EM-Viertelfinale:Spanien gewinnt dröges Viertelfinale gegen Frankreich

Spanien agiert erneut ohne Angreifer, dafür mit sechs Spielgestaltern. Der Favorit besiegt überforderte Franzosen mit 2:0. Manchmal erinnern die endlosen Ballstafetten der Spanier an bekannte Aufwärmübungen wie vier gegen zwei oder fünf gegen drei. Schön anzuschauen ist das nicht. Aber wer will es den Spaniern verdenken?

Johannes Aumüller

Am Tag vor diesem Viertelfinale gegen Spanien hatte sich Frankreichs Trainer Laurent Blanc endgültig für eine EM-Auszeichnung qualifiziert. Da saß er in der üblichen Pressekonferenz und antwortete und antwortete und antwortete. Zusammenkünfte mit Blanc dauern ohnehin länger als die mit anderen Trainern, aber an diesem Tag schlug sich der frühere Innenverteidiger selbst.

Fast 40 Minuten redete er über den Kabinenknatsch nach der jüngsten Niederlage gegen Schweden, über die richtige Taktik gegen Spanien und alles mögliche andere. Zu bedauern war eigentlich nur Frankreichs Torwart Hugo Lloris, der ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesend war, in den fast 40 Minuten aber nur zwei kurze Statements abgeben durfte.

Allerdings muss die EM künftig ohne diese langen Pressekonferenzen auskommen: Die Équipe Tricolore verlor in einem drögen Viertelfinale gegen Spanien mit 0:2 (0:1). Damit kommt es nun zu einem iberischen Duell zwischen Spanien und Portugal um den Einzug ins Finale.

Laurent Blanc hatte seine Mannschaft gegenüber den Vorrundenspielen ziemlich umgestellt. Vier Wechsel, darunter die Herausnahme von Samir Nasri, eine deutlich defensivere taktische Grundausrichtung - so versuchte er, gegen Spanien zu bestehen.

Beim großen Favoriten wiederum ersetzte Cesc Fabregas den zuletzt wirkungslosen Fernando Torres. Das war gleichbedeutend mit der Rückkehr zu der bereits zu Turnierbeginn gezeigten Taktik ohne echten Stürmer, bei der nur ab und an einer der zahlreichen offensiven Mittelfeldspieler ins Angriffszentrum vorstößt.

Allerdings gab es etwas, das noch spärlicher besetzt war als die spanische Sturmmitte: der Platz auf der Tribüne, der für die Anhänger der beiden beteiligten Mannschaften vorgesehen war. Es war ja bei diesem Turnier ohnehin schon auffällig gewesen, dass bei fast allen Spielen Plätze frei blieben.

Diesmal saßen in der spanischen Kurve nur etwa 500 Zuschauer, bei den Franzosen bei wohlwollender Schätzung sogar nur 200 Fans. Da war es kein Wunder, dass die lautesten Tribünenrufe in der ersten Hälfte lauteten: "U-kra-i-na, U-kra-i-na" und "Ros-si-ja, Ros-si-ja" - Donezk ist bekanntlich eine Stadt, in der sich viele Menschen eher an Moskau orientieren als an Kiew.

Wenige Torchancen

Es war auch Zeit für solche innerslawischen Tribünenduelle, denn die taktischen Anordnungen der Mannschaften führten dazu, dass sie sich weitgehend neutralisierten. In der Spielfeldmitte war es unglaublich eng. Spanien dominierte zwar von Beginn an, aber als ihnen bewusst wurde, wie engmaschig die Franzosen die Defensive aufbauten, suchten sich oftmals Eckchen auf dem Feld, in denen sie sich den Ball zupassen konnten. Manchmal erinnerte das Geschehen an jene Aufwärmübungen wie vier gegen zwei oder fünf gegen drei.

Entsprechend selten waren richtige Torchancen, und die erste richtige Chance führte gleich zum Tor. Anders Iniesta schickte links den mitgelaufenen Außenverteidiger Jordi Alba, und der flankte wunderbar in die Mitte auf Xabi Alonso - schöner Kopfball und die 1:0-Führung in der 19. Minute.

Blancs Plan war dahin, seine Mannschaft musste nun zumindest ab und an etwas nach vorne aufrücken. Doch bei diesem Versuch zeigte sich, dass die Spanier eben nicht nur unglaublich sicher kombinieren, sondern auch unglaublich effektiv verteidigen können. Sie hielten die Équipe Tricolore vom Tor fern, nur durch einen Freistoß gab es eine gefährliche Szene: Doch den Versuch von Yohan Cabaye parierte Iker Casillas stark (32.).

Es schien, als ließen die Spanier den Franzosen nun bewusst etwas mehr Platz und etwas mehr Spielanteile - um dann schnell kombinierend kontern zu können. Ein, zwei Mal kamen sie gegen Ende der ersten Hälfte so auch vors gegnerische Tor, allerdings ohne Fortune im Abschluss.

Auch nach der Pause änderte sich der Charakter der Partie nicht an. Spanien hatte alles im Griff, Frankreich tastete sich nur selten und nur zaghaft nach vorne - und leistete sich dann auch noch zu viele Fehlpässe im letzten Spielfelddrittel. Schön anzuschauen war das nicht. Aber wer wollte es den Spaniern verdenken? Sie warteten geduldig auf den einen, entscheidenden Angriff, der ihnen das 2:0 und den Halbfinal-Einzug bringen sollte.

Vor den Toren tat sich weiter wenig. Franck Ribéry flankte von links, Mathieu Debuchy köpfte drüber (60.). Auf der anderen Seite rettete zwei Minuten später Torwart Lloris nach einem wunderbaren Pass von Iniesta im letzten Moment vor Fabregas. Blanc versuchte es mit einem Doppelwechsel, sein Gegenüber Vidente del Bosque dafür mit dem Einsatz eines echten Stürmers - Torres kam ins Spiel. Kurz danach kam Frankreich noch einmal zu einer Chance, nachdem Sergio Busquets im Mittelfeld den Ball mit einem leichtsinnigen Hacken-Fehlpass vertändelt hatte. Aber Casillas hielt den Schuss von Ribery (70.).

Mehr? Mehr gab's nicht. Die Franzosen schoben nur quer und hatten gegen die gut organisierte spanische Abwehr nicht genügend Kreativität. Und die Spanier warteten lange vergeblich auf den einen, entscheidenden Konter zum 2:0. Dafür gab es kurz vor Schluss wenigstens noch einen berechtigten Foulelfmeter für die Spanier: Xabi Alonso verwandelte sicher (90.) - und Spanien stand im Halbfinale.

"Wir sind sehr glücklich, dass wir das Halbfinale erreicht haben", sagte Alonso nach dem Spiel, "und zwei Tore im 100. Länderspiel sind eine phantastische Sache. Natürlich gibt es Kleinigkeiten zu verbessern, aber wir haben das Spiel dominiert und verdient gewonnen. So wird es auch im Halbfinale sein: Natürlich ist Cristiano Ronaldo ein guter Spieler, aber wichtig ist, was wir tun. Dann werden wir gewinnen."

Und Laurent Blanc? Der hielt keine lange Rede, er sagte nur: "Wir sind gerade erst ausgeschieden. Die Enttäuschung steht allen ins Gesicht geschrieben. Wir müssen diese EM analysieren. Wir werden das alles in den nächsten Tagen analysieren. Danach sehen Sie, was passiert."

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