Englands Kantersieg gegen Panama:Mit neuer Eleganz ins Achtelfinale

World Cup - Group G - England vs Panama

Alles folgt Harry Kane (l.), dem führenden der WM-Torjägerliste.

(Foto: REUTERS)

Von Maik Rosner, Nischni Nowgorod

Gareth Southgate schien dem Treiben mit jener Gemütsruhe zuzusehen, die er sonst vielleicht bei einem Sonntagsspaziergang durch die Wiesen und Wälder seiner heimatlichen Grafschaft Hertfordshire und beim Anblick der Schafe entwickelt. Nun saß Southgate aber als englischer Nationaltrainer bei einem WM-Spiel auf der Bank des Stadions in Nischni Nowgorod. Anlass, seine Ausgeglichenheit einzubüßen, bestand schon nach rund 20 Minuten nicht mehr. Da führte England gegen Panama bereits 2:0 durch Tore von John Stones (8.) und Harry Kane (22./Foulelfmeter). Das Einzige, was Southgates Ruhe bei seinem gefühlten Sonntagsspaziergang am Wolga-Ufer noch vor der Pause unterbrach, waren die weiteren Tore durch Jesse Lingard (36.), Stones (40.) und Kane (45.+1/Foulelfmeter).

Am Ende hatten die Engländer die Demontage des WM-Neulings Panama nach einer gemütlicheren zweiten Halbzeit bei einem 6:1 (5:0) belassen. Kane fälschte noch einen Schuss von Ruben Loftus-Cheek ab (62.), der als einziger Neuer für Dele Alli (Hüftblessur) in die Startelf gerückt war. Panamas Felipe Baloy (78.) gelang der Ehrentreffer beim nun besiegelten WM-Aus nach der Gruppenphase.

Englands vorzeitige Zulassung zum Achtelfinale war dagegen nach dem zweiten Sieg im zweiten Spiel ebenso erreicht wie der mit Abstand höchste WM-Sieg einer englischen Auswahl. Zuvor hatte die Geschichte nur Erfolge mit maximal zwei Toren Unterschied bereitgehalten. Nun hatten sie mal eben den zweithöchsten Pausenstand der WM-Historie egalisiert, das 5:0 der deutschen Nationalelf 2014 im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien. "Ich bin extrem stolz auf die Art und Weise, wie wir gespielt haben", sagte Kapitän Kane. "Extrem stolz" war er auch in eigener Sache, nach seinen drei Toren und nun insgesamt deren fünf in zwei WM-Spielen, womit der Stürmer von Tottenham Hotspur derzeit in Führung liegt vor Portugals Cristiano Ronaldo und Belgiens Romelu Lukaku (je vier). "Nicht viele Spieler haben in der WM-Historie einen Hattrick geschafft", erinnerte Kane, "es läuft gut bislang. Hoffentlich kann ich so weitermachen und Erster bleiben."

Zuletzt waren die großen Turniere für England zu freudlosen Veranstaltungen geraten, einige Peinlichkeiten inklusive. So erwartungsfroh die Mannschaft von der Insel stets daheim verabschiedet wurde, so viel Schelte bekam sie ab, wenn sie wieder einmal sehr frühzeitig heimkehrte. Es bedurfte noch nicht einmal des nächsten Fauxpas eines Torhüters oder unschöner Elfmeter-Erlebnisse gegen Deutschland, um im Zynismus und in der Häme der gewohnt scharfzüngigen britischen Presse zerrieben zu werden. Von der WM 2014 reisten die Engländer schon nach der Gruppenphase ab, von der EM 2016 nach einer 1:2-Blamage gegen Island im Achtelfinale.

Nur die Zettelaffäre sorgt für Unruhe

Diesmal lässt sich das Turnier deutlich besser an, wovon auch die relative mediale Ruhe in England zeugt. Fotos von Englands Kickern beim regenerativen Planschen mit aufblasbaren Einhörner in einem Schwimmbad gab es nach dem 2:1 zum Auftakt gegen Tunesien zu bestaunen - und dazu wohlmeinende Kommentare. "Aus aufgeblasenen Egos werden aufblasbare Einhörner", befand der Guardian. Einzig durch die sogenannte Zettelaffäre war kurz etwas Unruhe aufgekommen, nachdem ein Fotograf den Assistenztrainer Steve Holland mit der vermeintlichen Formation für das Panama-Spiel abgelichtet hatte. Für englische Verhältnisse ist das nur wenig störende Begleitmusik.

Das könnte auch daran liegen, dass es anderswo gerade mehr zu lästern gibt, weil einige Favoriten mit sich und den sogenannten Kleinen zu kämpfen haben. Im ersten Spiel galt das auch noch für die Engländer. Erst in der Nachspielzeit hatten sie Tunesien niedergerungen.

Engländer glänzen mit Raffinesse

Das Erfolgsrezept aus dem Auftakt hatten sie nun mitgebracht nach Nischni Nowgorod. Wie schon bei den beiden Toren gegen Tunesien ging der Führung gegen Panama ein Eckball voraus, den diesmal Verteidiger Stones von Manchester City per Kopf verwertete. Bald darauf demonstrierte Kapitän Kane zwei Mal, dass sich das Elfmetertraining unter Southgate gelohnt hat. Seine beiden identisch mit rechts in den linken Winkel gehämmerten Strafstöße wirkten so sicher und präzise, dass sich sein Trainer vielleicht fragte, warum er im EM-Halbfinale 1996 gegen Deutschland einst nicht auch so geschossen hatte.

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Zwischen Kanes beiden Elfmetern lagen zwei Tore, bei der zudem die spielerische Raffinesse der Engländer zu bestaunen war. Zunächst bei Lingards schönem Schlenzer zum 3:0, dem ein verzögerter Doppelpass mit Sterling vorausgegangen war. Dann vor dem 4:0 beim pfiffigen Freistoßtrick samt Kombination über drei Stationen. Spielerische Eleganz - auch das ist neu für Engländer.

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