EM-Ticker:Boateng verteidigt und lobt Balotelli

Jérôme Boateng nennt Mario Balotelli einen "guten Menschen" und "fußballerisch überragend". Der niederländische Bondscoach hört nach einer EM ohne Punktgewinn auf. Der Mann, der beim Elfmeterschießen Italien gegen England seine Hose runterließ, ist offenbar gefunden und angeblich Nachbar von John Terry.

EM-Nachrichten in Kürze

Van Marwijks Zukunft als Bondscoach weiter offen

Rücktritt: Bert van Marwijk.

(Foto: dapd)

Jérôme Boateng, Mario Balotelli: DFB-Spieler Jérôme Boateng hat Italiens umstrittenen Stürmer Mario Balotelli in Schutz genommen. "Er ist ein witziger, verrückter Kerl, mal positiv, mal negativ - aber auf jeden Fall ein guter Mensch", sagte Boateng der Neuen Osnabrücker Zeitung vor dem EM-Halbfinale am Donnerstag (20.45 Uhr) in Warschau. Außerdem bezeichnete Deutschlands Rechtsverteidiger den für seine Eskapaden bekannten Italiener als "fußballerisch überragend". Boateng hatte in der Saison 2010/2011 zusammen mit Balotelli beim diesjährigen englischen Meister Manchester City gespielt. Aus seinem nächtlichen Ausflug kurz vor dem Abflug zur EM hat Boateng seine Schlüsse gezogen: "Erstens habe ich gesehen, wer meine wahren Freunde sind, und wer nur da ist, wenn es gut läuft. Zweitens habe ich wieder etwas gelernt über die Medien." Ungerecht behandelt gefühlt von Bundestrainer Joachim Löw habe sich der 23-Jährige jedoch nicht. Löw hatte nach dem Vorfall von einer "Bringschuld" Boatengs gesprochen.

Niederlande, Trainer: Bert van Marwijk hat die Konsequenzen aus dem EM-Debakel der Niederlande gezogen und seinen Rücktritt als Bondscoach erklärt. "Ich habe lange gezweifelt, aber am Ende mich doch entschieden, diesen Schritt zu gehen", sagte van Marwijk in einer am Mittwochabend verbreiteten Pressemitteilung des niederländischen Fußball-Verbandes (KNVB). Der frühere Bundesliga-Trainer von Borussia Dortmund hatte seinen Vertrag Ende des vergangenen Jahres bis 2016 verlängert, war nach dem blamablen Vorrundenaus der punktlosen Oranjes aber stark in die Kritik geraten. Van Marwijk hatte das Amt nach der EM 2008 als Nachfolger von Marco van Basten angetreten.

England, Blitzer: "Willy-Gate" ist offenbar aufgeklärt - der Mann ohne Hose ist angeblich Millionär und stammt aus dem Umfeld von John Terry. Nach Angaben des Boulevardblatts Sun soll es sich bei dem englischen Fußball-Fan, der im Elfmeterschießen des EM-Viertelfinals gegen Italien seinen Penis entblößte, um den 35-Jährigen Tim O'Leary handeln. Dieser soll in einem Londoner Vorort als Nachbar von Englands Abwehrchef Terry in einem etwa sieben Millionen Euro teuren Landhaus wohnen. "Es war ein Witz", sagte der Blitzer laut Sun nun und erklärte, er habe einfach sein(en) "Teil zum Sieg" beitragen wollen: "Ich war einfach total heiß in dem Moment und wollte alles dafür tun, dass England gewinnt. Leider hat es nicht geklappt." Obwohl O'Leary, wie Tuttosport ironisch schrieb, seine Kronjuwelen ausgerechnet beim entscheidenden Schuss von Alessandro Diamanti entblößte, verwandelte dieser - und Italien gewann 4:2. O'Leary erklärte, seine Frau Klara, die im achten Monat schwanger sei und Zwillinge erwarte, habe die Aktion "sehr, sehr witzig" gefunden. Die "Willy-Affäre" hatte auf der Insel für große Aufregung gesorgt, woraufhin die Sun zur Suche nach dem Entblößer aufgerufen hatte.

