Transfermarkt im Fußball:Warum machen die das bloß, die Engländer?

Der spanische Torwart Kepa Arrizabalaga

Wird wohl zu Chelsea wechseln: Torwart Kepa Arrizabalaga wäre dann der Teuereste seiner Zunft.

(Foto: Maciej Gillert/AFP)
  • Erstmals endet die Transferperiode in der Premier League schon am 9. August: Bis dahin müssen alle Sommer-Transfers der englischen Klubs abgewickelt sein.
  • Die europäischen Preise dürften kurzfristig in die Höhe schnellen - danach aber wieder fallen.
  • Ein Wettbewerbsvorteil für die Bundesliga? Die Vereine wollen abwarten und profitieren.

Von Christof Kneer

Dieser Donnerstag wird noch mal hart für Englands Sportärzte. Sie werden noch mal unglaublichen Stress haben, es wird unglaublich hektisch werden, und trotz aller Eile werden sie noch mal ganz genau hinschauen müssen. An diesem Donnerstag werden in Wolverhampton, Bournemouth und sowieso in London noch mal Dutzende sogenannter Medizinchecks anberaumt werden, und nach ordnungsgemäßer Durchführung wird es dann auch für Vereinsmanager und Spieleragenten noch mal anstrengend. Sie werden ebenfalls nicht viel Zeit haben, um sicher zu stellen, dass die handelsüblich obszön dotierten Verträge fehlerfrei und zur Zufriedenheit aller Parteien aufgesetzt werden und rechtzeitig die zuständigen Stellen erreichen. Nicht, dass eine Mail erst fünf Sekunden zu spät den Empfänger erreicht und der medizingecheckte Spieler doch nicht nach Wolverhampton, Bournemouth oder London wechseln darf.

Diese Art von Ladentorschlusspanik kennt man vom 31. August, jenem Datum, an dem in den relevanten Fußballligen klassischerweise die Transferperioden enden (meist gelingt es dem HSV, am 1. September um 0.07 Uhr einen Transfer zu melden, der dann leider nicht mehr gilt).

Jener 31. August war bislang auch der Tag, an dem die englischen Sportärzte, Vereinsmanager und Spieleragenten ihre Familien und Freunde vorgewarnt haben: Heute, Ihr Lieben, wird's lang und wild, heute müsst ihr nicht mit uns rechnen.

Barcelona will auch Paul Pogba

Der französische Weltmeister Paul Pogba steht kurz vor einem Wechsel von Manchester United zum FC Barcelona. Der 25-Jährige soll den spanischen Meister rund 100 Millionen Euro Ablöse kosten. United soll jedoch an Pogba festhalten wollen, ein Angebot von Barcelona in Höhe von 49 Millionen Euro sowie die beiden Spieler Yerry Mina und Andre Gomes als Zugaben soll der Klub abgelehnt haben. Pogba würde bei Barcelona wieder mit seinem früheren Juventus-Turin Teamkollegen Arturo Vidal zusammenspielen, der soeben vom FC Bayern zu Barcelona gewechselt ist. Barcelona ist zudem auf der Suche nach einem weiteren zentralen Mittelfeldspieler, das 21 Jahre alte Ajax-Talent Frenkie de Jong steht hoch im Kurs. sid

Kepa ist nicht der beste Torwart der Welt - wohl aber bald der teuerste

Seit die Premier-League-Klubs aber im vergangenen Herbst eine markante Entscheidung getroffen haben, mussten sich Familien und Freunde an eine neue Frist gewöhnen: Am 17. September 2017 beschlossen Englands Erstligisten, dass der englische Transfermarkt künftig am Donnerstag vor dem Start der Premier League schließen soll. Das heißt konkret: Nur bis zu diesem Donnerstag, dem 9. August, dürfen die Premier-League-Klubs noch einkaufen gehen - dann greift der selbst auferlegte Einkaufsstopp. Verkäufe dagegen sind weiterhin erlaubt - solange eben, bis die anderen Ligen ihre Märkte ebenfalls dichtmachen, die meisten von ihnen an diesem berühmten 31. August.

