Erfolgsverein FC Bayern:Kapitalismus mit Herz

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Feste Prinzipien: Warum Bayern München zum größten Erfolgsmodell des deutschen Fußballs geworden ist

Ludger Schulze

Der schulfreie Samstagvormittag war für den jungen Uli Hoeneß der arbeitsreichste Tag der Woche, da half er in der elterlichen Metzgerei an der Kasse aus. Fiel ein Geldstück durch den Holzrost, musste er nach Ladenschluss so lange danach suchen, bis die Tagesbilanz des kleinen Handwerksbetriebs wieder stimmte - manchmal war dadurch sogar sein Einsatz in der Jugendmannschaft des örtlichen Klubs VfB Ulm gefährdet.

Methoden des Vaters übernommen: Dank Uli Hoeneß steht der FC Bayern gut da. (Foto: Foto: ddp)

Vom Vater, dem strengen Metzgermeister, übernahm Uli Hoeneß jene Prinzipien, die den FC Bayern München zum größten Erfolgsmodell des deutschen Fußballs gemacht haben.

Der Klub hat anlässlich der jährlichen Hauptversammlung neue Rekordzahlen verkündet: Der Umsatz stieg auf 225,8 Millionen Euro (Vorjahr: 204,7), der Gewinn nach Steuern beträgt 18,9 Millionen Euro (Vorjahr: 4,8). Ein Vergleich unterstreicht die Ausnahmestellung der Münchner: Borussia Dortmund, noch vor wenigen Jahren sportlich wie wirtschaftlich der schärfste Bundesliga-Rivale der Münchner, wies zuletzt einen Umsatz von 106 Millionen Euro und einen Gewinn von 10,3 Millionen aus.

Beruhigende Geschäftslage

Den entscheidenden Vorsprung in Deutschland aber verschafft den Bayern ihr Erspartes, gut 110 Millionen Euro haben sie auf dem Festgeldkonto. Mit diesen Zahlen rangieren sie unter den fünf Topklubs Europas, mit dem Unterschied, dass diese in der Regel hochverschuldet sind oder durch einen Großinvestor alimentiert werden.

Die beruhigende Geschäftslage verdankt der Verein auch der in der Metzgerei Hoeneß praktizierten familiären Betriebsführung: Fleiß, Sparsamkeit und immer etwas weniger ausgeben, als in der Kasse ist. Einmalig in der Unterhaltungsindustrie Fußball ist es, wie der Klub ein Startkapital von minus zehn Millionen Mark im Jahr 1979, als Jungmanager Hoeneß seinen Dienst antrat, in den solidesten Haushalt der Branche verwandelte. Das hat dem Verein weltweit einen Ruf gesichert, der sich mit Goldpokalen kaum aufwiegen lässt.

Das Kerngeschäft hat der FC Bayern dabei niemals aus der Hand gegeben. Während die Konkurrenz beispielsweise den Handel mit Fanprodukten sowie Akquise und Betreuung der Sponsoren den Heerscharen betriebswirtschaftlicher Glücksritter anvertraute und dafür bis zu 25 Prozent der Einnahmen abgeben muss, kümmert sich beim FC Bayern der Vorstand persönlich darum, neben Hoeneß der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge und Finanzexperte Karl Hopfner.

Bisweilen hilft Präsident Franz Beckenbauer mit seinem glänzenden Draht in die Chefetagen von Wirtschaft und Politik. In den Klub-Beiräten ist eine gesellschaftliche Elefantenrunde versammelt: Bayerns ehemaliger Ministerpräsident Stoiber, Adidas-Boss Hainer, die Unternehmensberater Berger und Henzler oder VW-Chef Winterkorn.

Abweichen von den Grundsätzen

Wer den aggressiven Fußballkapitalisten Uli Hoeneß vor den Fernsehkameras agitieren sieht, ahnt kaum, dass sich dahinter ein fürsorglicher Vereinspatriarch verbirgt; der sich verlässlich um persönliche Belange seiner Angestellten und Vertrauten kümmert, um den Alkoholiker wie den an Krebs erkrankten Ex-Spieler. Auch dass Prämien im Erfolgsfall nicht nur an die Fußballer, sondern bis hinunter zum Platzwart ausgeschüttet werden, schafft eine einmalige Motivation und Identifikation mit dem eigenen Verein.

Von den alten Grundsätzen ist der FC Bayern erstmals vor dieser Saison abgewichen. 100 Millionen Euro gaben sie für neue Spieler wie Toni, Klose oder Ribery aus. Der Druck im Wettstreit mit Europas Besten ließ keine andere Möglichkeit mehr zu.

Sollte die Investition nicht den erwarteten sportlichen Erfolg nach sich ziehen, werden Hoeneß und seine Mitstreiter feststellen müssen, dass diese 100 Millionen durch den Rost gefallen sind - und der angesehene Familienbetrieb damit auf den gefährlichen Weg all der anderen Zocker geraten würde.

© SZ vom 14.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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