Das Thema Menstruation im Sport ist immer mehr enttabuisiert. Es wird zunehmend offen darüber gesprochen, und immer mehr Vereine und Sportlerinnen vom Hobby- bis zum Hochleistungsbereich passen ihr Training an die Phasen des Menstruationszyklus an. Ein noch zu wenig diskutiertes Thema im Kontext von Sport und Frauengesundheit ist jedoch die Krankheit Endometriose. Obwohl die Erkrankung in den zurückliegenden Jahren mehr Aufmerksamkeit in der Politik, der Forschung und durch Aktivismus auf Social Media erhalten hat, ist sie vielen fremd und mit Unsicherheit verbunden. Sie wird als „forgotten disease“ (vergessene Krankheit) bezeichnet und bleibt oft jahrelang unerkannt.
Dabei hat inzwischen auch eine Reihe bekannter Sportlerinnen öffentlich thematisiert, an der durchaus häufigen Krankheit zu leiden; darunter die Fußball-Nationalspielerin Lea Schüller oder die Karate-Weltmeisterin Sophie Wachter, die wie schätzungsweise zwei Millionen Frauen in Deutschland mit der Krankheit zu kämpfen haben. Ihre Beispiele zeigen, dass man trotzdem Leistungssport betreiben kann, und sie tragen durch das Teilen ihrer Erfahrungen zur Aufklärung bei.
Ein erhöhtes Bewusstsein für die Krankheit spiegelt sich auch in den Fallzahlen von Endometriose wider. Die Studienlage zu der Krankheit ist zwar noch recht dünn, aber eine Erhebung aus Deutschland, die den Zeitraum von 2014 bis 2022 umfasst, zeigt einen Anstieg der diagnostizierten Endometriose-Fälle: 2014 wurde die Krankheit bei 2,8 von 1000 versicherten Frauen im Alter von zehn bis 52 Jahren erkannt. Im Jahr 2022 stieg diese Zahl auf 4,1, was schätzungsweise etwa 55 000 Diagnosen im Jahr 2022 entspricht.
Die Endometriose-Vereinigung Deutschland definiert die Krankheit als eine chronisch verlaufende Erkrankung, bei der Gewebe, welches der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter wächst. Dieses Gewebe siedelt sich beispielsweise an den Eierstöcken, im Bauch- und Beckenraum, am Darm oder Bauchfell an, kann aber prinzipiell an jeder Stelle im Körper wachsen. Endometriose betrifft vor allem Frauen im gebärfähigen Alter, geschätzt jede zehnte von ihnen leidet daran. Dabei ist sie nicht zwangsläufig mit dem weiblichen Zyklus in Verbindung zu bringen. Viele Betroffene haben auch außerhalb der Periode Schmerzen und andere Begleiterscheinungen. Zudem führt die Krankheit häufig zu einem unerfüllten Kinderwunsch.
Viele Betroffene behandeln ihre Symptome mit Schmerzmitteln, Hormonen oder durch operative Eingriffe zur Entfernung des Gewebes. Doch die Symptome selbst sowie die Nebenwirkungen der gängigen Behandlungsmethoden beeinträchtigen häufig das Berufsleben, das Sozialleben und die Freizeit der Patientinnen. Und bei vielen herrscht Unsicherheit in Bezug auf Sport. Dass regelmäßige Bewegung und Sport essenziell für eine gesunde Lebensführung sind und sich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden auswirken, ist den meisten geläufig. Doch für Endometriose-Betroffene stellt sich die Frage, wie man Sport mit einer chronisch entzündlichen Krankheit verbinden kann.
