Deutschland im Achtelfinale der Fußball-WM:Wacker durch die Wasserschlacht

World Cup 2014 - USA - Germany

Zufrieden nach einem regnerischen Arbeitstag: Torschütze Thomas Müller

(Foto: dpa)

Regen von oben, Flanken von rechts, Müller in der Mitte: Deutschland zieht durch ein schwer erkämpftes 1:0 gegen die USA als Gruppensieger ins WM-Achtelfinale ein. Das einzige Tor erzielt Thomas Müller mit einem trockenen Distanzschuss - am Ende kann sich auch Jürgen Klinsmann freuen.

Ein deutscher Trainer an der Seitenlinie, die beige Hose vom Regen durchnässt, wütend stapfte er auf den nassen Rasen, ihm gefiel nicht, was er da vor sich sah. Jürgen Klinsmann war sauer. Es liefen die letzten Minuten, der Trainer der USA schimpfte auf den Schiedsrichter, mit seinen Spielern war er zufrieden.

Ein paar Meter neben Klinsmann stand ein zweiter deutscher Trainer, das blaue Hemd vom Regen durchnässt, er schaute grimmig, ihm gefiel nicht, was er da vor sich sah. Joachim Löw war unzufrieden. Aufgebracht strich er seine Haare nach hinten. Ein Regentag in Recife.

Die Stadt an der Atlantikküste, aufgrund der zahlreichen Brücken und Kanäle "Venedig Brasiliens" genannt, wurde überflutet von Niederschlag, allein in den 24 Stunden vor dem Anpfiff gab es 25 Prozent des für den gesamten Juni vorhergesagten Niederschlags, teilweise waren Straßenzüge komplett überschwemmt. Aufgrund der für die Zuschauer erschwerten Anreise überlegte der Weltverband Fifa kurzzeitig, den Anpfiff um eine Stunde nach hinten zu verschieben.

Zwei Stunden vor dem geplanten Spielbeginn teilte jedoch eine Fifa-Sprecherin mit: Das Spiel soll stattfinden. Zur geplanten Uhrzeit. Auch der Rasen in der Arena wurde als tauglich eingeschätzt, zur Sicherheit wurden die Fünfmeterräume mit Plastikplanen abgedeckt. Und so lief Bundestrainer Joachim Löw kurz vor dem Spielbeginn erst einmal mit Regenschirm über den Rasen, er sah, dass alles okay war. Löw lächelte.

Den Regenschirm ließ er später in der Kabine liegen. Und auch das Lächeln verlor Löw. Das Spiel seiner Mannschaft gegen die USA, das Team von Jürgen Klinsmann, war mitunter zäh. Durch ein 1:0 (0:0) ist Deutschland als Gruppenerster ins Achtelfinale eingezogen und trifft am Montag (22 Uhr MESZ) in Porto Alegre auf Algerien. Die USA zitterten sich trotz der Niederlage ebenfalls in die K.o.-Runde. "Es ist gewaltig", sagte Klinsmann. "Für uns ist es immens, dass wir diese Gruppe überstanden haben." Löw war weniger euphorisch: "Ich glaube, dass wir das Spiel souverän gestaltet haben. Auch für uns ist das jetzt alles oder nichts. Aber das ist keine neue Situation." Schon vor der Partie wurde ja eifrig über das Resultat diskutiert, ein Unentschieden, das stand bereits vor dem Anpfiff fest, würde beiden Teams reichen, ein Wort dominierte daher die Vorberichterstattung: Gijón.

Die Stadt, in der Deutschland bei der WM 1982 gegen Österreich 1:0 gewann, beide Teams spielten auffällig unauffällig, es war ein Ergebnis, durch das beide Teams weiterkamen. Aufgrund der Nähe zwischen Löw und Klinsmann, die gemeinsam die deutsche Nationalmannschaft bei der WM 2006 auf den dritten Platz geführt hatten, wurde auch vor der Partie in Recife eifrig über eine mögliche Absprache spekuliert. Nein, nein, wehrten alle Beteiligten vehement ab, es gehe um den Gruppensieg, um die bessere Ausgangsposition für das Achtelfinale.

