EM-Qualifikation: Österreich - Deutschland 1:2:In letzter Minute

Es war kein verdienter Erfolg - aber wen kümmert das schon? Dank zweier Treffer von Mario Gomez siegt Deutschland gegen Österreich 2:1 und erfreut sich weiterhin an seiner makellosen Bilanz. Bundestrainer Löw findet jedoch auch kritische Worte.

Die süßesten Siege sind bekanntlich die unverdienten. Österreich war tapfer, Österreich war mutig, Österreich war besser - doch Deutschland gewann das EM-Qualifikationsspiel im Wiener Ernst-Happel-Stadion am Freitagabend 2:1 (1:0) dank eines Treffers von Mario Gomez in der 90. Minute.

Germany's Gomez scores a goal past Austria's Royer and Gratzei during their Euro 2012 Group A qualifying soccer match in Vienna

Tor in der 90. Minute: Mario Gomez.

(Foto: REUTERS)

Sechs Siege in sechs Spielen stehen für die Deutschen zu Buche, die Qualifikation ist damit so gut wie gesichert. Als die Spieler einander nach dem Schlusspfiff umarmten, zeigten ihre Gesichter in erster Linie Erleichterung, und in zweiter Linie diese diebische Freude, die sich einstellt, wenn man unverhofft und nicht wirklich verdient gewinnt. "Glück muss man sich erarbeiten", sagte Kapitän Philipp Lahm trotzig, gab aber zu: "Natürlich können wir viel besser auftreten."

Mario Gomez, doppelter Torschütze, war der Mann des Spiels, obwohl er ja keine guten Erinnerungen an das Ernst-Happel-Stadion hat. Er hat hier vor drei Jahren bei der EM eine Chance verstolpert, die er sich später in allen Jahresrückblicken anschauen durfte. Aus rund drei Metern setzte er die Kugel im Spiel gegen Österreich neben das Tor. Es war die Chance, die Gomez' Kritiker stets heranzogen, wenn sie ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck brachten, dass der FC Bayern 2009 mehr als 30 Millionen Euro Ablöse an den VfB Stuttgart überwies.

Die Zeit vergeht, Gomez hat eine exzellente Saison hinter sich, und über die vergebene Chance von 2008 hätte am Freitagabend niemand gesprochen, wenn es nun nicht die genutzten Chancen von 2011 gäbe. In der 44. Minute fiel Gomez der Ball vor die Füße wie 2008, doch diesmal verstolperte er nicht, sondern stocherte den Ball ins Tor.

Wenn ein Torjäger in Stimmung ist, dann prallt der Ball immer ins Netz. Gomez ging nach seinem Treffer die drei Schritte zum Pfosten, herzte diesen und gab ihm einen sanften Kuss. Es schien, als habe er seinen Frieden mit dem Stadion geschlossen. "So schließt sich der Kreis", sagte Bundestrainer Joachim Löw zufrieden.

Die Führung war glücklich, denn nach starkem Beginn ließen die Deutschen nach, die Österreicher übernahmen - angetrieben von den 47500 begeisterten Zuschauern - das Kommando. Hatten sie einmal den Ball erobert, ging es schnell nach vorne, die halbe Mannschaft schien sich einen Sprintwettbewerb zu liefern, und es wirkte, als lägen die 100-m-Zeiten der Österreicher knapp unter neun Sekunden.

Den Deutschen war das deutlich zu schnell, sie standen zwar recht sicher in der Mitte, waren aber auf den Außenbahnen anfällig. Und das war dann doch ein wenig überraschend, insbesondere, weil auch Kapitän Philipp Lahm - gelinde gesagt - nicht immer den besten Eindruck hinterließ.

Zu viele Ausfälle

Nun hätte man nach dem Führungstreffer der Deutschen einen anderen Spielverlauf erwarten können. Einen, in dem die Deutschen abwarten, die Flügel sichern und ihrerseits bisweilen Konter laufen. Doch so kam es nicht. Erst einmal bedrängte Martin Harnik Arne Friedrich so sehr, dass dieser den Ball zum 1:1 ins eigene Netz lenkte (50. Minute).

In der Folge spielte Österreich die Deutschen phasenweise an die Wand. Sie rannten, sie liefen und wieselten, sie sprinteten und passten und schossen, dass es den Nachbarn aus dem Norden ganz anders wurde. Joachim Löw fuchtelte und schrie an der Seitenlinie wie selten, sein Kollege Didi Constantini hingegen trieb seine Mannschaft an, weil er ahnte, dass hier eine Sensation möglich war. "Wir waren in vielen Phasen nicht in der Lage, unsere spielerischen Möglichkeiten auszuspielen", sagte Löw.

Es war der deutschen Mannschaft anzusehen, dass sie die Ausfälle erfahrener Spieler nicht so einfach kompensieren kann. Mertesacker, Schweinsteiger und Klose fehlten, die Mittelachse. Besonders Schweinsteiger wurde vermisst, weil der mittlerweile so erfahren ist, dass er weiß, wie man den Rhythmus eines Spieles ändert. Als Taktgeber hinter dem kreativen Özil wäre er in dieser Partie wichtig gewesen, ebenso als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive. Löw versuchte, dieses Problem zu lösen, indem er Badstuber für Khedira einwechselte. Hummels rückte ins Mittelfeld, doch das änderte nicht viel.

Munter rannten die Österreicher an, Harnik versuchte es immer wieder einmal mit Schüssen aus der Distanz, blieb aber erfolglos. Immerhin: Ganz allmählich formierten die Deutschen sich zu einem stabileren Verbund, sie beschränkten sich weitgehend aufs Verteidigen. Entlastung gab es wenig, lediglich gegen Ende der Begegnung, in den buchstäblich letzten Minuten, setzten sie sich noch einmal in der Hälfte der Österreicher fest.

Nicht, dass es danach ausgesehen hätte, dass ein Tor fallen würde - aber das Tor fiel. Lahm, der sich ein wenig gesteigert hatte, schlug den Ball hoch und weit in den Strafraum, und dort materialisierte sich Gomez und drückte den Ball per Kopf zum Siegtreffer über die Linie. "Als der Ball in der Luft war, dachte ich schon: Geil! Fußball ist verrückt", gab Gomez später zu Protokoll.

Es war ein unverdienter Erfolg, aber das interessierte auf deutscher Seite schon im Moment des Schlusspfiffs niemanden mehr. "Es zählt das Ergebnis in so einem Spiel wie heute", befand Joachim Löw.

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