Auch wenn Sport kein Ersatz für medizinische Therapien ist, kann er eine unterstützende Rolle spielen, besonders wenn es um Schmerzlinderung und Rehabilitation geht. Durch die Schmerzen im Bauchraum nehmen Betroffene oft Schonhaltungen ein, die wiederum Veränderungen im Bewegungsapparat nach sich ziehen, erklärt Sylvia Mechsner, Oberärztin im Endometriosezentrum an der Berliner Charité: „Dadurch kommt es oft zur Beckenboden-Dysfunktion, also dass die inneren Beckenbodenmuskeln verspannt und im Ungleichgewicht sind.“ Deswegen litten viele Betroffene unter Rückenschmerzen, Zwerchfellverspannungen und Atemproblemen. Das Endometriosezentrum in Berlin behandelt jährlich rund 1000 Patientinnen, weshalb Mechsner mit vielen Betroffenen in Kontakt steht, die von ihren Beschwerden berichten. Vor allem in jungen Jahren treten die Schmerzen meist während der Periode auf. Sie beschreibt, wie viele Frauen dann im Bett liegen, Schmerzmittel einnehmen und sich benommen fühlen, froh, wenn sie diese Tage überstehen. Umso wichtiger sei es, sich außerhalb dieser Phasen zu bewegen, „damit sich auch die Beckenbodenmuskulatur wieder entspannen kann – sonst potenziert sich das mit der Zeit“.
Aufgrund der Unberechenbarkeit der Krankheit könne man keinem festen Plan folgen: „Man braucht immer Plan A bis C.“
Mechsner betont, dass Sport keine allgemeine Behandlungsmethode ist, aber unter bestimmten Bedingungen hilfreich sein kann – besonders, weil er Betroffenen ermöglicht, selbst aktiv zu werden. In der Regel rät sie zu Dehnübungen, Yoga, Physiotherapie oder Entspannungsübungen. Auch Aquafitness kann helfen, da die Organe sich dabei heben und so der Beckenboden entlastet wird. Zudem sei wissenschaftlich belegt, dass Yoga einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität von Endometriose-Patientinnen hat. Mechsner berichtet, dass Sportarten wie Joggen oder Radfahren wegen der Erschütterungen oft weniger hilfreich seien: „Viele Frauen mit sehr starken Schmerzen haben bei Power-Sportarten noch mehr Schmerzen.“
Yoga und Beweglichkeitsübungen allein reichen Kim Limbach, die auf Instagram als @endo.athletin über ihre Erfahrungen spricht, nicht. Die 32-Jährige hat einen schweren Endometrioseverlauf hinter sich und durch Sport wieder eine Verbindung zu ihrem Körper gefunden. Sie betreibt unter anderem seit einigen Jahren Bodybuilding, aber setzt Krafttraining auch gezielt ein, um die Schonhaltung durch einen verkrampften Bauch zu vermeiden. Dabei nutze sie „nicht nur theoretisches Wissen aus der Literatur“, sondern die eigenen Erfahrungswerte und solche, die sie als Coach von anderen Betroffenen mache. Limbach betont, dass jeder Mensch und jede Endometriose individuell ist, weshalb das Sportprogramm an den eigenen Symptomen ausgerichtet werden sollte. Sie selbst treibt seit vielen Jahren Sport und entscheidet täglich, was möglich ist und was nicht. Aufgrund der Unberechenbarkeit der Krankheit könne man keinem festen Plan folgen: „Man braucht immer Plan A bis C.“ Es gehe nicht darum, schnelle, sondern nachhaltige Erfolge zu erzielen.
Auch die Arbeit der Endometriose-Vereinigung Deutschland stand 2024 im Zeichen des Themas „Endometriose und Bewegung“. Passend dazu wurde ein Festival veranstaltet, bei dem eine Vielzahl von Workshops und Vorträgen zu Themen wie Yoga, Zumba, Qi-Gong, Bauchtanz, Klangreisen, Achtsamkeitsspaziergängen, Tapen, multimodaler Schmerztherapie und Ernährung angeboten wurde. Ziel war es, den Zusammenhang zwischen Bewegung und der Verbesserung der Lebensqualität für Endometriose-Betroffene aufzuzeigen. Außerdem haben sie mit der Aktion „Walk and Run for Endo“ mit einer Gruppe am Berlin-Marathon teilgenommen und im März, dem Monat der Endometriose-Aufklärung, mit mehr als 824 Teilnehmenden zusammen 19 175 Kilometer gesammelt. Dabei ging es nicht nur um sportliche Erfolge, sondern auch darum, Aufmerksamkeit für die Krankheit zu sammeln.