Emre Can nach dem Halbfinal-Aus:"Vielleicht dachte ich, ich bin der Größte"

Portugal v Germany - UEFA European Under 21 Championship - Czech Republic 2015 - Semi Final

Emre Can klagt sich nach dem Spiel selbst an: "Ich habe heute nicht alles gegeben."

(Foto: Lee Smith/Reuters)

Er habe im Halbfinale "nicht alles gegeben": Emre Can übt nach dem 0:5 der deutschen U21 gegen Portugal heftige Selbstkritik. Mit dem Lob für seine vorherigen Leistungen habe er nicht umgehen können.

Steven Gerrard. Die Liverpool-Legende. Einen der besten Mittelfeldspieler, den England je hervorgebracht hat. Drunter machen sie es nicht. Seit einem Jahr ist Emre Can beim FC Liverpool, die Fans haben ihn schnell mit Steven Gerrard verglichen. Nun, da der Altmeister seinen Herzensklub verlässt, soll Can in dessen Fußstapfen treten.

Doch als Can am Samstag nach dem 0:5 der deutschen U 21-Nationalmannschaft gegen Portugal im EM-Halbfinale aus der Kabine trat, war Gerrard ganz weit weg.

Can war nichts bis gar nichts gelungen gegen Portugal. Doch da war er nicht allein. Wer hatte schon Normalform erreicht bei dieser Demütigung? Einige Mannschaftskameraden hatten sich schon selbstkritisch geäußert. Joshua Kimmich etwa, der seine Ausbildung zum Mittelfeldstrategen demnächst beim FC Bayern fortsetzen wird, hatte direkt nach dem Schlusspfiff schon festgestellt, dass er und seine Kameraden "gar nicht in die Zweikämpfe gekommen" waren, dass man "gar kein Umschalten, gar keine Dynamik nach vorne entwickelt" hätte, kurz: "Wir hatten so gut wie nichts". Unerklärlich sei der Leistungseinbruch gewesen. "Wenn wir alles gegeben hätten, wären wir nicht mit 0:5 vom Platz geflogen. Jeder Einzelne muss sich fragen, was los war."

"Vielleicht dachten wir: Wir sind die Besten als Mannschaft"

Can fand schnell eine Antwort auf diese Frage. "Vielleicht habe ich vor dem Spiel gedacht, ich bin der Größte", sagte er, "ich bin zwei Wochen viel gelobt worden." Steven Gerrard, wie gesagt. Drunter machen sie es nicht. Nicht in England. Nicht in Deutschland. Zuletzt war der Gerrard-Vergleich auch in Deutschland immer wieder gebracht worden. Zu oft? "Auch vom Kopf her muss ich wieder auf den Boden kommen", sagte Can, "ich habe heute nicht alles gegeben". Der gnadenlosen Selbstgeißelung ließ er aber eine Kollektivkritik folgen. "Vielleicht dachten wir, wir sind die Besten als Mannschaft. Vielleicht haben wir das zu locker genommen, keine Ahnung. Wir sind alle junge Menschen, wenn man immer Lob kriegt, immer Lob, dann denkt man vielleicht: Man ist schon ein Großer."

Vielleicht. Keine Ahnung. Ganz sicher aber war es ein bemerkenswertes Schuldeingeständnis, das mit dem üblichen weichgespülten und einstudierten Fußballeraussagen nichts zu tun hatte. Can setzte noch einen drauf: "Es war eine Frechheit, was wir abgeliefert haben. Ein schlimmer Tag für Deutschland. Man kann 0:5 verlieren, 0:10 verlieren, wenn du alles gibst. Aber nicht so. Niemals so!"

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