Entscheidung über DFL-Sicherheitskonzept:Wie die Bundesliga sicherer werden soll

Worum geht es bei der Sicherheitsverschärfung im deutschen Fußball? Die Klubs stimmen heute über 16 Anträge ab. Die meisten fallen in die Kategorie Organisation: mehr Videoüberwachung, besser geschulte Ordnungsdienste, eine DFL-Kommission "Stadionerlebnis" - ob damit am Ende alle zufrieden sind, ist fraglich.

Von Thomas Hummel

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) sitzt in der Zwickmühle. Auf der einen Seite drängen die Innenminister der Länder und der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den Verband, knallhart gegen die angeblich ausufernde Gewalt durch Fußballfans vorzugehen. Auf der anderen Seite protestieren landesweit Zuschauer in den Stadien gegen die ihrer Meinung nach herrschende Sicherheitshysterie.

Vereinsvertreter solidarisieren sich. Der Konflikt kulminiert in dem Papier "Sicheres Stadionerlebnis", über das die 36 Vereine der ersten und zweiten Bundesliga bei der DFL-Mitgliederversammlung befinden. Doch welche Maßnahmen sollen das Stadionerlebnis nun sicherer machen?

16 Anträge liegen den Klubs vor, die einzeln abgestimmt werden. Die meisten fallen in die Kategorie Organisation: Die Polizei erhält mehr Befugnisse bei der Videoüberwachung, der Ordnungsdienst wird geschult, die DFL gründet eine Kommission Stadionerlebnis. Das meiste davon ist an vielen Standorten längst Realität, und Geld für neue Maßnahmen ist im Fußball-Millionenbetrieb genug da. Handelt ein Verein zuwider, soll die DFL Teile der enorm steigenden TV-Gelder einbehalten. Es sind harmlose Gesten an die Law-and-Order-Politiker, die niemandem wehtun.

Ohnehin hat sich die Haltung zum DFL-Konzept verändert. Barg der erste Entwurf, den Vereins- und Liga-Vertreter ohne Einbindung der Fans schrieben, erheblichen Sprengstoff, ist das aktuelle Papier zu einem Scheinriesen geschrumpft. Die Klubs haben viele Bedenken ihrer Fans ernst genommen, die DFL hat Punkte wie einen "Verhaltenskodex" mit Kollektivstrafen bei Fehlverhalten herausgestrichen. Es bleibt ein Konzept übrig, das es irgendwie allen recht machen soll.

Streit gibt es um die sogenannten Spiele mit erhöhtem Risiko. Die Entscheidung, welche Partien das sind, liegt hauptsächlich beim gastgebenden Klub. Dabei ist die Definition derart schwammig formuliert, dass ein Verein im Grunde jedes Spiel zum Hochrisikofall erklären kann. Zuletzt machte der FC Bayern die Partie gegen Eintracht Frankfurt dazu, obwohl keinem Beteiligten je ein Vorfall bekannt gewesen wäre. Dabei stellten die Münchner zwei Kontrollzelte auf, um darin Gästefans eingehender zu durchsuchen. Diese "verstärkten Personenkontrollen" sieht das DFL-Papier nun ausdrücklich vor.

Die Maßnahme ist nicht neu, seit Jahren ist sie gängige Praxis. Dabei wabert das Thema "Vollkontrolle" beziehungsweise "Ganzkörperkontrolle" durch die Debatte. "Solche Kontrollen greifen zu sehr in die Persönlichkeitsrechte ein, weswegen wir das Entkleiden kategorisch ablehnen", erklärte Philipp Markhardt, Sprecher der Organisation "ProFans". Selbst Juristen stimmen zu: "Wir vertreten die Auffassung, dass die Durchsuchung von BHs oder Unterhosen bei Fans ohne konkreten Einzelverdacht verfassungswidrig ist", sagt Marco Noli von der Arbeitsgemeinschaft Fan-Anwälte.

Alle sollen zufrieden sein

Künftig soll der Heimverein bei einem Hochrisikospiel auch das Kartenkontingent für die Gästefans reduzieren dürfen. Bislang standen dem Gast zehn Prozent aller Tickets zu. Die Anhänger fürchten, dass ihre beliebten Auswärtsfahrten eingeschränkt werden oder Vereine nur teure Sitzplatzkarten anbieten, wodurch sich sozial Schwächere den Besuch nicht mehr leisten könnten. Zudem bleibt offen, ob der Heimverein seine frei werdenden Karten an sein eigenes Klientel verkaufen kann und es zu einem Instrument wird, ungeliebten Klubs eins auszuwischen.

Frankenderby in Fürth

Schärfere Kontrollen vor den Stadien sind nur eine von vielen geplanten Maßnahmen.

(Foto: dpa)

Doch diese Probleme würde der Fußball wohl selbst lösen. Die Frage ist: Geben sich die Innenminister mit den Maßnahmen zufrieden? Oder holen sie Forderungen aus der Schublade, die den Klubs am Mittwoch gar nicht vorgelegt werden: zum Beispiel die Erhöhung des Stadionverbots von drei auf zehn Jahre.

Dabei zucken Fan-Vertreter und Juristen bei diesem Thema förmlich zusammen, weil hier teilweise Willkür und Bestrafung ohne Anhörungsrecht des Betroffenen herrscht. Die Stadionverbotspraxis ist ein Keim für das tiefe Zerwürfnis zwischen Fans und den Institutionen.

Zudem regen Politiker an, dass die Vereine die Fanprojekte alleine finanzieren sollen. Jeder Profiklub muss ein solches Projekt vorweisen; das Geld dafür kommt bislang zu je einem Drittel von der Kommune, dem Bundesland und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Als die Fanbetreuer von den Plänen erfuhren, gerieten sie in Panik. Sie verstehen sich in erster Linie als soziale Jugendarbeiter, als solche finden sie auch den Zugang zu den schwierigen Fällen in den Kurven.

Gelten sie als Agenten der oft unbeliebten Klub-Chefs, "würden diese Türen zugehen", formuliert die Koordinationsstelle Fanprojekte Kos in einem Statement. Doch auch hier deutet die DFL eine Annäherung an: Der Fußball stockt seinen Betrag erheblich auf und will künftig auch Verbandsstrafen für "ligaübergreifende Maßnahmen der Präventionsarbeit" einsetzen. Ohne aber die öffentliche Hand aus der Verantwortung zu entlassen und damit das Konzept der Fanprojekte zu gefährden. Am Ende sollen eben alle zufrieden sein.

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