Süddeutsche Zeitung

EM-Viertelfinale:Giorgios Karagounis sollte spielen dürfen

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Der griechische Mittelfeldspieler darf aufgrund einer unberechtigten gelben Karte nicht gegen die deutsche Elf auflaufen. Die Uefa schmettert jede Möglichkeit des Protestes ab - mit der Berufung auf einen Paragraphen, der veraltet ist.

Jürgen Schmieder

Beim Finale der Basketballliga NBA zwischen Oklahoma City und Miami trafen die Schiedsrichter vor wenigen Tagen eine klare Fehlentscheidung. Oklahomas Trainer Scott Brooks regte sich fürchterlich darüber auf und bekam deshalb ein technisches Foul. Die Referees nutzten danach den Videobeweis - und nahmen ihre Entscheidung zurück.

Das technische Foul für Brooks ließen sie nur deshalb, weil der Coach ein deftiges Schimpfwort verwendet hatte. Ansonsten wäre auch dieses Foul ungültig gewesen mit der Begründung, dass sich Brooks - hätten die Schiedsrichter von Beginn an richtig entschieden - gar nicht erst echauffiert hätte. Brooks wäre straffrei davon gekommen..

Was das mit der Fußball-EM und Giorgios Karagounis zu tun hat? Auch dort trafen die Schiedsrichter mehrere Fehlentscheidungen, eine davon während der Begegnung zwischen Russland und Griechenland. Ein Foul an Karagounis werteten sie zu Unrecht als Schwalbe des griechischen Dribblers. Der sah die gelbe Karte, und weil es seine zweite im Turnier war, ist er im Viertelfinale gegen die deutsche Elf gesperrt.

"Vielleicht schaut sich die Uefa die Szene noch mal an. Das ist einfach nur schade und wäre nicht fair", sagte Karagounis. Sein Trainer Fernando Santos ergänzte: "Die gelbe Karte war nicht gerechtfertigt, also ist das sehr traurig." Auf ein Gnadengesuch verzichteten die Griechen - sie wussten, dass die 1000 Euro Protestgebühr an die Uefa woanders besser investiert sind.

Der Verband stützt sich stets auf sein Regelwerk. Zum einen lehnt die Uefa den Videobeweis ab, obwohl er in mehr als einem Dutzend Sportarten effektiv eingesetzt wird. Zum anderen verwendet der europäische Fußballverband bei Fällen wie dem von Karagounis gerne den Begriff "Tatsachenentscheidung". In Artikel 23.03 des EM-Reglements heißt es: "Gegen Tatsachenentscheide des Schiedsrichters kann nicht protestiert werden."

Auch auf den nächsten Paragrahen, den 23.04, können sich die Griechen nicht berufen, denn: "Gegen den Feldverweis nach zwei Verwarnungen oder gegen eine Verwarnung ist der Protest nur zulässig, wenn sich der Schiedsrichter in der Person des Spielers geirrt haben soll."

Warum aber - und diese Frage muss erlaubt sein - gibt es keinen Paragraphen 23.05? In dem sollte stehen: "Gegen den Feldverweis nach zwei Verwarnungen oder gegen eine Verwarnung ist der Protest zulässig, wenn sich der Schiedsrichter geirrt haben soll."

Natürlich käme es zu einer Protest-Inflation, natürlich hätten die Deutschen nach dem WM-Viertelfinale 2010 interveniert, dass die Verwarnung gegen Thomas Müller unberechtigt gewesen sei und dass er im Halbfinale spielen müsse. Nur: Ist es nicht die Aufgabe der Uefa, sich mit exakt diesen Fällen auseinanderzusetzen? Und fiele diese Entscheidung einem Gremium, das in Ruhe und nach Sichtung von Videomaterial beurteilen darf, nicht viel leichter als sie einem Schiedsrichter in der Hitze des Gefechts fällt?

Karagounis sollte gegen die deutsche Elf spielen dürfen, da sind sich wohl 99,99 Prozent der Fußballfans einig. Zu schade, dass der Rest ein erlesener Klub ist, der sich Uefa-Exekutivkomitee nennt.

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