Süddeutsche Zeitung

Entlassung von Trainer Fink:HSV schickt das Bayern-Gen nach Hause

Nach nur fünf Spieltagen trennt sich Fußball-Bundesligist Hamburger SV von Thorsten Fink. Der Trainer verantwortete deftige Pleiten und traf häufig falsche Entscheidungen, moniert Sportchef Oliver Kreuzer. Zum Verhängnis wurde ihm auch eine Reise nach München.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Am Dienstag hat sich Thorsten Fink von seinen Spielern verabschiedet, er kam in die Kabine, hielt eine kurze Ansprache, das Training wurde verschoben, bis er fertig war. Dann war er wieder weg. "Der Verein ist mir in den letzten zwei Jahren arg ans Herz gewachsen", sagte Fink später, "ich denke, wir sind im Guten auseinander." Nun sei es noch früh genug für den Hamburger SV, die gesetzten Ziele zu erreichen, "auch noch mit einem anderen Trainer".

So klingt keiner, der seine Demission nicht hat kommen sehen. Obwohl der Saisonstart wieder einmal misslang, was immerhin für Finks Selbstvertrauen spricht. Vier Punkte nach fünf Spieltagen, Platz 15 in der Tabelle, dazu schon 15 Gegentore, woran die bittere 2:6-Pleite am Samstag gegen Dortmund großen Anteil hatte. Gleich nach dem Spiel war Fink nach München geflüchtet, zu seiner Familie, wie er es oft macht, übertrug den Waldlauf am Sonntag seinen Assistenten. Am Montag reiste Sportdirektor Oliver Kreuzer ebenfalls nach München. Und teilte dem Trainer seine Entlassung mit.

Wäre Fink in Hamburg geblieben, vielleicht hätte er das Derby gegen Werder Bremen noch miterlebt. Doch die Reise zu seiner Familie nach München, in dieser Situation, nach der bislang härtesten Pleite der Saison - das war zu viel für die Verantwortlichen des Klubs. "Unglücklich" nannte Kreuzer den Kurztrip noch am Montag, da war die Entscheidung gegen Fink bereits gefallen.

So ist es eine durchaus kuriose Situation. Sie waren stets stolz gewesen beim HSV, in Fink einen Trainer aus dem Umfeld des Rekordmeisters zu haben, der nach sportlich dünnen Jahren zumindest einen Hauch des legendären Bayern-Gens mit in die Hansestadt bringen sollte. Und dann wird Fink ausgerechnet eine Reise nach München zum Verhängnis.

Den gesamten Montag über wurde zwischen der HSV-Vorstandschaft und Kreuzer intensiv diskutiert. Über Fink, über die sechs Gegentore in Dortmund, über die bisherigen fünf Spieltage, eigentlich über einen Großteil der vergangenen zwei Jahre. Kreuzer sprach von einem immer fortwährenden "Wirrwarr" im HSV-Spiel, das Fink nicht abzustellen vermochte. "Wir haben nicht mehr geglaubt, dass Thorsten in der Lage ist, den Turnaround zu schaffen", erklärte der Sportchef. Auch Vorstandsboss Carl-Edgar Jarchow hatte zuvor gesagt: "Die Defensive ist unser Schwachpunkt, diese Fehler müssen wir umgehend abstellen." Das Abstellen beginnt nun mit einem neuen Trainer.

Fink war seit 2011 in Hamburg, hat zweimal die Saisonziele erreicht, wie er stets betonte, führte den Klub, den er in großer Abstiegsgefahr übernahm, zum Ende der vergangenen Saison überraschend auf Platz sieben. Ein großer Konzepttrainer war Fink jedoch tatsächlich nie, zuletzt probierte er vieles, doch ihm gelang wenig, was die Zweifel an seiner Eignung hätte verhindern können.

Eklatant wurde es in Dortmund. Gegen den Champions-League-Finalisten ließ er Fans und auch manchen Spieler über 90 Minuten im Unklaren, welchen Plan er konkret verfolgte. Fink überraschte mit Systemvielfalt, begann mit einem kreativen 3-5-2 samt Dreierkette, die die Mannschaft lediglich unter der Woche im Test gegen die eigene U23 geprobt hatte. Zur Pause wechselte Fink auf ein 4-4-2, endete schließlich beim 4-2-3-1. "Wirrwarr", wie Kreuzer es nennt, trifft es ganz gut.