Solides Fundament im Mittelfeld

Löw bestärkte diese Absicht mit seiner Aufstellung, für den gegen Ghana früh ermatteten Sami Khedira spielte Bastian Schweinsteiger, fast 30, Lukas Podolski, seit wenigen Wochen 29, ersetzte Mario Götze. So stand in Recife die älteste deutsche Startelf seit dem WM-Finale von 2002 auf dem Rasen. Es war Löws Versuch, sein Mittelfeld auf ein solides Fundament zu stellen, im zweiten Gruppenspiel wirkte dieser Mannschaftsteil teilweise so fest wie eine überschwemmte Straße.

"Ich wollte Sami eine Pause gönnen", erklärte der Bundestrainer. Schweinsteiger, der Khedira-Vertreter, lobte Löw später, "hat die Sache sehr, sehr gut gemacht".

Die leicht veränderte Elf bestimmte die ersten Minuten, sie spielte eifrig nach vorne. Immer wieder griffen die Spieler über die Außenbahnen an, schon nach 90 Sekunden führte dieser Stil zur ersten Möglichkeit. Nach einer Flanke von Jérôme Boateng versuchte es Thomas Müller mit einem Scherenschlag, er schlug seine dürren Beine am Ball vorbei. Die Flanke von rechts, das war nun der bevorzugte Angriff der deutschen Elf, knapp vor der Flanke von links.

Die auch zu weiteren kleinen Chancen führten: Müller rutscht etwas zu spät über den nassen Rasen (8. Minute, Podolski-Flanke von links); Benedikt Höwedes und Per Mertesacker behindern sich gegenseitig im Strafraum (10., Boateng-Flanke von rechts); der amerikanische Verteidiger Omar Gonzalez klärt vor Müller (14., Boateng-Flanke von rechts). Bis dahin hatte das deutsche Mittelfeld sehr sicher gewirkt, rund um das FC-Bayern-Dreieck (Schweinsteiger, Toni Kroos, Philipp Lahm) in der Zentrale.

Die Amerikaner standen jedoch viel herum. "Wir wollten ein Unentschieden", sagte Klinsmann, "aber wir hatten am Anfang zu viel Respekt. Wir hätten ein bisschen mehr Ballbesitz gebraucht." Erst nach einer Viertelstunde attackierten seine Spieler etwas aggressiver, wagten sich sogar an einige wenige Gegenangriffe. Einmal überholte Jermaine Jones Philipp Lahm; Graham Zusi schoss aus der Distanz vorbei, es war die gefährlichste Chance in der ersten Halbzeit (22.). Auf der Bank blickte ein sehr durchnässter Joachim Löw sehr grimmig auf das Geschehen vor ihm. "Wir haben aus einer guten Organisation gespielt, große Teile des Spiels gemacht", sagte Löw.

"Wir haben allerdings den letzten Pass leider vermissen lassen." In der Pause zog Löw sich ein frisches Hemd an, nach der Pause wechselte er Miroslav Klose für den harmlosen Podolski ein. Und so näherte sich Löws Elf wieder mehr dem Ziel. Mesut Özil drückte den Ball mit dem Kopf über das Tor (47., Boateng-Flanke von rechts). Klose drückte den Ball mit dem Kopf am Tor vorbei (52., Schweinsteiger-Flanke von halb links). Drei Minuten später führte die Mannschaft: Özil-Flanke von rechts, US-Keeper Howard wehrte einen Kopfball von Mertesacker ab, der Ball flog zu Müller, der von der Strafraumgrenze aus traf, mit einem, an diesem Mittag konnte man das so sagen, trockenen Schuss, der außerdem sehr hart und sehr präzise war.

Deutschland bestimmte nun die Partie, erspielte sich jedoch lange keine Torchancen mehr. An der Seitenlinie wischte sich Löw immer wieder das klatschnasse Haar nach hinten. Erst in der Schlussviertelstunde hatte sein Team wieder ein paar schüchterne Chancen: Höwedes schoss harmlos in die Arme von Howard (79.), der für Schweinsteiger eingewechselte Götze passte im Strafraum zu ungenau zu Özil (83.).

In der Nachspielzeit hatten die USA noch zwei sehr gute Chancen, einmal rutschte Lahm in einen Schuss von Alejandro Bedoya, ein Kopfball von Clint Dempsey ging über das Tor. Dann war das Spiel vorbei. Löw schaute erleichtert. Und verdeckte sein nasses Gesicht erst einmal mit einem Handtuch.

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