Das sogenannte „dreckige Tor“, auch bekannt als „schmutziges Tor“, hat einen festen Platz im Eishockey-Kosmos. Es steht für Treffer, die nicht einem prächtigen Spielzug oder einer kreativen und ästhetisch wertvollen Einzelaktion entspringen, geschweige denn für einen platzierten Schuss. Es sind Tore aus dem Gewühl heraus, per Abstauber, abgefälschte Scheiben.
Ein Mann, der es sich in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zur beruflichen Lebensaufgabe gemacht hat, dem „dreckigen Tor“ immer und immer wieder zu huldigen, indem er regelmäßig ein solches erzielt, ist Daniel Schmölz. Der Angreifer des ERC Ingolstadt ist ein Vertreter jener Spieler-Riege, die ihrer Offensivarbeit nach dem Motto nachgeht: Tor ist Tor, auch wenn es hässlich ist. Für die typischen Tore des 33-Jährigen, also für seine vielen abgefälschten und aus dem Getümmel heraus über die Linie gedrückten Scheiben, wurde in Eishockey-Deutschland sogar ein Begriff geprägt: Die Scheibe wurde dann „reingeschmölzt“.
Schmölz steht mit dem ERC seit bald zwei Wochen in einer Playoff-Halbfinal-Auseinandersetzung mit den Kölner Haien, in der eine kräftige Kursveränderung zu verzeichnen war. Aus einem furiosen 7:0-Auftaktsieg der Oberbayern, bei dem sie ihre reichlich vorhandene spielerische Klasse darbieten konnten, weil die Kölner einen gehörigen Sicherheitsabstand zu den ERC-Spielern wahrten, zogen die Haie die richtigen Lehren – und gewannen zur Überraschung vieler die drei darauffolgenden Partien. Mickrige drei Tore ermöglichten sie den Ingolstädtern, die mit dem besten Angriff der Liga in die Playoffs gestartet waren. In diesen drei Partien bissen sich die ERC-Spieler, Drittel um Drittel an der engmaschigen und höchst konzentrierten Haie-Defensive die Zähne aus. Wenn dann doch mal gefährliche Schüsse durchgingen, war Kölns Torhüter Jan Hudacek zur Stelle, der – wieder ein fester Begriff aus dem Eishockey-Wortschatz – „heiß lief“. Und zwar so richtig.
Der erfahrene Haie-Trainer Kari Jalonen hatte mit all seiner finnischen Defensivexpertise ein Bollwerk kreiert
Der sogenannte Expected goals-Wert, der beschreibt, wie viele Tore ein Team aus statistischer Sicht schießen müsste, lag bei den Ingolstädtern nach vier Halbfinalspielen bei mehr als 17. Tatsächlich gelangen ihnen aber nur zehn, davon sieben im ersten Spiel. Da aber auch im Eishockey die realen Tore zählen, lag der Hauptrundensieger in der Best-of-seven-Serie mit 1:3 in Rückstand, sprich nur eine Niederlage vom Ausscheiden entfernt.
Die Anzeichen verdichteten sich ob der Gemengelage, dass es wohl ein Tor aus der Kategorie „dreckig“ brauchen würde, um dieses vom erfahrenen Haie-Trainer Kari Jalonen mit all seiner finnischen Defensivexpertise kreierte Bollwerk zu knacken. Oder eben: ein Schmölz-Tor. Und ein solches war es, das dem ERC am Freitagabend dem Weg zum 3:0-Heimsieg ebnete, durch den die Oberbayern den ersten Haie-Matchball abwehrten und so am Montag in Köln (18.30 Uhr) mit einem weiteren Sieg erreichen könnten, dass es weniger als 24 Stunden später in Ingolstadt ein alles entscheidendes siebtes Halbfinalspiel gäbe. Schmölz stand kurz vor der ersten Drittelpause noch mit dem Rücken zum Tor, als er sich in Vorahnung auf einen Abpraller schnell drehte, dadurch einen kleinen Zeitvorteil gegenüber seinem Gegenspieler kreierte und so den Nachschuss durch die Beine von Hudacek zum „enorm wichtigen Führungstreffer“ (ERC-Trainer Mark French) befördern konnte.
Schmölz, der Meister der dreckigen Tore, ließ es sich hinterher auch nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass seine Mannschaft „dreckige Tore“ geschossen habe, die es in so einem Spiel brauche. Plural deshalb, da das 2:0 von Austen Keating (37.) das von Schmölz so geschätzte Prädikat dreckig noch mehr verdiente als sein eigenes: Schmölz stand in jener Szene direkt vor Hudacek, um ihm die Sicht zu nehmen und eventuell abzufälschen. Doch Keating kam ihm zuvor und gab dem Schlenzer von Leon Hüttl mit seinem Stock die kleine, aber entscheidende Richtungsänderung, auf die Hudacek nicht mehr reagieren konnte.
An der unangenehmen Ausgangslage, dass die Ingolstädter weiter zum Siegen verdammt sind, um nicht in den Urlaub zu müssen, hat sich aber nichts geändert. Torhüter Christian Heljanko, der bereits sein drittes Zu-Null-Spiel in den laufenden Playoffs ablieferte, formulierte es so: „It’s win or die.“ Siegen oder fliegen. Schmölz gab einen kleinen Einblick in die Kabine: Dort sei angesprochen worden, dass der ERC in der DEL-Hauptrunde jene Mannschaft war, die die meisten Siegesserien hatte. Jetzt, sagte er, „wollen wir auch wieder eine Serie hinlegen“. Im Wissen, dass dieses Vorhaben voraussichtlich mit einigem Aufwand verbunden ist. Morgan Ellis beschrieb es vor dem Sieg in Halbfinal-Spiel fünf so: „Wir können noch zurückkommen. Auch wenn es eine richtige Schinderei werden wird.“