Eine Logik war hinter Finks Systemwechseln kaum zu erkennen, außer dass der Trainer versuchte, die Dortmunder Dominanz im zentralen Mittelfeld zu brechen (was in allen drei Formationen misslang). "Wir hatten vor der Abwehr keinen mit einem guten Defensivverhalten", klagte Kapitän und Abwehrspieler Heiko Westermann, "dann bist du hinten drin das ärmste Schwein."

Wie so oft brach der HSV in der zweiten Halbzeit auseinander. Finks Mannschaft fehlten erneut einfachste Sicherheitsmechanismen, um ein Spiel, das ohnehin schlecht läuft, mit Anstand nach Hause zu bringen. Schon zu Saisonbeginn gegen Hoffenheim hieß es im eigenen Stadion 1:5, im Gedächtnis ist noch das legendäre 2:9 gegen den FC Bayern von Ende März. In der Vorbereitung dann das nicht minder eindrückliche 0:4 gegen Zweitligist Dynamo Dresden. Gegen Dortmund hatte der HSV sogar noch Glück, dass es nur 2:6 ausging. Am Ende standen 4:32 Torschüsse gegen den HSV.

Sportdirektor Kreuzer, erst seit drei Monaten im Amt, betonte zwar, wie sehr er Fink als Trainer und Menschen schätze, bezeichnete ihn gar als "Freund". Trotzdem war er bereits vor dem Dortmund-Spiel merklich von seinem Coach abgerückt. Er verweigerte Fink medienwirksam die Begnadigung der Spieler Rajkovic und Mancienne, obwohl sie Fink gerne wieder im Kader gesehen hätte. Nach dem Familienbesuch seines Trainers folgte erst die verweigerte Jobgarantie, nun der Rauswurf fünf Tage vor dem Derby gegen Werder Bremen. Niemand sollte sagen können, Kreuzer hätte alles gutgeheißen, was Fink abstellte.

Kreuzers Aufgabe wird es nun sein, einen neuen Trainer mit defensiver Denkweise zu suchen. Das Anforderungsprofil ist klar: Der neue Coach müsse "gut sein, alle Spiele gewinnen und günstig sein", sagte Kreuzer, das war im Scherz gemeint, in der Realität sind die Probleme größer. Der HSV hat kaum Geld, neben Finks Gehalt einen hochkarätigen Übungsleiter zu bezahlen. Felix Magath, der in Hamburg noch einen guten Ruf genießt, wird es nicht werden, sagte am Dienstag via Bild-Zeitung selbst ab. Er wäre ohnehin nur im Austausch mit der verbliebenen sportlichen Führung um Jarchow und Kreuzer vermittelbar gewesen.

Es muss ein kleineres Kaliber sein. Ebenfalls aus dem Rennen ist dabei Markus Babbel, der laut Hamburger Medienberichten mit Kreuzer verhandelt haben soll. Stimmt nicht, stellte Kreuzer am Dienstag klar, die Meldung habe ihn viel mehr "schmunzeln" lassen, was Babbel bestimmt sehr freudig vernommen haben wird. Weiterhin gehandelt wird hingegen Franco Foda (zuletzt in Kaiserslautern), mit dem Kreuzer bereits in Graz drei Jahre lang zusammen arbeitete, den er sehr schätzt.

Bis ein neuer Cheftrainer gefunden ist, sollen Rodolfo Cardoso und Otto Addo die Mannschaft betreuen. Cardoso unterbricht dafür eigens seine Trainerausbildung in Köln, wird am Dienstagnachmittag in Hamburg erwartet. Cardoso sagt, er gehe davon aus, dass er gegen Werder Bremen auf der Bank sitze. Erst einmal gilt es, den HSV in eine andere Richtung zu lenken. Den Trainerschein kann er danach immer noch fertig machen.

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