Die Verabredung zum Zwiegespräch am Pfingstsonntag hatten Horst Heldt und Roberto Di Matteo schon Anfang der vorigen Woche getroffen. Es sollte um die Erkenntnisse aus der abgelaufenen Saison gehen und um die Schluss- folgerungen, die daraus für das nächste Spieljahr zu ziehen sind. Schalkes Sportchef rechnete mit einer Sitzung, die durchaus viel Zeit in Anspruch nehmen würde. "Die Liste der Dinge, die wir verändern müssen, ist lang", hatte Heldt gesagt. Was jedoch keineswegs zur Debatte gestellt werden sollte, das war der Posten des Trainers. Heldt, 45, war entschlossen, die Zusammenarbeit mit Di Matteo, 44, fortzusetzen.
Seine Entschlusskraft muss im Lauf des Samstagnachmittags aber zunehmend nachgelassen haben. Die Schalker Spieler ließen bei der 0:2-Niederlage in Hamburg auch die letzte Gelegenheit aus, den folgenschweren Enttäuschungen der vergangenen Wochen etwas Versöhnliches entgegenzusetzen. In den Tagen zuvor hatte Heldt die Profis der Reihe nach in sein Büro gerufen, um ihnen zu verdeutlichen, wie wichtig die Partie für die Reputation des Klubs ist.
Aber die Mannschaft brachte in Hamburg genauso wenig Temperament und Energie auf wie bei den verhängnisvollen Auftritten in Mainz (0:2), Köln (0:2) und gegen Paderborn (1:0). Wieder also mussten sich die Akteure nach dem Spiel von den eigenen Fans beschimpfen und beleidigen lassen, und diesmal schimpfte außer den seit Wochen im Aufstand befindlichen Schalker Anhängern auch der Rest des Landes mit.
Dass der HSV dank des Sieges gegen Schalke nun doch noch die Chance erhält, in der Relegation der Strafe für seine sportliche Misswirtschaft zu entgehen, das ist jetzt nach weit verbreiteter Volksmeinung das Werk einer Schalker Mannschaft, die sich mit lust- und ehrlosem Dienst-nach-Vorschrift-Fußball in die Niederlage fügte. Wahrscheinlich ist es so bereits für immer und ewig in den Geschichtsbüchern der Bundesliga verzeichnet.
Der Schaden für Schalke bestand daher zunächst weniger darin, dass auf den letzten Metern Platz fünf verloren ging (was zu kostspieligen Komplikationen in der kommenden Europa-League-Saison führen kann), sondern eher, dass Stolz und Ansehen ramponiert wurden. Was die Wut in der eigenen Gemeinde noch um ein erhebliches Maß steigerte. Als Heldt und Di Matteo sich am Sonntag in Gelsenkirchen trafen, gab es deswegen eine andere als die ursprünglich vorgesehene Tagesordnung.
Am späten Nachmittag meldete Sport-Bild, Verein und Trainer hätten die Trennung ausgemacht. "Einvernehmlich", wie berichtet wurde - und unvermeidlicherweise, wie sich nach Lage der Umstände sagen lässt. Am Dienstagmorgen folgte dann auch die offizielle Bestätigung auf der Vereins-Homepage. Der kicker berichtete zudem, dass Di Matteo auf einen guten Teil des ihm zustehenden Gehaltes verzichte. Er hatte im vorigen Oktober mit dem Klub einen Vertrag bis 2017 geschlossen.
Die Cheftrainer des FC Schalke 04 seit 2002:
Frank Neubarth: 7/2002 - 3/2003
Marc Wilmots: 3/2003 - 6/2003
Jupp Heynckes: 7/2003 - 9/2004
Ralf Rangnick: 9/2004 - 12/2005
Mirko Slomka: 1/2006 - 4/2008
Mike Büskens: 4/2008 - 7/2008
Fred Rutten: 7/2008 - 3/2009
Mike Büskens: 3/2009 - 7/2009
Felix Magath: 7/2009 - 3/2011
Ralf Rangnick: 3/2011 - 9/2011
Huub Stevens: 9/2011 - 12/2012
Jens Keller: 12/2012 - 10/2014
Roberto Di Matteo: 10/2014 - 5/2015
Sicherlich ist Di Matteo ein Mann von vornehmer Gesinnung und von angenehmer Art, aber dass er der brillante, charismatische Fußball-Lehrer ist, als den ihn die Verantwortlichen bei seiner Ankunft im Ruhrgebiet beschrieben hatten, das hat er nicht nachweisen können. Außer der Referenz, als Aushilfstrainer 2012 mit dem FC Chelsea die Champions League gewonnen zu haben, brachte der Italo-Schweizer auch eine Empfehlung des Bundestrainers mit. Aufsichtsratschef Clemens Tönnies hatte bei Joachim Löw Erkundigungen einzogen, und Löw, der einst als schnauzbärtiger Profi mit Di Matteo beim FC Winterthur gespielt hatte und seitdem mit ihm in Verbindung geblieben war, beglückwünschte die Schalker zu ihrer Wahl.