Süddeutsche Zeitung

Entlassener Löwen-Coach Funkel:Wenn et Trömmelche jeht

Der überzeugte Rheinländer Friedhelm Funkel und 1860 München, das war von Beginn an eine Geschichte voller Missverständnisse. Wie so oft, wenn ein Trainer Sechzig verlässt, gerät der Abschied zu einem merkwürdigen Schauspiel - bei dem der Verein keine gute Figur abgibt.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Neulich stand Friedhelm Funkel auf einer Bühne in Köln, auf seinem Kopf ein alberner Hut, von dessen Rückseite eine kleiner Federkiel wippte; vor seiner Brust baumelte eine kleine Trommel. Neben Funkel stand ein blau-weiß gestreifter Mann mit Mikrofon, auf dessen Kopf eine alberne Mütze mit Anker. Robin Hood und der moderierende Dampferkapitän redeten eine ganze Weile, dort oben auf der Bühne im Kölner Brauhaus Sion bei der langen Karnevalsnacht Su sin mer all he hin jekumme.

Es war wenige Tage, bevor sich Fußball-Zweitligist 1860 München ein 0:0 beim SV Sandhausen leisten sollte, und der Kapitän analysierte: "Dieser Fußballtrainer ist eigentlich ein armer Hund. Er ist ein Immi in München." Funkel widersprach ihm nicht, er setzte gar noch einen drauf: "Da ist es natürlich sehr, sehr schwer für mich", sagte er, ehe er dann zu singen begann. Und zu trommeln. Sein Lieblingslied: Wenn et Trömmelche jeht von De Räuber.

Nun erinnert man sich wieder an diese Szenen, wie Funkel, der gebürtige Neusser, in Köln auf der Bühne stand und davon erzählte, dass die Münchner keinen Karneval feiern können. Für Funkel, so muss man das sehen, war das der Anfang vom Ende als Übungsleiter des TSV 1860, auch wenn sich sein Abschied noch hinzog. Denn es ist ja so: Funkel hatte mal wieder Recht. Die Münchner können keinen Karneval feiern. Nur: Spricht man das an?

Als Trainer von 1860? Vor Fernsehkameras? Funkel und Sechzig, das war von Beginn an eine Geschichte voller Missverständnisse, und als diese Geschichte dann endlich endete nach einem fürchterlichen 0:3 gegen den Aufsteiger Karlsruher SC am Sonntag, da wird Funkel eine innere Befreiung gespürt haben. Es war, so kurios das auch klingen mag, bereits seine zweite Trennung von Sechzig innerhalb von einer Woche. Vorher war sie für das Saisonende angekündigt worden, nun wurde sie vorzeitig vollzogen. Von Gerhard Mayrhofer, dem Vereinspräsidenten mit einer Vorliebe für emotionale Vollstreckung.

Selbstverständlich war es ein recht merkwürdiges Schauspiel, das da aufgeführt wurde - wie so oft, wenn ein Trainer Sechzig verlässt, was seit einem Jahrzehnt ja in beeindruckender Regelmäßigkeit vorkommt. Am Mittwochabend hatte der TSV 1860 verkündet, dass der Klub und der Trainer "in der kommenden Saison getrennte Wege" gehen würden und "der 60-jährige Fußballlehrer bis zum Saisonende im Amt bleiben und die Entwicklung der 1860-Profis (....) weiter vorantreiben" werde. Die Mitteilung enthielt die typischen Formulierungen, die ein Verein verwendet, der keine Lust mehr auf seinen Trainer hat, aber höflich bleiben will.

Dann erschien, nur ein paar Stunden später, am Donnerstagvormittag Funkel am Trainingsgelände, er lud gar zu einer außerordentlichen Pressekonferenz und sagte: "Es war meine Entscheidung. Es stand seit geraumer Zeit fest, dass ich hier aufhöre."

Nun wusste keiner mehr, wer hier eigentlich auf wen keine Lust mehr hatte, und die Wahrheit ist wohl: Die Abneigung war wechselseitig. Mayrhofer, der Bauchmensch, der Funkel im Winter noch als "Geschenk" bezeichnete, ist der Meinung, dass es am besten ist, nach der völlig verkorksten Saison alles zu ändern - nach Geschäftsführer Schäfer und Sportdirektor Hinterberger musste also auch Funkel gehen. Funkel, den Fußballkopfmenschen, wiederum schreckten wohl die Einmischung des Präsidiums in seine Aufgabenbereiche, die Vorgabe, offensiv zu spielen, und die unsichere finanzielle Grundlage für die Planung des Kaders ab. Er sagte: "Der Verein wollte Dinge verändern, ich wollte andere Dinge verändern."

Mayrhofer war von der Veröffentlichung der Funkel'schen Version wenig begeistert. So war die Demission keine Überraschung. Durchzuführen hatte sie per Telefon Markus Rejek, der neue Finanz-Geschäftsführer (den alten hatte Mayrhofer kurz nach Funkels Amtsantritt im September entlassen)

. Nun ist der Klub im sportlichen Bereich komplett führungslos, was selbst für den TSV 1860 München ein Novum darstellt. Kein Geld hatte Sechzig schon immer, nur gab es immer Leute, die es trotzdem ausgeben durften. Doch nun sind alle gefeuert. Funkel hatte nach dem Prolog seiner Entlassung, auf die eigentlich noch eine Abschiedstournee von sechs Spielen folgen sollte, seine Hilfe bei der Kaderzusammenstellung angeboten. Die wird nun nicht mehr benötigt.

Irgendwann wird ein neuer Geschäftsführer Sport präsentiert werden, am Montag sagte Mayrhofer: "bald". Der Präsident ist nun völlig auf den jordanischen Investor Hasan Ismaik angewiesen. Denn die Umbaumaßnahmen werden ganz viel Geld kosten, und Sechzig hat ganz wenig. Wie sang Funkel neulich? "De Oma jeht nom Pfandhaus, versetzt et letzte Stöck." Dazu trommelte er das Trömmelche.

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SZ vom 08.04.2014/jbe
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