Emma Aichers erster WeltcuperfolgDie deutschen Ski-Frauen haben eine neue Siegfahrerin

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Kompakter Fahrstil, fokussierter Blick: Die 21 Jahre alte Emma Aicher auf dem Weg zu ihrem Sieg im Abfahrtsrennen in Norwegen.
Kompakter Fahrstil, fokussierter Blick: Die 21 Jahre alte Emma Aicher auf dem Weg zu ihrem Sieg im Abfahrtsrennen in Norwegen. (Foto: Gabriele Facciotti/AP)

In der Abfahrt von Kvitfjell gewinnt Emma Aicher ihr erstes Weltcuprennen und löst ein Versprechen ein. Nun erwartet sie eine neue Rolle im deutschen Skisport – die auch eine Herausforderung ist.

Von Felix Haselsteiner

Dass es nicht allzu einfach ist, in Kvitfjell gut Ski zu fahren, bewies Emma Aicher zum Abschluss des Wochenendes dann auch noch. Wie eine Erinnerung daran, dass es sich um eine der schwierigsten Weltcupstrecken handelt, wirkte ihre fehlerhafte Fahrt am Sonntagmittag. Ein ums andere Mal fuhr die Strecke mit Aicher und nicht andersrum, am Ende verpasste sie ein Tor und schied aus – und setzte damit ein kleines Mahnmal beim Finale zu dem Wochenende, an dem ihr Stern im Skiweltcup endgültig aufgegangen war.

Ein Ausfall am Sonntag war zu verschmerzen, nach dem zweiten Platz in der Abfahrt am Freitag, bei der Aicher ihre Premiere auf einem Weltcup-Podest gegeben hatte. Und erst recht nach dem direkt folgenden Aufstieg auf das oberste Treppchen am Sonntag, bei ihrem ersten Weltcupsieg. Mit dem irgendwie alle gerechnet hatten, nur Aicher selbst nicht. „Sehr überrascht“ sei sie im Ziel gewesen, sagte sie später. Ihre zweite Abfahrt in Kvitfjell war ihr nach eigener Ansicht nicht so gut gelungen wie die erste, aber „offenbar habe ich die Stellen, an denen man Speed mitnehmen konnte, gut getroffen“.

Die Post-Shiffrin-Generation ist längst angekommen und bereit, den Staffelstab zu übernehmen

Ein bisschen erzählt diese Episode auch über das Dasein von Emma Aicher in dieser Weltcupsaison, das sich gut mit Wahrnehmung und Selbsteinschätzung erklären lässt. Als eines der größten Talente gilt Aicher seit Jahren, sie weiß das selbst bestens. Als Allrounderin probiert sie es daher, das Unmögliche möglich zu machen und gleichzeitig in allen Disziplinen zu fahren. Ihren Status als großes Talent hat sie auch in diesem Jahr behalten, nur sind eben gleichzeitig die vielen anderen jungen Charaktere so weit nach vorne gefahren, dass es manchmal wirkte, als wäre Aicher ein paar Schritte hinterher.

Lara Colturi aus Albanien, Zrinka Ljutic aus Kroatien, Camille Rast aus der Schweiz, Lauren Macuga aus den USA, sie alle haben in den vergangenen Monaten ihre ersten Weltcuptitel gewonnen oder es zumindest auf das Podium geschafft. Die Post-Shiffrin-Generation ist längst angekommen und bereit, den Staffelstab zu übernehmen. Sie tut sich nur manchmal noch schwer, wenn eine erfahrene Athletin wie Federica Brignone, 36, im Spätherbst ihrer Karriere den Frühling entdeckt und zur Hochform auffährt, wie erneut am Sonntag in Kvitfjell, als die Italienerin ihren Vorsprung im Gesamtweltcup ausbauen konnte. Auch Aicher ist Teil dieser neuen, jungen Gruppe – und seit Samstag hat sie nun den Anwärter-Status hinter sich gelassen.

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Es ist eine neue Welt, die sich der 21-Jährigen nun öffnet, vor allem auch auf nationaler Ebene. Der deutsche Skisport ist seit einigen Jahren verzweifelt auf der Suche nach neuen Gesichtern, die nicht nur talentiert, sondern auch erfolgreich sind. Den letzten Sieg in der Abfahrt holte bei den Frauen Viktoria Rebensburg im Jahr 2020, bei den Männern war es im selben Jahr Thomas Dreßen. Seitdem ist nicht viel passiert. Wären da nicht die Klassiker-Siege von Linus Straßer und die regelmäßigen Podestplatzierungen von Lena Dürr, wäre die mannschaftliche Krise noch viel deutlicher in den Ergebnislisten zu sehen. Aussage genug ist es daher, dass Kira Weidle-Winkelmann, 29, den Sieg ihrer um acht Jahre jüngeren Kollegin „sehr inspirierend“ fand.

Aicher hat ihren Talentstatus abgelegt, sie hat nun auch die herausfordernde Aufgabe, den Ton im deutschen Skisport anzugeben. Skifahrerisch freilich, in Worten fällt ihr das weiterhin schwer – Aicher ist immer noch nicht die geborene Rednerin, dafür aber eine Skifahrerin, der in allen Disziplinen Erfolge wie vom Samstag zuzutrauen sind. Vielleicht aktuell sogar im Speed-Bereich noch mehr als in den technischen Disziplinen, wo sich ein breites Feld an Fahrerinnen um Siege bewirbt und die Favoritenrolle nicht immer klar ist.

Die 21-Jährige soll nicht mit Worten, sondern mit Taten wirken, so wie bisher: Die vor Jahren getroffene Ankündigung, dass sie in die Weltspitze vordringen wird, hat Aicher in Kvitfjell in die Realität umgesetzt.

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