Süddeutsche Zeitung

England:"Angewidert" in Manchester

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Paul Pogba verschießt einen Elfmeter - und wird rassistisch beleidigt. Seither diskutiert halb Fußballengland darüber, wie man solchen Auswüchsen umgehen soll.

Von Thomas Hürner, Manchester/München

Es ist gerade mal drei Wochen her, da erinnerte sich Paul Pogba, Mittelfeldspieler von Manchester United, in einem Podcast der Zeitung The Times an einen der unschönsten Momente seines Fußballerlebens: Der Franzose, damals noch Spieler des italienischen Rekordmeisters Juventus Turin, stand in Florenz bereit zur Einwechslung, als von der Tribüne hinter ihm Affenlaute und rassistische Beschimpfungen ertönten. Pogba, 26, habe sich den Zuschauern zugewandt, spontan sein Trikot ausgezogen und einem jener Menschen geschenkt, die ihn gerade noch beleidigt hatten. Die Menge habe sich gefreut, so Pogba, "und dann war Ruhe".

Nun ist in England eine weitere traurige Episode hinzugekommen. Mit dem Unterschied: Die dumpfen, an ihn gerichteten Hasstiraden kommen diesmal nicht von den Tribünen, sondern über soziale Netzwerke wie Twitter und Instagram. Pogba wurde unter anderem als "Gorilla" bezeichnet, seine Profile wurden überschwemmt mit rassistischen Einträgen von Internettrollen, sogar mit dem Tod wurde ihm gedroht. Dabei hatte Pogba nicht mehr verbrochen, als am Montagabend einen Elfmeter gegen die Wolverhampton Wanderers zu verschießen, das Ligaspiel endete 1:1. Seither diskutiert halb Fußballengland darüber, wie man mit Auswüchsen wie diesen umgehen sollte - und wie man eigentlich für Ruhe sorgen kann.

Manchester United reagierte bereits am Dienstag mit einer Pressemitteilung. Der Klub sei "angewidert von den rassistischen Beleidigungen" und kündigte an, die Verfasser der rassistischen Tweets zu identifizieren und die "härtesten Maßnahmen" einzuleiten, die möglich seien. Laut des britischen Fernsehsenders BBC wurden einige Einträge später gelöscht und offenbar auch einige Benutzerkonten entfernt. Auch einige von Pogbas Mitspielern solidarisierten sich öffentlich. Der neue United-Verteidiger Harry Maguire etwa forderte die sozialen Netzwerke dazu auf, die Namen und Adressen dieser Profile ausfindig zu machen und Identitäten künftig durch Ausweise und Führerscheine zu verifizieren. Robert Huth, einst englischer Meister mit Leicester City, kritisierte im Gespräch mit dem Radiosender BBC 5 den generellen Umgang mit Beleidigungen im englischen Fußball. Es sei egal, ob diese "Herkunft, Aussehen, die Nase oder die Haarfarbe" betreffen, so Huth. Spieler seien ständig damit konfrontiert, er wisse "von keinem anderen Sport, bei dem so was akzeptiert wird". Der frühere United-Verteidiger Phil Neville, inzwischen Trainer der englischen Frauennationalmannschaft, sprach von einem "gesamtgesellschaftlichen Problem" und forderte die gesamte Fußballbranche zu einem sechsmonatigen Boykott aller sozialen Netzwerke auf. Es sei an der Zeit für eine "unmissverständliche Botschaft", so Neville, "und dann werden wir sehen, ob das einen Einfluss haben wird, der groß genug ist".

Das Unternehmen Twitter teilte mit, dass man die rassistischen Vorfälle im englischen Fußball auf der eigenen Plattform registriert habe und weiter dagegen vorgehen werde: Auch im Dialog mit der englischen Spielervereinigung (PFA), denn es müssten "sinnvolle Lösungen" für das Problem gefunden werden - "sowohl Online als auch Offline".

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SZ vom 22.08.2019
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