Nasri, Strafe: Frankreichs Fußball-Nationalspieler Samir Nasri droht wegen seiner Beleidigung eines Journalisten bei der EM nach einem Bericht der "L'Équipe" möglicherweise eine lange Sperre. Der nationale Verband FFF ziehe eine Bestrafung des Mittelfeldspielers in Betracht, denkbar sei eine Suspendierung von bis zu zwei Jahren und damit das Aus für die WM 2014 in Brasilien, schreibt die Sporttageszeitung (Dienstag).

Am kommenden Dienstag könne das FFF-Exekutivkomitee bei einem Treffen ein Verfahren einleiten. Im Visier seien wegen unterschiedlicher Verfehlungen beim Turnier in Polen und der Ukraine auch Hatem Ben Arfa, Yann M'Vila und Jérémy Ménez. Nach dem Viertelfinalaus gegen Spanien hatte Verbandspräsident Noël Le Graët eine mögliche Sanktion für Nasri, der einen Reporter wüst beschimpft hatte, offen gelassen. Die in Frankreich bislang höchste Sperre von 18 Länderspielen (15 Monate) hatte Nicolas Anelka nach der WM 2010 für seine Beleidigung des damaligen Nationaltrainers Raymond Domenech erhalten.

Nationalelf, Prämie: Der Jackpot rückt näher: Für die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft geht es am Donnerstag (20.45 Uhr/ARD) im EM-Halbfinale gegen Italien auch um jede Menge Geld. Bei einem Einzug ins Endspiel am Sonntag in Kiew könnten sich die 23 Spieler des EM-Kaders und das Trainerteam um Joachim Löw auf jeweils 150.000 Euro Prämie freuen. Für den Europameister-Titel hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sogar die Rekordsumme von 300.000 Euro pro Mann ausgelobt. Bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz und bei der WM 2010 in Südafrika hätten die Profis für den Titelgewinn 250.000 Euro erhalten. Die Erhöhung der Prämie hatte der DFB mit höheren Einnahmen begründet. Halbfinal-Gegner Italien würde "nur" 200.000 Euro für einen EM-Triumph erhalten. Die Europäische Fußball-Union (UEFA) schüttet insgesamt 23,5 Millionen Euro an den kommenden Europameister aus.

Torschützen, Vereine: Dank Sami Khedira und Xabi Alonso hat der spanische Fußball-Gigant Real Madrid in der Liste der EM-Tore nach Klubs den Bundesligisten VfL Wolfsburg überholt. Der deutsche Nationalspieler und Spaniens Weltmeister (2) erzielten in ihren Viertelfinal-Spielen die Treffer fünf bis sieben eines Real-Spielers in den 27 Begegnungen (inklusive Samstag) der Endrunde in Polen und der Ukraine - und die Königlichen haben noch einige Spieler im Turnier. Der VfL Wolfsburg dagegen ist "ausgeschieden" - es wird bei fünf Toren bleiben, verteilt auf Mario Mandzukic (Kroatien/3) und Petr Jiracek (Tschechien/2). Die Niedersachsen haben aber noch zwei Tore "in Aussicht": Der Tscheche Vaclav Pilar, derzeit noch bei Viktoria Pilsen, wird in der kommenden Saison ebenfalls für Wolfsburg spielen. Manchester City und Bayern München weisen jeweils vier Tore auf. Auffällig ist, dass sich einige Klubs ohne große Namen in der erweiterten Spitzengruppe tummeln, beispielsweise ZSKA Moskau, das alle drei Tore dem russischen Stürmer Alan Dsagojew verdankt, oder der FC Sunderland. Manchester United bringt es bislang nur auf zwei Tore. Die Liste der EM-Torschützen nach Vereinen (69 Tore nach 28 Spielen, Schnitt 2,46, verteilt auf 37 Vereine):

