Erfolg des FC Bayern:Eine Mannschaft - nicht nur für 90 Minuten

DFB-Pokal FC Bayern München - VfB Stuttgart

Alle gemeinsam: Der FC Bayern in Berlin

(Foto: dpa)

Elf Freunde müsst ihr sein: Die Münchner Allesgewinner führen ihre Dominanz auch auf eine besondere zwischenmenschliche Harmonie zurück. Bevor die Klub-Verantwortlichen in den Urlaub gehen, basteln sie nun noch an den Feinheiten für den Kader der kommenden Saison.

Von Andreas Burkert, Berlin

Der deutsche Fußball-Nationaltorwart Manuel Neuer, das ist am Sonntagvormittag brandheiß zu erfahren, hat soeben erst den Berliner Club The Grand verlassen. Um neun Uhr morgens. Normal sei dort gegen fünf Schluss, berichtet ein glaubwürdiger Augenzeuge, der sogar ein Foto vorzeigen kann. Neuer und ein versprengtes Dutzend Nachtschwärmer haben in der sogenannten Pop-Art-Bar am Alexanderplatz eben einfach nur die großzügigen Öffnungszeiten genutzt: "Open End".

Um neun musste Neuer dann aber doch gehen. Denn um halb elf war Abfahrt im Hotel am Gendarmenmarkt: zurück nach München, weiter feiern, auf dem Marienplatz, trotz des verdammten Mistwetters.

Man kann sagen, dass sich auch der Mensch Neuer, 27, inzwischen ziemlich gut eingefügt hat bei den Allesgewinnern des FC Bayern. Eine durchaus erfreuliche Entwicklung ist das, wenn man bedenkt, dass ein paar Bollerköpfe aus der Münchner Südkurve Neuer nach seinem Transfer vor zwei Jahren verbieten wollten, sich von ihnen feiern zu lassen - weil er als Kind in Gelsenkirchen sozialisiert wurde. Früher ist der deutsche Nationaltorwart Oliver Kahn häufig der letzte gewesen, wenn die Bayern auf ihren Reisen gesellig beisammensaßen. Nun imponiert Neuer im Sinne des gruppendynamischen Prozesses mit titanischer Härte gegen sich selbst.

Die Mär von den elf Freunden gibt es heute nicht mehr im Fußball; das Spiel ist ein Geschäft und der FC Bayern unangefochtener Branchenführer unter den professionalisierten Fußballkonzernen. Und doch fiel in den vergangenen Wochen und nun auch während der Feierlichkeiten nach dem 3:2 gegen den VfB Stuttgart auf, wie häufig sie alle die zwischenmenschliche Harmonie erwähnten, die den historischen Gewinn von Meisterschaft, Champions League und DFB-Pokal begleitet, ja vielleicht sogar erst ermöglicht hätte.

"Wir haben die richtigen Charaktere", heißt es seit Wochen von Kapitän Philipp Lahm, während Trainer Jupp Heynckes, der große Moderator und Integrator dieser Mannschaft, nun in Berlin wieder vom "großen Zusammenhalt" sprach. Es gab da außerdem nach der Pokalübergabe und dem Goldschnipsel-Inferno eine Szene, in der zunächst Rafinha und Arjen Robben die Trikots der auf Druck des brasilianischen Verbandes zum Confed-Cup abkommandierten Kollegen Dante und Luiz Gustavo in Kameras und Objektive hielten. Auch das Hemd des Kreuzband-Patienten Holger Badstuber war erneut zu sehen.

Dass der diplomierte Individualist Robben sich jetzt auch außerhalb des Rasens um das Wohl der Gruppe bemühte, ebenso der sehr stolze Hitzkopf Rafinha, der seinen Reservistenstatus eine Saison lang nie beklagte, solche Details dienten den Bayern als Beleg für die These: Wir haben eine Mannschaft, nicht nur für 90 Minuten.

Daran ändern auch nichts einige wenige Sonderfälle oder der Umstand, dass sie wieder früh das Klubbankett an der Französischen Straße verließen, man sich dann auf zwei Clubs verteilte - und der Trainer zwar erst mitging, vor dem Discolärm dann aber rasch kapitulierte. Zurück blieb beim nächtlichen Dinner die geschlauchte Belegschaft, unter die sich Vorstand Karl-Heinz Rummenigge bis zum frühen Morgen mischte. Bis Currywurst gereicht wurde.

