Krawalle bei England gegen Ungarn:Bilder, die die Welt nicht braucht

Sport Bilder des Tages Mandatory Credit: Photo by Javier Garcia/Shutterstock (12534018er) Hungary fans clash with police

Mit Schlagstöcken im Block der Ultras: Minutenlang lieferten sich Fans und englische Polizisten einen Schlagabtausch.

(Foto: Javier Garcia/Shutterstock/Imago)

Schon wieder Ungarn: Im Wembley-Stadion kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Ultras. Und in England verfestigt sich nach der EM der Eindruck, dass die Sicherheit im Stadion nicht gewährleistet ist.

Von Sven Haist, London

Mit einer transparenten Berichterstattung über das WM-Qualifikationsspiel zwischen England und Ungarn am Dienstagabend hatte die Fernsehübertragung in der Anfangsphase der Partie nichts zu tun. Als wären beide Teams unter Labor-Bedingungen angetreten, suggerierten die TV-Aufnahmen eine heile Welt aus 22 Spielern und einem Ball. Die Regie zeigte ausschließlich das Spielgeschehen - und verschwieg die minutenlange Auseinandersetzung zwischen der Polizei und einem Teil des Gästeblocks im Wembley. Selbst dann noch, als sich der Ball unmittelbar vor jenem Tribünenbereich befand. Stattdessen sendeten die Kameras kurze Zeit später harmlose Bilder ungarischer Fans. Obwohl die Stadionzuschauer die unrühmlichen Vorgänge längst bemerkt hatten, ließ Schiedsrichter Alejandro Hernández das Spiel weiterlaufen, was ähnlich verstörend wirkte wie die gewaltsamen Unruhen selbst.

Für die Einordnung und Aufklärung der Geschehnisse dienen daher vor allem Augenzeugenvideos der umstehenden Personen. Darauf ist zu sehen, dass circa 30 Uniformierte des Londoner Metropolitan Police Service mit Schlagstöcken in den Gästebereich eindrangen. Als Grund für diese Maßnahme gab die Behörde an, dass ein Steward rassistisch beleidigt worden sei und die verantwortliche Person in Gewahrsam genommen werden sollte. Der Einsatz traf auf Widerstand gewaltbereiter Ultras, die zu den circa 1000 Sympathisanten des ungarischen Nationalteams gehörten.

Mit Fäusten und Tritten drängten die Hardliner die Ordnungskräfte aus dem Block zurück, ehe sich beide Fronten auf ein paar Metern im engen Tribünengang gegenüber standen. Im Gefühl der numerischen Überlegenheit stürmten immer mehr Ultras von hinten nach, woraufhin die Polizei sich dem Widerstand zu beugen schien und die Situation zu deeskalieren versuchte. Ohne den prompten Abzug der Beamten hätte der Schlagabtausch voraussichtlich eine hohe Zahl von Verletzungen nach sich gezogen. Auf einem der Videos war eine Person mit klaffender Wunde auf dem Kopf zu sehen. Erst nach mehreren Minuten beruhigte sich die Lage, die Stewards konnten wieder die Ordnung im Stadion herstellen. Zu den Vorkommnissen wollte sich später kaum ein Vertreter äußern. Ungarns Trainer Marco Rossi erklärte, dass "alles, was ich sagen könnte" auf verschiedene Weise interpretiert werden würde.

Beim Hinspiel in Budapest wurden Raheem Sterling und Jude Bellingham rassistisch geschmäht

Die Krawalle waren fast abzusehen gewesen, nachdem im Hinspiel in Budapest vor einem Monat die schwarzen Engländer Jude Bellingham und Raheem Sterling mit Affengesängen geschmäht worden waren. Der Disziplinarausschuss des Weltverbands Fifa verdonnerte Ungarn zu einer Geldstrafe in Höhe von 185 000 Euro und zwei Heimspielen ohne Zuschauer, wobei das erste am Samstag gegen Albanien bereits ausgetragen und das zweite auf Bewährung ausgesetzt wurde. Zuvor hatte schon der Europaverbund Uefa die Ungarn wegen rassistischer und homophober Vorfälle mit drei Heimpartien (eine davon auf Bewährung) hinter verschlossenen Türen sanktioniert.

Die jeweiligen Urteile haben im Land das Gefühl der Ungerechtigkeit forciert, auch weil die Verbote von der ungarischen Regierung massiv beanstandet werden. Auf Facebook wies Außenminister Peter Szijjarto im Sommer an, dass sich das "erbärmliche und feige" Uefa-Gremium schämen solle. Der Guardian schrieb, dass sich die Politik um den rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban aufgrund der engen Verflechtungen zwischen Regierung und Fußballultras nicht traue, sich gegen die Hardliner zu stellen. Das Gedankengut des Mobs war am Dienstag auf einem Plakat festgehalten, das im Stil eines Verbotsschilds die vor Anpfiff (gegen Rassismus) knieenden englischen Spieler verhöhnte.

Auch auf dem Platz bereitete Ungarn den Engländern Probleme. Das unansehnliche 1:1 hält England auf in der Ambition, sich frühzeitig für die WM 2022 in Katar zu qualifizieren. Aus den Abschlusspartien gegen Albanien und San Marino benötigen die Three Lions um Nationaltrainer Gareth Southgate noch vier Punkte, um in jedem Fall vor den zweitplatzierten Polen zu bleiben. Für Ungarn bestehen allenfalls noch theoretische Chancen auf die Playoffs.

Doch anstelle attraktiven Fußballs sind es viel mehr die Zwischenfälle in Gruppe I, die für Aufsehen sorgen: Die Parallelpartie zwischen Albanien und Polen (0:1) musste nach dem Siegtor in der Schlussphase sogar vorübergehend unterbrochen werden, weil Flaschen auf die Spieler flogen. Die Fifa teilte mit, dass beide Vorfälle "aufs Schärfste" verurteilt würden und "jegliche Form" von Gewalt, Diskriminierung und Missbrauch abgelehnt werde.

Schlimmer als das verschmerzbare Remis wirkt für England der sich verfestigende Eindruck, dass die heimische Polizei mit der Gewährleistung der Sicherheit bei Länderspielen im Wembley überfordert ist. Erst vor ein paar Monaten beim EM-Finale entglitt den Behörden die Kontrolle, als unzählige Besucher ohne Eintrittskarten ins Stadion gelangten. Jedes Vorkommnis dieser Art verringert die Ambitionen der Engländer, sich im Bewerbungsverfahren für die Austragung der WM 2030 den Zuschlag zu sichern.

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