Süddeutsche Zeitung

Eric Frenzel und Hermann Weinbuch:Das Ende einer perfekten Kombination

Lesezeit: 4 min

Eric Frenzel und sein Trainer Hermann Weinbuch waren mehr als ein Jahrzehnt lang ein Erfolgsgespann in der Nordischen Kombination. Nun verlassen sie die Wintersportbühne.

Von Volker Kreisl

Man könnte meinen, dass dieser Winterzweikampf den Sportler schon früher ermüdet. Immer diese zwei gegensätzlichen Disziplinen - erst leicht fliegen und dann skaten, bis einem schwarz vor Augen wird. Und diese Wettkampftage, von in der Früh bis in den späten Nachmittag. Schließlich, das Frustrierende: Meistens sind kaum Zuschauer an der Strecke, obwohl sie Podestplätze hätten bejubeln können. Und doch wird Eric Frenzel seinen geliebten und anspruchsvollen Sport ab jetzt wohl vermissen, nachdem er am Sonntag in Lahti seinen letzten Sprung auf der Schanze gesprungen und seine letzten Meter in einer Weltcup-Loipe gelaufen ist.

Trainern in der Nordischen Kombination geht es wohl ähnlich, wenn sie vom aktiven Coachen zurücktreten. Ihr Job ist die Planung, sie sollen die Sprung- und Skating-Kompetenzen ihrer Athleten verbessern, bis zum Schluss auch ihre eigenen Sprinteinheiten im Wettkampf - wenn sie an der Loipe neben ihren Kombinierern im Schnee sprinten, um ihnen einen letzten Schwall an Motivation hinterherzubrüllen, etwa dass der Gegner eh schon blau sei, was oft gar nicht stimmt.

Hermann Weinbuch, der langjährige deutsche Kombinations-Bundestrainer, und Eric Frenzel, sein langjähriger Kombinations-Musterschüler, haben am Wochenende ihre aktiven Karrieren beendet. Das beste deutsche Ergebnis bei den letzten Weltcups des Winters beschaffte ein weiterer Veteran: Johannes Rydzek wurde am Sonntag in Lahti Fünfter. Frenzel glitt im letzten Rennen seiner Karriere als 39. durchs Ziel, mit einem vom Weltverband gestifteten Dankestrikot, rutschte durch ein Ski-Spalier der Kollegen und sagte danach: "Ich habe mich nie auf die Rekorde bezogen. Mir war es wichtiger, als Mensch und als Athlet gut anzukommen." Seinen Ausstand fand er "phänomenal".

Schon vor drei Wochen hatte sein Konkurrent, Norwegens Ausnahmebegabung Jarl Magnus Riiber - der am Sonntag seinen 57. Weltcup gewann - bei den Weltmeisterschaften gesagt: "Danke für alles, Eric. Du bist eine wahre Legende." Frenzel und Weinbuch werden sich vielleicht noch in der einen oder anderen Form in ihrem Sport einbringen. Die Zäsur ist dennoch groß. Weinbuch, selbst einstmals erfolgreicher Kombinierer, prägte diesen Sport seit vier Jahrzehnten, 27 Jahre allein als Bundestrainer. Seine Expertise ist international geachtet, von der Trainingsmethodik für die Junioren bis zum erfolgreichen Bauplan für einen Olympiasieg. Sechs Goldmedaillen bei Winterspielen fielen in seine Zeit als Bundestrainer, 15 WM-Titel dazu.

Als 18-Jähriger bog Frenzel in die Solidität ab - er wurde Vater

Bei den Winterspielen 2014 in Sotschi hatte Eric Frenzel, gecoacht von Weinbuch, die erste seiner beiden olympischen Goldmedaillen im Einzel errungen. Es war in etwa die Mitte von Frenzels Karriere, die trotz Überraschungen im Sport, aber auch im sonstigen Leben rund anderthalb Jahrzehnte dauerte. Als 18-Jähriger, in einem Alter, in dem man im Leben noch sonst wohin springen möchte, bog Frenzel in die Solidität ab: Er wurde Vater. Seine Freundin und heutige Frau war damals 15 Jahre alt, beide waren sich letztlich einig, dass Frenzel das Risiko eingehen - und den Nischensport Kombination weiterverfolgen sollte.

Er wurde dann der erfolgreichste deutsche Kombinierer, ein Vorbild für die Jüngeren, zumindest für jene, die bereit sind, für den Erfolg auf manches zu verzichten. Frenzel musste früh erwachsen werden, womit er wohl viel verpasst hat. Andererseits fand er eine zweite Heimat auf der Schanze und in der Loipe, wo er bereit war, für den Erfolg zu leiden.

Nach einem Langlauf-Finish liegen im Zielraum Menschen in dünnen Anzügen im Schnee, die Augen geschlossen, den Mund offen, ihr Brustkorb auf und ab hüpfend wie ein Kolben, bis sie endlich zur Ruhe kommen, aufstehen und abtreten. Frenzel hatte auch dies erlebt - zuletzt bei seiner finalen Großveranstaltung, der WM 2023 in Planica, wo er als Startläufer der Staffel zur Silbermedaille beitrug. Die Bereitschaft, sich zu quälen, hatte der 57 Kilogramm leichte Frenzel früh gepflegt. Neben einer effektiven Sprungtechnik und einem scheinbar leichtfedernden Laufstil, konnte er mehr aus sich herausholen als die meisten anderen. Bis zur Ohnmacht.

Bei den Olympischen Spielen in Peking vor einem Jahr war es, als Corona noch Mannschaften kurz vor dem Wettkampf ausgedünnt hatte und Sportler tagelang in Hotelquarantäne zwang. Auch Frenzel war betroffen, und als er nach mehreren Tagen endlich in die Olympia-Loipe durfte, ging es mit ihm durch. Er verausgabte sich als dritter Läufer der Staffel dermaßen, dass er das Bewusstsein verlor, ins Krankenhaus gefahren wurde, und vom Rennausgang zunächst nichts mitbekam.

"Ich glaube, so ausgepowert war ich in meinem Leben noch nicht - und das will schon was sagen bei der Zeit, die ich die Sportart schon betreibe", sagte er später. Dass das Team Silber gewann, ging dabei etwas unter. Solche Extremauftritte waren dennoch selten, Frenzels Art war der taktisch überlegene Sieg, oftmals basierend auf einem komfortablen Vorsprung in der Loipe, den er sich beim Springen erarbeitet hatte.

Seine 18 WM-Plaketten sind bislang unerreicht

Sieben Olympia- und 18 WM-Medaillen bei Nordischen Meisterschaften hat Frenzel gewonnen, zudem holte er 54 Weltcupsiege und fünfmal nacheinander den Gesamtweltcup in den Wintern zwischen den Jahren 2012/13 bis 2016/17. Mit seinen 18 WM-Plaketten hat er in der Rekordliste alle hinter sich gelassen, unter anderem den norwegischen Langlauf-Spezialisten Bjørn Dæhlie. Und doch wird auch er irgendwann in den Statistiken überholt werden, vielleicht vom Norweger Jarl Magnus Riiber, dem Kombinierer, der Springen und Laufen fast so gut beherrscht wie die Spezialisten.

Kürzlich hatte Frenzel bemerkt: "Ich brauche nicht noch mehr Bestätigung." Er weiß, dass irgendwann seine Epoche verblassen wird, und damit auch die vom Trainer Weinbuch, die aber beide gut damit umgehen können werden, weil sie schon immer vor wenigen Zuschauern große Siege feierten - und dabei realistisch blieben, in diesem Sport namens Nordische Kombination.

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