Warten auf die Offerte an Lewandowski

In den Urlaub gehen nun Rummenigge, Präsident Uli Hoeneß und Sportvorstand Matthias Sammer nicht sofort. Ein paar Tage sind sie schon noch da, um die letzten Personalien zu klären in einer Mannschaft, die eigentlich steht. Der Zugang von Dortmunds Offensivspieler Mario Götze für die festgeschriebene Ablösesumme von 37 Millionen Euro ist bereits fix, und ob ihm nun wie erwartet BVB-Torjäger Robert Lewandowski folgt - zumindest mit einer Münchner Offerte dürfen die Dortmunder nun minütlich rechnen -, müsste sich auch bald klären. Unabhängig davon wird sich wohl der Berliner Doppelschütze Mario Gomez neu orientieren; mit Claudio Pizarro, dem dritten Stürmer, soll um ein Jahr verlängert werden, wie auch mit dem Belgier Daniel Van Buyten, nachdem Badstubers Rückkehr ungewiss ist.

Als einziger Weggang steht bislang der Ukrainer Anatoli Timoschtschuk fest; Rafinha (Vertrag bis 2014) wollen Rummenigge und Sammer ebenfalls halten. Sie finden, mit dem Luxus, jeden Job doppelt besetzt zu haben, sei man gut gefahren. Auch der Übergang zu Heynckes' Nachfolger Pep Guardiola sorge ihn nicht, betonte Sammer: "Natürlich werden die Meinungen kommen: Ja, im nächsten Jahr könnten Schwierigkeiten kommen, da müsste man sich beweisen", sagt er. "Ich finde, wir haben alle Schwierigkeiten schon gelöst - und es hat keiner großartig gemerkt."

Nicht nur im Kern bleibt diese außergewöhnliche Mannschaft also beisammen. Die Verträge sind langfristig ausgelegt, auch der französische Flügeldribbler Franck Ribéry, 30, wird nun bald verkünden: "Isch abbe gemacht zwei Jahre mehr." Bis 2017 gilt dann sein Kontrakt. In Berlin hat man gerade einmal mehr über ihn gestaunt, wie er im Duett mit Robben die Flügel okkupierte, obwohl sie doch eigentlich als Solisten auf links (Ribéry) und rechts (Robben ) festgelegt sind. Und ist es nicht eben dieser impulsive Filou gewesen, der im April 2012 der holländischen Divenkonkurrenz in der Halbzeit des Halbfinal-Matchs gegen Real Madrid (2:1) mit einem Haken ein Veilchen verpasste?

Ein gutes Jahr später ist sein scheidender Mentor Heynckes, der demnächst wahrscheinlich für komplizierte Tarifeinigungen und die Befriedigung von Grenzkonflikten angefordert wird, ein Kandidat für die Auszeichnung zum Weltfußballer 2013. "Ich gehe davon aus, dass das unter vier Spielern ausgemacht wird: Das sind für mich die zwei Kapitäne Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger, dann Franck Ribéry und Thomas Müller", sagte Heynckes am Samstagabend im Olympiastadion. "Das sind die vier Kandidaten für mich, die das in diesem Jahr abräumen müssen." Dass er Robben, den fulminanten Siegtorschützen von Wembley, nicht erwähnte, ist vermutlich ein Versehen gewesen.

Im Dezember wird der Ballon d'or wieder vergeben an den "Weltfußballer des Jahres", der große Lionel Messi vom FC Barcelona nahm ihn in den zurückliegenden vier Jahren in Empfang. Fachjournalisten und andere Experten fällen das Urteil. Zuletzt hat 1991 ein Deutscher diese Auszeichnung erhalten, Lothar Matthäus; Oliver Kahn war 2002 Zweiter.

Auch Manuel Neuer ist nicht aufgezählt worden von Heynckes, als der seine Kandidaten für die Nachfolge des argentinischen Genius Messi nannte. Der Torwart saß neben ihm, er ist aber nicht sauer gewesen. Denn Heynckes sagte über Neuer, er gehöre ja zu denjenigen, die noch jung seien und noch vieles vor sich hätten. Ein paar Titel und Nächte ohne Schlaf.

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