Es stellt sich nun also eine einzige, aber schon ein bisschen wichtige Frage: Warum machen die das bloß, die Engländer?

Sie machen es vor allem, weil sie sich selbst endlich zu einer frühen und seriösen Kaderplanung zwingen wollen. Es soll keine schrägen Hängepartien mehr geben wie vor einem Jahr, als der Spieler Alex Oxlade-Chamberlain am dritten Spieltag mit dem FC Arsenal gegen den FC Liverpool unterging - um ein paar Tage später in der letzten Transfersekunde nach Liverpool zu wechseln. So haben sich die Engländer mit der Verkürzung der Transferfrist nun sehenden Auges einen Wettbewerbsnachteil herbei organisiert, den man wunderbar mit diesem großen Torwarttransfer bebildern kann: Der Baske Kepa ist nicht der beste Torwart der Welt, wohl aber bald der teuerste.

Weil sich der FC Chelsea vom bevorstehenden Abschied seines belgischen Keepers Thibaut Courtois (mutmaßliches Ziel: Real Madrid) massiv unter Druck gesetzt fühlt, wird Chelsea bei Kepa die monströse Ausstiegsklausel bedienen und ihn für etwa 80 Millionen Euro bei Athletic Bilbao auslösen. Und weil sich die Leute von Leicester City vom bevorstehenden Abschied ihres Nationalverteidigers Harry Maguire (mutmaßliches Ziel Manchester United) ebenfalls massiv unter Druck gesetzt fühlen, werden sie nun wohl über 20 Millionen für den Türken Caglar Söyüncü ausgeben, der bisher beim doch sehr kleinen SC Freiburg ein begabter, aber keinesfalls fehlerfreier Verteidiger war.

Die Bundesligaklubs werden genau beobachten, was auf der Insel passiert

So geht er also, der neue Mechanismus: Weil die Engländer Anfang August unter Zugzwang geraten, sausen die Preise Anfang August in irre Höhen - zu einer Zeit, in der es sonst noch gemäßigt zugeht auf dem Markt. Und wenn die Engländer dann zu viel Geld für echte und vermeintliche Wunschspieler ausgegeben haben, fällt das Preisniveau wieder - und die Klubs aus anderen großen Ligen können geradezu genüsslich abwarten, was in den drei Wochen bis 31. August noch so passiert.

So werden auch die Bundesliga-Klubs genau beobachten, welche Profis in der Premier League demnächst unzufrieden sind, weil sie auf der Ersatzbank landen - "kann sein, dass plötzlich der ein oder andere interessante Spieler auf den Markt kommt, mit dem man jetzt noch gar nicht rechnet", sagt Frankfurts Sportchef Fredi Bobic. "Wir selber können dann noch agieren, wissen aber gleichzeitig, dass der für uns gefährlichste Markt schon geschlossen hat. Wir können in England noch kaufen, aber die können uns nichts mehr wegkaufen."

Deshalb haben sie auf der Tagung der Bundesliga-Manager im Frühjahr beschlossen, das deutsche Transferfenster trotz anderer Überlegungen weiterhin erst am 31. 8. zu schließen. Diesen Vorteil gegenüber den Engländern wollten sich die deutschen Manager nicht entgehen lassen.

José Mourinho war dagegen

Es sollte aber niemand meinen, dass die Engländer plötzlich von allen guten Geistern verlassen sind. Auf der Insel kapieren sie schon, was sie da machen, sie nehmen den freiwilligen Wettbewerbsnachteil aber mit einer geradezu erhabenen Wurstigkeit. "Die Engländer machen sich nicht klein, sondern eher groß", sagt Stuttgarts Sportvorstand Michael Reschke, "die Engländer treffen ihre Entscheidungen total selbständig, es interessiert sie nicht besonders, was das für andere Ligen bedeutet."

Die Entscheidung fiel allerdings nicht einstimmig, damals im September. José Mourinho zum Beispiel war dagegen.

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