Erklärung vom Eislauf-Weltverband:"Claudia Pechstein ist nicht rehabilitiert"

Claudia Pechstein

Der internationale Eislauf-Verband attackiert Claudia Pechstein heftig.

(Foto: dpa)
  • Der Eislauf-Weltverband befeuert den Streit mit der Eisschnelläuferin Claudia Pechstein. Er teilt mit: "Pechstein ist nicht rehabilitiert."
  • Den Mediziner, der die Unschuld der Athletin attestierte, betrachtet die ISU als "Pechsteins Hauptexperten", dem sie jede Neutralität abspricht.
  • Die 43-Jährige kontert ebenso harsch: "Auf solch eine kranke Denkweise muss man erst einmal kommen."

Von Thomas Kistner

Der Eislauf-Weltverband will nicht länger schweigen zu Aktionen und Aktionismus um Claudia Pechstein. In Deutschland, beklagt die ISU nun per Pressetext, sei die Wahrnehmung entstanden, es sei bereits geklärt, dass die Eisschnellläuferin Opfer einer Blutanomalie ist, die fälschlich als Doping interpretiert wurde: "Pechstein ist nicht rehabilitiert", teilt die ISU mit. Die Berlinerin war 2009 wegen erhöhter Blutwerte zwei Jahre gesperrt worden. Sie hat Doping stets bestritten und führt die Blutwerte auf eine vererbte Anomalie zurück.

Massiv befördert hatte die Unschulds-Wahrnehmung hierzulande eine vom Sportdachverband DOSB initiierte Kommission: Sie schätzte die Causa Pechstein als Fehlurteil ein; die Blutbildverläufe der Athletin gäben keinen "Dopingnachweis" her. DOSB-Chef Alfons Hörmann erhob Pechstein darauf zum Opfer: "Man kann nur um Entschuldigung bitten."

Der ISU geht der Eindruck der Rehabilitation zu weit

Frohlocken durfte die Skaterin auch, als das Münchner Oberlandesgericht ihre Schadenersatzklage gegen die ISU für zulässig erklärte. Aber das betrifft prozessuale Fragen, nicht die Doping-Causa. Sollte der Bundesgerichtshof den Spruch im Herbst bestätigen, kann der Fall ab 2015 erstmals inhaltlich verhandelt werden. Wie rigoros die Position der ISU dann sein wird, legte sie in ihrem ersten Statement zu den Entwicklungen dar.

Die Athletin habe jahrelang "Medienkampagnen organisiert, in denen sie behauptete, nie gedopt zu haben", attackiert der Weltverband via Website. Obwohl vieles "falsch und irreführend" gewesen sei, habe man geschwiegen - nun geht der ISU der Eindruck einer Rehabilitation zu weit.

In der Tat: So eine Rehabilitierung können unterm DOSB-Schirm orchestrierte Leute nicht leisten, zumal sich einige schon lange zuvor in der Sache positionierten. Kommissionschef Wolfgang Jelkmann (Uni Lübeck) zählte 2009 zu den ersten Experten, die pro Pechstein plädierten. Trotzdem findet der DOSB, die Runde sei "aus unserer Sicht neutral und ausgewogen besetzt".

Indes betrachtet die ISU Jelkmann als "Pechsteins Hauptexperten", dem sie jede Neutralität in der Rolle als unabhängiger Kommissionschef abspricht. Am Freitag beklagte der Hämatologe ein "unsauberes" Vorgehen der ISU und betonte, er sei nicht Gutachter für Pechstein gewesen, "sondern für die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft, also die Gegenseite".

Formal korrekt. Doch was die ISU als Defizit an Neutralität betrachtet, hat sie klar geäußert: Jelkmann habe in den Dopingprozessen bei ISU und Sportgerichtshof Cas "aktiv und persönlich vor beiden Instanzen für sie ausgesagt". So etwas ist, ungeachtet der formalen Rolle, nicht direkt ein Ausweis für Neutralität. Jelkmann sagt dazu laut dpa nun Erhellendes: "Von Anfang war klar", dass in dem Fall nicht von Doping auszugehen sei.

Der Streit der Blutforscher ist womöglich gar nicht so wichtig

Das Gekabbel der Blutforscher, die ja, wie die ISU in ihrer Erklärung spöttelt, noch immer "weder Namen noch exakten Typus der Krankheit" gefunden hätten und sie überdies selbst als "milde" Variante betrachteten - all das könnte vor Gericht womöglich gar nicht die größte Relevanz besitzen. Es gibt, nach wie vor, spannendere Fragen in diesem Sport-Krimi.

Die ISU ruft erneut Pechsteins Blutwerte seit 2000 in Erinnerung und hält dazu fest, dass im Zeitraum von 2000 bis 2006 sowie ab 2009 bis heute keine Auffälligkeit registriert wurde. Jedoch seien die Werte in der für den Fall relevanten Zeit von 2007 bis 2009 deutlich erhöht gewesen. Und mehr: Auch "der Zufall" sei zu erklären, dass Pechstein "ihre höchsten abnormalen Werte ständig genau zum Zeitpunkt von globalen Topwettkämpfen hatte". Auch das habe die DOSB-Runde nicht schlüssig erklärt. Pechstein übrigens attestierte der ISU am Freitag eine "kranke Denkweise".

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