Nach dem mühsamen Auftakterfolg gegen Serbien ist die englische Nationalmannschaft für ihre größtenteils wenig inspirierende Leistung in England stark kritisiert worden. Obwohl die Spieler eine Leistungssteigerung ankündigten, wirkte das Offensivspiel gegen Dänemark erneut ohne Esprit. Immerhin hatte das Team für das spärliche 1:1 (1:1) eine Ausrede: den Zustand des Rasens. Der sah im Frankfurter Stadion am Donnerstag ähnlich nach Stückwerk aus wie die Angriffe der Mannschaft von Trainer Gareth Southgate.
Durch das Remis dürften sich die Three Lions zwar aller Voraussicht nach für das Achtelfinale qualifizieren. Allerdings verpassten die Engländer den vorzeitig anvisierten Gruppensieg – wie schon bei den beiden vorherigen Turnieren, als sie im zweiten Spiel ebenfalls jeweils nicht über ein Unentschieden hinauskamen. Der erste Platz ist wohl notwendig, um dem stets gefürchteten Erzrivalen Deutschland bis zum Turnierende aus dem Weg zu gehen.
„Wir sind auf dem Spitzenplatz unserer Gruppe. Wir haben ein Gegentor aus der Distanz kassiert. Wir stehen auf Platz eins, also konzentrieren wir uns auf das letzte Gruppenspiel. Lasst uns das als einen Punkt werten, als einen wohlverdienten Punkt“, sagte Verteidiger Kyle Walker. Doch in der Heimat fielen die ersten Reaktionen deutlich weniger positiv aus. „Was für eine schreckliche Leistung“, schimpfte der Daily Mirror, „zahme Löwen“ die Sun.
In einer offenen Partie waren die frenetisch angefeuerten Dänen einem Erfolg in der Schlussphase sogar näher als die Engländer. Mehrere Distanzschüsse verfehlten knapp das Ziel. So blieb die Revanche für die EM-Halbfinalniederlage gegen England vor drei Jahren aus.
Die erste Schrecksekunde musste England in der neunten Minute überstehen, als der Rechtsverteidiger Walker plötzlich zu Boden ging und sich den Knöchel hielt. Der Kapitän von Manchester City gab jedoch schnell Entwarnung: Er wollte sich nicht auswechseln lassen, sondern nur seine Schuhe. Wie viele andere Akteure fand er kaum Halt und rutschte oft aus. Zahlreiche Fetzen flogen aus dem Rasen, der am Ende aussah wie eine englische Hühnerfarm. Über die Beschaffenheit des Untergrunds hatte sich bereits das DFB-Team im März massiv beklagt.
Das Aufeinandertreffen entsprach einem Wiedersehen von alten Bekannten. Mehr als die Hälfte der dänischen Startelfspieler sind in ihren Karrieren in der Premier League vorstellig geworden, allen voran Christian Eriksen von Manchester United. Der Spielmacher verbrachte seine Profizeit größtenteils in England. Wie passend, dass der 32-Jährige sein 132. Länderspiel gegen die Three Lions absolvierte und Dänemarks bisherigen Rekordnationalspieler Simon Kjaer einholte. In seinem Jubiläumsspiel bereitete Eriksen den Engländern als Linksaußen jedoch kaum Probleme.
Harry Kane trifft, leitet das Gegentor ein – und wird ausgewechselt
Dies lag auch daran, dass Walker seinen Stand schnell wiedergefunden hatte. Nach seinem Materialwechsel zeigte er einen seiner gefürchteten Highspeed-Vorstöße. Er rauschte auf rechts im Rücken des unaufmerksamen Gegenspielers Victor Kristiansen heran, stibitzte ihm den Ball weg und leitete mit einer abgefälschten Flanke die Führung durch Harry Kane in der achtzehnten Minute ein.
Die schnelle Führung entsprach einer Kopie des englischen Auftakterfolgs. Allerdings wollten die Dänen bei einer Wiederholung des Serbien-Spiels nicht mitmachen. Sie dominierten zwar fortan das Geschehen gegen erneut zu passiv werdende Engländer, aber sie trafen auch. Aus 28 Metern wuchtete Morten Hjulmand den Ball nach einer halben Stunde spektakulär ins untere Toreck. Damit knackten die Dänen die englische Abwehr, die bisher so unüberwindbar wirkte wie die Banktresore in Frankfurt. Vorausgegangen war dem Tor ein Fehlpass von Kane.
Zum ersten Mal hatten beide Fanlager bereits eine Stunde vor Spielbeginn gejubelt, als auf dem Videowürfel im Stadion der Live-Ausgleichstreffer der Serben gegen Slowenien eingeblendet wurde. Das Remis im Parallelspiel sicherte den Dänen ein Entscheidungsspiel um das Weiterkommen am letzten Spieltag – und stellte die möglichen Weichen für England in diesem Turnier.
Die Three Lions mussten eigentlich nur noch selbst Fahrt aufnehmen, aber sie kamen auch in der zweiten Halbzeit nur schwer in die Gänge. Trotz eines Kopfballs von Bukayo Saka ans Außennetz und einem Pfostenschuss von Phil Foden konnten die Engländer kaum Druck erzeugen. Sinnbildlich dafür stand Torjäger Kane, der sich abgesehen von seinem Tor selten durchsetzen konnte. Er wurde vorzeitig ausgewechselt.