Ende der Formel-1-Saison:Bis zum letzten Heuler

Ende der Formel-1-Saison: Das letzte Formel-1-Rennen mit Acht-Zylinder-Motoren: Sebastian Vettel setzt alles daran, wieder an Nico Rosberg vorbeizuziehen. Es gelang ihm.

Das letzte Formel-1-Rennen mit Acht-Zylinder-Motoren: Sebastian Vettel setzt alles daran, wieder an Nico Rosberg vorbeizuziehen. Es gelang ihm.

(Foto: AFP)

Die Formel 1 steht vor der wohl größten Revolution ihrer Geschichte: 2014 ändern sich die Regeln grundlegend - aus acht Zylindern werden künftig sechs. Sebastian Vettel kann das nicht gefallen.

Von Elmar Brümmer, São Paulo

Das Rennen der Gabelstapler hatte längst begonnen, am Abend nach einem Grand Prix verdient die Formel 1 den ihr so gern verpassten Beinamen Zirkus wirklich. Besonders nach dem letzten Auftritt im Rahmen ihrer Welttournee. Im Autódromo José Carlos Pace mit seinem antiquierten Fahrerlager ging es nach Sebastian Vettels neuntem Sieg in Serie im regnerischen Dunkel nur noch ums Einpacken. Da wurde es in der Garage von Red Bull plötzlich laut.

Vettel und sein Teamkollege Mark Webber waren zurückgekehrt zu ihren Rennwagen, die sie zur erfolgreichsten Fahrerpaarung der Neuzeit gemacht hatten. Die Autos standen, aber der Achtzylinder-Motor wurde angelassen und hochgedreht, bis er glühte und zu rauchen begann. Nach Minuten infernalischen Lärms gab das malträtierte Aggregat seinen Geist auf. Das war nicht nur das Ende einer besonders dominanten Saison des WM-Teams, es war der Schlusspunkt einer technischen Epoche.

Die Top-Kategorie des Motorsports steht in 109 Tagen vor der wohl größten Revolution ihrer Geschichte. Aus acht Zylindern werden künftig sechs, aus Saugmotoren Turbos, aus der Bremsenergierückgewinnung Kers werden zwei Elektro-Motoren, und die Rennen beim Start ins Hybrid-Zeitalter werden über eine Spritspar-Formel gewonnen werden müssen. Das kann bunt und lustig werden, auch wenn die Steigerung des Unterhaltungswertes nicht das erste Augenmerk der Regel-Reformer war.

"Allein sicherzustellen, dass die neuen Antriebseinheiten zuverlässig arbeiten, ist eine Herausforderung", sagt Vettels Teamchef Christian Horner. Bei den Titelverteidigern überwiegt die Sorge. Bei den düpierten Herausforderern die Hoffnung.

Die technischen Risiken sind groß, die sportlichen Chancen auch. Aerodynamik und Motoren waren ausgereizt. Und Adrian Newey, der Schöpfer des Rennwagens, den Vettel "Hungry Heidi" taufte, hatte das System noch perfektioniert. Vettel und sein Auto verfügten seit Sommer über erstaunliche Anpassungsfähigkeiten. Beim Großen Preis von Brasilien überzeugte der Deutsche sogar auf Trockenreifen, die zuvor nicht einmal getestet worden waren. "Es läuft einfach", bilanzierte Vettel, 26, "die Saison so abzuschließen - das hätte ich mir nie vorstellen können. Das ist, Entschuldigung, fast schon pervers, wie stark wir waren. Ein unglaubliches Jahr. Ich glaube, man kann sagen: Wir haben den Dreh raus."

In São Paulo war es bei einem überstürzten Boxenstopp ausnahmsweise einmal drunter und drüber gegangen. Trotzdem betrug Vettels Vorsprung im Ziel auf seinen zweitplatzierten Teamkollegen Webber zehn Sekunden. Fernando Alonso, der letztlich Drittplatzierte, hatte nie den Hauch einer Chance.

Angriff von Ferrari

Das Chaos beim bislang größten Rivalen Ferrari dürfte durch den Abschied von Felipe Massa gelindert werden. Der Brasilianer blamierte sich bei seinem Abschiedsrennen für die Scuderia ausgerechnet auf der Piste, an der er aufgewachsen war. Massa überfuhr eine durchgezogene Linie an der Einfahrt zur Boxengasse, wofür er von den Rennkommissaren mit einer Durchfahrtsstrafe belegt wurde. Diese ließ den 32-Jährigen auf den siebten Platz zurückfallen, weshalb Ferrari den gut dotierten zweiten Platz in der Konstrukteurs-WM an Mercedes verlor. Ein typischer Massa.

2014 greift Ferrari mit dem Duo Alonso/Kimi Räikkönen an. Alonso schöpft daraus neuen Trotz und ein klares Saisonziel: "Dritter hinter Red Bull zu werden, fühlt sich fast wie ein Sieg an. Für mich ändert sich jetzt nichts. Ich bleibe der Herausforderer." Der 32-Jährige war in den vergangenen vier Jahren dreimal Zweiter hinter Vettel. Doch bei seinen zwei WM-Titeln aus den Jahren 2005 und 2006 soll es nicht bleiben. "Ich habe noch viele Jahre vor mir, um die verlorenen Weltmeisterschaften wieder gutzumachen. Tief in mir drin glaube ich, dass ich zum Ende meiner Karriere mehr als zwei WM-Titel auf dem Konto haben werde", sagt Alonso.

Im Interview mit der BBC malt er ein Schreckensszenario aus, das seinem großen Rivalen gilt: "Wenn Sebastian eines Tages mit einem vergleichbaren Auto siegt, wie es die anderen Fahrer im Feld haben, wird er den Ruf einer Legende bekommen. Wenn er aber mit vergleichbaren Autos nur Vierter, Fünfter oder Siebter wird, dann werden seine vier Titel zur Last. Die Leute werden diese dann noch weniger wertschätzen, als sie es jetzt tun. Ihm stehen interessante Zeiten bevor."

Einen Vorteil aber hat Vettel: Er bekommt 2014 einen recht ungefährlichen Teamkollegen. Der 24 Jahre alte Daniel Ricciardo steigt von Toro Rosso auf und ersetzt Mark Webber, der in São Paulo seinen Abschied gab. Mit dem inzwischen 37-Jährigen hat Vettel sich häufig duelliert. Auch in Brasilien schenkte er ihm nichts, versuchte aber, versöhnlich auseinanderzugehen. Als Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone unerwartet mit einer australischen Flagge in der Pressekonferenz nach dem Rennen erschien, unterschrieb Vettel diese brav. Anschließend reichte Ecclestone die Fahne als Präsent an Webber weiter, der auf der Ehrenrunde seinen Helm vom Charakterkopf gezogen hatte.

Dass er künftig in Le Mans an den Start gehen will, wird in der Formel 1 allgemein bedauert. 2014 wird es zwar komplett neue Motoren geben. Neue starke Typen aber sind nicht so viele in Sicht.

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