Englische Klubs in der Champions League:Da bibbern die Fußball-Kapitalisten

In Großbritannien gilt im Sport das Gesetz des überflüssigen Geldes - besonders die Großklubs aus London und Manchester wollen Erfolge kaufen. Doch nun droht den neureichen Investoren-Vereinen das Aus in der Vorrunde der Champions League - womöglich genügt es im modernen Fußball nicht mehr, Teams nach dem Motto zu bauen "je teurer der Spieler, desto besser".

Philipp Selldorf

Der Manchester-Kapitalismus des Jahres 2011 hat nichts zu tun mit dem Manchester-Kapitalismus des Jahres 1845, der Friedrich Engels zu seiner Schrift "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" animierte. Damals ging es um Ausbeutung, Elend und Cholera, heute geht es darum, unter Vermeidung von kriegerischen Spannungen aus 22 Starspielern ein Fußballteam zu formen.

Englische Klubs in der Champions League: Teuer, aber erfolglos: Edin Dzeko und Manchester City enttäuschen in der Champions League und könnten nach der Vorrunde bereits ausscheiden.

Teuer, aber erfolglos: Edin Dzeko und Manchester City enttäuschen in der Champions League und könnten nach der Vorrunde bereits ausscheiden.

(Foto: AP)

Damals ging es darum, dass die Arbeiter nach einem 16-stündigen Arbeitstag nicht genug Lohn erhielten, um ihre Familien zu versorgen, heute staunt man, dass Manchester City seinem Stürmer Tevez einen Stundenlohn von knapp 1000 Euro garantiert hat, zahlbar von null Uhr bis Mitternacht, von Montag bis Sonntag.

So richtig sympathisch sind beide Varianten nicht. Man muss weder ein kommunistischer Ideologe noch CDU-Fraktionschef sein und Volker Kauder heißen ("Das lassen wir den Engländern nicht durchgehen"), um gewisse Formen des englischen Wirtschaftens für fragwürdig zu halten. Manchester City war mal das Gegenmodell zum Nachbarklub Manchester United, ein mittelmäßig erfolgreicher Verein, der beim Anhang große Gefühle weckte, größere jedenfalls als United mit seinem touristischen Publikum.

Dann kam der Milliardär Shinawatra und kaufte den Laden, um ihn ein Jahr darauf an Scheich Mansour bin Zayed al Nahyan zu veräußern. Der Scheich investierte binnen drei Jahren 1,1 Milliarden Euro, wobei "investieren" eine Beschönigung von "verschwenden" ist.

Im Vergleich mit City ist United mit seiner soliden Kaderpolitik und Sir Fergusons Ideen von Fußball mittlerweile ein bodenständiges Unternehmen, der nächste Verwandte der dekadenten Citizens sitzt jetzt in London: Auch beim FC Chelsea, der mal ein mittelmäßiger Verein mit passionierten Fans war, gilt seit Roman Abramowitschs Übernahme das Gesetz des überflüssigen Geldes.

Eine wundersame Wendung der Geschichte hat nun dazu geführt, dass das neuenglische Prinzip des fremden Kapitals an einem unvorhergesehenen Hindernis angelangt ist: Nach fünf Spieltagen der Champions League bangen Chelsea und beide Klubs aus Manchester ums Weiterkommen. Hurra! Ist der Premier-League-Kapitalismus etwa am Ende? Eher nicht. Aber die Misere hat durchaus ein Stück Substanz, womöglich genügt es im modernen Fußball nicht mehr, Teams ausschließlich nach dem Motto "Je teurer der Spieler, desto besser" zu bauen.

Bis zum nächsten Spieltag in zwei Wochen darf das Publikum die Angst der Millionäre genießen und von einer besseren Welt träumen. Dann wird der Manchester-Kapitalismus seine Antwort geben.

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