Entlassung von Sami Hyypiä:Im Zustand der Panik

Leverkusen entlässt Trainer Sami Hyypiä

Sami Hyypiä: Abschied von Bayer Leverkusen

(Foto: dpa)

Noch vor sechs Tagen erklärte Bayer Leverkusens Geschäftsführer Schade, Hyypiä bleibe Trainer - aus Gründen der Vernunft. Doch nun regiert bei der Klubführung die Panik. Hyypiäs Rauswurf offenbart, dass grundsätzliche Fehler gemacht wurden.

Von Philipp Selldorf

Es scheint bei dieser siebten Trainerentlassung der Saison angebracht zu sein, an die Aussagen zu erinnern, die Bayer Leverkusens Geschäftsführer Michael Schade am Sonntag vor acht Tagen zur Lage von Sami Hyypiä gesprochen hat. Zwar hat sich in bald 51 Jahren Bundesliga gezeigt, dass Garantieerklärungen von Vereinsverantwortlichen zur Lage des Cheftrainers manchmal schneller welken als die Blüte des Titanenwurz, die bekanntlich nur eine einzige Nacht überdauert.

Aber Hyypiä musste nun einen Fall von vergänglicher Loyalität erleben, der selbst für Bundesligaverhältnisse beachtlich ist, und das ist vermutlich mehr als nur eine nebensächliche Stilfrage. Es sagt auch etwas aus über die Autoritäten bei Bayer 04 und über die Fehleinschätzungen, die in dieser Spielzeit getroffen wurden.

Michael Schade also, ehedem Pressesprecher der Bayer AG, bevor ihn der Konzern zum Geschäftsführer bei der fußballspielenden Tochtergesellschaft bestimmte, hatte nach dem miserablen Auftritt gegen Eintracht Braunschweig (1:1) erklärt, "dass wir die Saison mit Sami Hyypiä zu Ende spielen, dabei bleibe ich auch". Er begründete diese Ein-Mann-ein-Wort-Haltung mit Gedanken der Vernunft ("viele Trainerwechsel bringen nicht den erhofften Effekt") und mit dem populären Argument, dass hier ein Trainer das Opfer der Berufsauffassung seiner Spieler sei. Man müsse sich "intensiv damit befassen, ob jeder Spieler für sein Geld eine gute Leistung bringt", das hat Schade gesagt. Das sollte wohl wie eine Drohung klingen.

Sechs Tage später wurde Sami Hyypiä, 40, vor die Tür gesetzt. "Nach reiflicher Überlegung", wie Schade bekannt gab. Man sei "an einem Punkt angelangt, an dem wir leider keine andere Möglichkeit mehr sehen, um das Ruder herumzureißen". Als Aushilfe bis zum Saisonende wird Sascha Lewandowski, 42, einspringen, der zuletzt als Jugendleiter bei Bayer 04 fungiert hatte und auf diesen Posten auch zurückkehren wird, sobald er sein Sechs- Wochen-Mandat erfüllt hat. So hat es Sportchef Rudi Völler angekündigt. "Es bedarf eines neuen Impulses, damit wir uns am Ende der Saison nicht vorwerfen lassen können, nicht alles versucht zu haben", formulierte Schade akrobatisch.

Die 1:2-Niederlage beim Hamburger SV lieferte am Freitagabend eher Argumente für als gegen Hyypiä. Die Bayer-Elf zeigte eine ihrer besseren Rückrundenleistungen. Die Niederlage gegen einen mit Zähnen und Klauen kämpfenden HSV beruhte weniger auf Versagen als auf unglücklichen Details, wie auch Rudi Völler am Sonntag feststellte. "Es gab nur einen Grund, warum wir verloren haben - der 13. Mann des HSV war Herr Dankert", sagte Völler. Bastian Dankert hatte den Leverkusenern zwei fällige Elfmeter verweigert, bevor in der 82. Minute das Hamburger Siegtor fiel.

Völler gesteht Fehler ein

Dass Hyypiä die Saison nicht wie versprochen zu Ende bringen darf, das hält aber auch Völler für den richtigen Beschluss. Im Zustand der Panik ist alles erlaubt, und die Panik, das muss man sagen, ist berechtigt. Im Laufe einer denkwürdig missratenen Rückrunde ist Bayer vom vermeintlich stabilen zweiten auf den fünften Platz gerutscht - Tendenz fallend. Hyypiä ließ nicht erkennen, dass er sein Team inspirieren könnte, seine strategische Linie blieb monoton.

"Unausweichlich" sei die Entscheidung gewesen, die er mit Schade schon während der Rückfahrt aus Hamburg getroffen habe, sagte Völler. Am Samstag um neun erschien Hyypiä zur Besprechung mit den beiden Verantwortlichen in der BayArena. Danach führte Völler noch ein Zwiegespräch mit dem Mann aus Finnland. Er musste nicht befürchten, dass ihn der Super-Profi Hyypiä mit starken Emotionen bedrängen könnte: "Ich habe im Gespräch mit ihm gemerkt, dass er es versteht." Dann sagte Hyypiä den Reportern noch höflich Adieu und fuhr nach Hause.

Lewandowski, seit 2011 im Besitz der Trainerlizenz, hatte den Trainerlehrling Hyypiä ins Amt eingeführt, als er vor zwei Jahren mit ihm die Nachfolge von Robin Dutt antrat. Gegen Ende der vorigen Saison verabschiedete er sich aus der gemeinsamen Teamleitung. Lewandowski glaubte, dass die Tandemlösung auf Dauer mehr Nach- als Vorteile bringen werde, und er zweifelte daran, dass er in kritischen Phasen genug Rückhalt bekommen würde. So wurde Hyypiä Chef, an seiner Seite installierte Bayer den 32-jährigen Jan-Moritz Lichte ("ein moderner Taktiker") und den 36-jährigen Daniel Niedzkowski, der bis dahin dem DFB-Trainerausbilder Frank Wormuth zugearbeitet hatte. Lichte wurde am Wochenende ebenfalls beurlaubt.

Die akademisch geprägte Trainerstabsbesetzung wird von manchem Bayer-Kenner nun als eine der Ursachen von Hyypiäs Scheitern ausgemacht. Es mangelte an handfester Erfahrung in der Teamleitung. Weitere Erklärungen liefert ein Blick auf den Kader: Für den Koreaner Son als Nachfolger des zu Chelsea gewechselten Schürrle und für Emre Can konnte Bayer noch Geld ausgeben, bei anderen Neuerwerbungen (Spahic, Hilbert, Donati, Guardado) bestimmte das Kostendiktat der Bayer AG die Personalpolitik. Die Transferüberschüsse aus dem vorigen Sommer mussten zurückgelegt werden - das erschwerte Hyypiäs Arbeitsbedingungen.

Die Klubführung habe Fehler gemacht, "davon nehme ich mich nicht aus", sagte Rudi Völler. Vieles soll mal wieder grundsätzlich auf den Prüfstand, das hat man bei Bayer aber schon öfter gehört. Als neuer Trainer wird Thomas Schaaf favorisiert.

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