlag seitens der Fifa-Finanzkommission eingegangen, den die Beteiligten aus heutiger Sicht hätten zurückweisen sollen", teilte er über sein Management schriftlich mit. Für diesen Fehler trage er "als Präsident des damaligen Organisationskomitees die Verantwortung".

Beckenbauer hat also, wie er zugibt, einen "Fehler" begangen. Welchen? Und wie schwer wiegt dieser Fehler, wenn er elf Tage öffentlicher Debatte vorbeiziehen ließ, um ihn im Grundsatz einzugestehen?

Beckenbauers dünne Erklärung bewegt sich auf der Linie, die Niersbach bei seiner Pressekonferenz vorgab. Der DFB-Präsident hatte von einer bizarren, im Jahr 2005 beglichenen Forderung des Fifa-Finanzkomitees erzählt: Der Weltverband wollte den Deutschen 170 Millionen Euro ins WM-Organisationsbudget zuschießen -, im Gegenzug wünschte er jedoch eine Vorabzahlung der Deutschen von 6,7 Millionen Euro. Ist das konkret der Vorschlag, den Beckenbauer nun meint?

Hat Beckenbauer nicht sowieso schon genug vorgelegt?

Falls nicht, hat Niersbach etwas Falsches erzählt. Es entstünden weitere Fragen. Falls doch, wird die Absurdität der angeblichen Forderung - gib mir 6,7 Millionen, dann kriegst du 170 Millionen - nur von der Behauptung übertroffen, dass sich Beckenbauer daraufhin, laut Niersbach, mit dem Gedanken getragen habe, selbst die 6,7 Millionen vorzuschießen. Um später auf ein stilles Geschäft mit dem Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus umzusatteln, der das Geld vorschossen haben soll.

Wie kann ein OK-Präsident, sollte die Fifa tatsächlich qua Finanzkommission so eine dreiste Forderung an den WM-Partner gerichtet haben, auf die Idee verfallen, dass er diese aus der Privatkasse vorlegen könne? Hatte Beckenbauer nicht sowieso schon genug Verzicht geübt - er, der ja nur ehrenamtlich tätig war für die WM 2006? Das von Niersbach beschriebene Szenario, dass Beckenbauer ans eigene Ersparte wollte, legt eine Erpressung seitens der Fifa nahe. Aber womit?

Die WM war bereits seit 2000 an die Deutschen vergeben, auch hat die Fifa stets Geld für die Veranstalter beigesteuert. Falls es um einen Sonderzuschlag ging, hätte dieser öffentlich verhandelt werden können. Warum stille Transaktionen? Warum sichert der Adidas-Chef den Deutschen die WM-Zuschüsse? Wenige Zeilen hat Beckenbauers Erklärung. Erklären tut sie nichts. Schon gar nicht die Kernpunkte der Affäre: Wann zahlte Louis-Dreyfus die Millionen? An wen? Von wem erfolgte die Rückzahlung? Wann? Auf welches Konto?

Er habe bei der Anhörung alles beantwortet, so Beckenbauer. Mag sein, es wird auf den Inhalt ankommen. Bis dahin bleibt im Raum, was er nicht tat: die Existenz einer schwarzen Kasse zu dementieren.

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