EM-Qualifikation:Callum Hudson-Odoi ist jetzt Englands Allerjüngster

England v Czech Republic - UEFA EURO 2020 Qualifier

Englands Duo der 18-Jährigen spielt für Borussia Dortmund und den FC Chelsea: Jadon Sancho (li.) und Callum Hudson-Odoi feiern eine Tor-Beteiligung.

(Foto: Catherine Ivill/Getty Images)
  • Englands Nationalteam hat den Umbruch geschafft: Die Fans haben sich mit der Mannschaft versöhnt, weil plötzlich die Jugend regiert.
  • Spieler wie Hudson-Odoi oder Sancho bestimmen die Offensive.
  • Gegen Tschechien gelingt auch Raheem Sterling ein Riesenspiel.

Von Sven Haist, London

Um den Traum zu visualisieren, sich im englischen Nationalstadion einen Namen zu machen, hatte sich Raheem Sterling vor Jahren ein Tattoo stechen lassen. Das zeigt ihn als kleinen Jungen mit Ball in der Hand und der Nummer "10" auf dem Trikot. Im Tattoo schaut Sterling ehrfürchtig auf zum Wembleystadion, in dessen Nebenstraßen er das Fußballspielen lernte.

Die Tätowierung ist Realität geworden, jedoch mit getauschten Rollen. Zwar bewundert Sterling weiterhin Wembley, noch mehr aber bewundert Wembley ihn. Bei seiner Auswechslung am Freitagabend erhielt der 24-Jährige von den offiziell 82 575 Zuschauern eine nicht enden wollende Standing Ovation. Das Publikum dankte zum Auftakt der Qualifikation zur EM 2020 für drei Tore (24./62./68.) und einen herausgeholten Elfmeter (den der Kollege Harry Kane verwandelte/45.+2) - und damit für einen 5:0-Sieg gegen Tschechien. "Das ist es, woraus Träume gemacht sind. Ich bin einfach glücklich, dass meiner wahr geworden ist", sagte Sterling.

Sein erster Dreierpack für England - es war der erste eines Nationalspielers im Wembley, seit Jermaine Defoe im September 2010 dreifach traf - hat zur Versöhnung mit den Fans geführt. Erst ein Jahr ist es her, dass sich die Zuschauer wegen der öden Darbietungen der eigenen Mannschaft selbst amüsieren mussten. Wenn damals doch einmal die Welle durchs Stadion ging, folgte sie mehr der Idee, die eigenen Akteure vorzuführen als diese anzufeuern. Von Spiel zu Spiel kamen weniger ins Wembley, erst die WM 2018 in Russland führte mit Platz vier zur überraschenden Wende: Seither sind die Engländer entschlossen, dem Team von Trainer Gareth Southgate doch noch eine Chance zu geben.

Das Fünfnull ist der höchste Heimsieg seit dem ebenso hoch ausgefallenen Erfolg gegen San Marino im Oktober 2014. Schon jetzt gilt die Qualifikation trotz der pannenreichen Historie der Nationalelf angesichts der übrigen Gegner in Gruppe A als Formsache. Zwei aus der Gruppe kommen zur EM, an diesem Montag geht es gegen Montenegro, zudem sind Bulgarien und Kosovo dabei.

Der Stimmungsumschwung ist auf die Umstrukturierung des Kaders zurückzuführen, in dem die zahlreichen Talente zur Geltung kommen. Mehr als die Hälfte der Profis im 23er-Kader sind nicht älter als 25, nur der dritte Torhüter Tom Heaton (FC Burnley) hat das 30. Lebensjahr überschritten. Durch die vielen Premieren purzelten jüngst viele Altersrekorde.

Der im Winter ebenso offensiv wie bisher vergeblich vom FC Bayern umworbene und dem FC Chelsea gehörende Außenangreifer Callum Hudson-Odoi hat nun einen davon: Im Alter von 18 Jahren und 135 Tagen ist er der Jüngste, der je Englands Trikot in einem Pflichtspiel trug. Er brach damit die 69 Jahre gültige Bestmarke eines gewissen Duncan Edwards.

Zusammen mit dem ebenfalls 18-jährigen Jadon Sancho von Borussia Dortmund standen erstmals - nach 138 Jahren - für das Team der "Three Lions" zwei Spieler zeitgleich auf dem Platz, die 18 sind. Der fünfte Treffer resultierte gar aus einem Zusammenspiel der beiden: Nach Pass von Sancho traf Hudson-Odoi den Pfosten - ehe der Tscheche Tomas Kalas den Ball ins eigene Netz stolperte (84.). Mit dem Duo Hudson-Odoi/Sancho das Spiel zu beenden, sei wirklich aufregend gewesen, stellte Southgate fest.

Die meisten Debütanten spielen sich gerade auf den offensiven Außenpositionen in den Vordergrund. Systematisch haben Englands Akademien Profis ausgebildet, die wie der Wind mit waghalsigen Dribblings durch gegnerische Abwehrreihen sausen. Diese Flügelspezialisten ersetzen mit ihren Aktionen und Torvorbereitungen die klassischen Spielmacher. Einen solchen Typus haben die Three Lions derzeit nicht im Angebot.

Wer stürmt neben Kane?

Und im Kampf um die Angriffsplätze an der Seite des Torjägers Harry Kane (Tottenham Hotspur) zeigt nun also Raheem Sterling (Manchester City) den nachdrängenden Himmelsstürmern, was verlangt wird. "Raheem war brillant", sagte Southgate: "Die Anerkennung des Publikums freut mich für ihn. Wir können nicht leugnen, dass er schwierige Momente gehabt hat mit England."

Im Verlauf seiner Laufbahn im Nationalteam, besonders nach der missglückten EM 2016 in Frankreich mit dem Aus gegen Island im Achtelfinale, war Sterling zur Zielscheibe der Kritik geworden. Vor seinen fünf Toren in den jüngsten drei Länderspielen war die Bilanz eher mies: 45 Einsätze in sechseinhalb Jahren, doch nur zwei Treffer, einer gegen Litauen, einer gegen Estland. Weder bei Trainer Roy Hodgson noch anfangs bei Southgate fand Sterling im Nationaltrikot seine Rolle. Ihm fehlte die Reife, um sich in einer unausgeglichenen Mannschaft erfolgreich einbringen zu können. Nach dem Generationswechsel musste Sterling dann auf der ungewohnten Position des zweiten Angreifers neben Kapitän Kane aushelfen.

Erst als Southgate nach der WM in Russland seine Grundordnung auf einen Mittelstürmer und zwei Außenangreifer änderte, fand sich Sterling dort wieder, wo seine Talente am besten zur Entfaltung kommen können - und wo er sich bei Manchester City unter Trainer Pep Guardiola zu einem der gefürchtetsten Schnellangreifer des Planeten entwickelt hat. In Manchester spielte er schon, bevor Guardiola vom FC Bayern kam. Für circa 64 Millionen Euro war Sterling zur Saison 2015/16 dorthin gewechselt.

Nun ist er auch eine zentrale Personalie im Titelkampf der Premier League, der sich auf das Duell Liverpool gegen ManCity zugespitzt hat. Die Aufmerksamkeit nach seinem zweiten Treffer gegen die Tschechen nutzte Sterling für einen Gruß an einen in der Vorwoche an Leukämie verstorbenen Jugendspieler. Auf dem T-Shirt, das er unterm Trikot trug, war ein Foto von ihm mit dem Jungen zu sehen, daneben die Botschaft, dass der Freund in Frieden ruhen möge. Auch dafür hat ihn Wembley bestaunt.

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