Italien, Startelf gegen Deutschland: Innenverteidiger Giorgio Chiellini hofft bis zum Halbfinale am Donnerstag (20.45 Uhr) gegen Deutschland auf seine Genesung. "Ich werde alles versuchen, um dabei zu sein. Und im Moment sieht es sehr positiv aus", sagte Chiellini dem SID. Der 27-Jährige, der im Viertelfinale gegen England wegen einer Oberschenkelverletzung gefehlt hatte, stieg am Montag wieder in das Mannschaftstraining ein. Dass sein Team zwei Tage weniger Regenerationszeit hat als das deutsche empfindet der Abwehrspieler von Juventus Turin nicht als grundsätzlich unfair. "Da wir nun auch noch 120 Minuten gespielt haben, ist es aber natürlich unglücklich", sagte er: "Aber entscheidend wird nicht die Energie im Körper, sondern die Energie im Kopf. Deutschland ist der Favorit gegen uns, doch wir sind selbstbewusst und wollen dieses Turnier gewinnen."

Sorgen bereiten Trainer Prandelli noch die angeschlagenen Stammspieler Daniele De Rossi und Ignazio Abate. Beide mussten beim Sieg gegen die "Three Lions" mit muskulären Problemen ausgewechselt werden. "Wir werden erst morgen sehen, wie es bei ihnen aussieht. Wir müssen jetzt sehen, dass unsere angeschlagenen Spieler schnell wieder zurückkommen und wir uns gut vorbereiten können", sagte Trainer Cesare Prandelli nach dem Spiel. Mittelfeldspieler De Rossi ist einer von nur vier italienischen Spielern, die schon 2006 beim Sieg im WM-Halbfinale gegen Deutschland dabei waren.

DFB, Bastian Schweinsteiger: Mit allen 23 Spielern ist die deutsche Nationalmannschaft in die Vorbereitung auf das EM-Halbfinale gegen Italien gestartet. Auch Bastian Schweinsteiger, der wegen seiner Knöchelblessur zuletzt einige Übungseinheiten verpasst hatte, war am Montag in Danzig beim Teamtraining dabei. Die Sportliche Leitung um Bundestrainer Joachim Löw geht davon aus, dass der Münchner Mittelfeld-Organisator am Donnerstag in Warschau gegen den viermaligen Weltmeister Italien auflaufen kann. Beim Training nahe des Teamhotels Dwór Oliwski, das sich auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach anschaute, konnte neben Schweinsteiger auch Ilkay Gündogan mitwirken. Der Dortmunder hatte zuvor an einer Kapselzerrung im Sprunggelenk gelitten. Damit hat Löw für das Italien-Spiel die Qual der Wahl. Alle deutschen EM-Spieler stehen für den Halbfinal-Klassiker bereit.

Russland, Verbandschef: Nach dem enttäuschenden Abschneiden der eigenen Nationalmannschaft bei der EM ist der Chef des nationalen Fußballverbands RFS zurückgetreten. Sergej Fursenko hat sich bei einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag für die Leistung der Sbornaja beim Endrundenturnier in Polen und der Ukraine entschuldigt und seinen sofortigen Rückzug als Chef des RFS erklärt. Das frühe Aus bereits nach der Gruppenphase sei "sehr schmerzhaft gewesen, da das Team eigentlich einen sehr starken Eindruck hinterlassen hat", sagte er. Dennoch sei das Resultat nicht zufriedenstellend und die Enttäuschung der Fans daher verständlich. Nationaltrainer Dick Advocaat, der bereits vor der EM seinen Abschied aus Russland bekannt gegeben hatte, stellte Fursenko ein gutes Zeugnis auf: "Er hat einen guten Job gemacht." Das favorisierte Russland war in der Vorrundengruppe A mit Co-Gastgeber Polen, Tschechien und Griechenland überraschend nur Dritter hinter Gruppensieger Tschechien und Griechenland geworden. Zum Auftakt hatte es ein überzeugendes 4:1 gegen Tschechien gegeben, danach aber lediglich ein 1:1 gegen die Polen und ein 0:1 gegen Griechenland.

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