EM-Qualifikation:Fußball-Österreich knutscht und grölt

Sweden vs Austria

Die ÖFB-Spieler schnappen sich ihren Schweizer Trainer Marcell Koller, um ihn in die Luft zu schleudern.

(Foto: dpa)
  • Erstmals qualifiziert sich die österreichische Nationalelf sportlich für eine Europameisterschaft.
  • Das erreichen der Endrunde sorgt für viel Selbstbewusstsein im Land - und noch mehr Feiern in der Nacht.
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Von Tim Brack

Erst einmal herrscht absolute Stille. Als hätte jemand die Luft aus der Wiener Kneipe gesogen und so für einen schallleeren Raum gesorgt. Dann flackern beim Public Viewing in der Bar die Gesichter von David Alaba und seinen österreichischen Nationalmannschaftskollegen in Nahaufnahme über die Leinwand. Schlagartig ertönen Gesänge: "Oh wie ist das schön ... So was hat man lange nicht gesehn ..." Die Kneipe grölt.

Ganz korrekt war die Liedzeile jedoch nicht. Der Text hätte lauten müssen: "So was hat man noch nie bei uns gesehn ..." Denn nach dem 4:1-Sieg von Österreich gegen Schweden hat sich die Ski-Nation erstmals sportlich für eine Fußball-Europameisterschaft qualifiziert. Nur 2008 waren sie bislang dabei - als Gastgeber rückten sie automatisch in die Endrunde. Die Kneipengänger brauchten an diesem Dienstagabend wohl etwas, um zu begreifen, welch historischen Moment sie gerade erlebt hatten.

Ein Trainer fliegt durch die Luft

In der Arena im schwedischen Stockholm reagierten die Protagonisten schneller auf die Erlösung einer Nation von ihren fußballerischen Komplexen. Cheftrainer Marcel Koller wollte feiern, wusste nur nicht, mit wem zuerst. So knutschte er wahllos seinen Trainerstab ab. Nachdem sich der Schweizer viel später etwas gefangen hatte, lobte er höflich und zufrieden: "Herzlichen Dank an das Betreuerteam. Was die geleistet haben, war unglaublich. Und natürlich vorneweg an die Spieler, die hervorragend zusammen gefunden haben, die bereit sind, sich den Hintern aufzureißen und weite Wege zurückzulegen." 2011 hatte Koller den Job in Österreich angetreten. Damals stand das Team auf Platz 72 der Weltrangliste, nun ist die ÖFB-Elf Dreizehnter. Mit sieben Siegen und einem Unentschieden hat Österreich die Gruppe G dominiert.

Der erste Weg der Spieler führte nach der Partie schnurstracks zum Trainer. Schwupps, packten sie ihn und warfen ihn in die Luft. Vorneweg natürlich David Alaba, der seinem frechen Elfmeter-Lupfer das neue Selbstbewusstsein des Fußball-Zwergs symbolisiert. "Es ist schon etwas Besonderes, wenn man Geschichte schreibt", sagte der Bayern-Spieler nach der ersten Jubelorgie. "Wir haben heute wieder gezeigt, dass wir eine tolle Mannschaft sind. Der Sieg hätte noch höher ausfallen können." Zlatko Junuzovic fasste das Geschehen präzise zusammen: "Es ist ein Wahnsinn."

Kleine Nation ganz groß

Die mitgereisten Anhänger aus Österreich hatten im Stadion in Solna bei Stockholm schon während der Partie für Heimspielatmosphäre gesorgt. Mit dem Schlusspfiff entlud sich die Stimmung wie bei Teenagern auf einem Boyband-Konzert. Natürlich ließ es sich auch Bundeskanzler Werner Faymann nicht nehmen, bei der geschichtsträchtigen Partie vor Ort zu sein. "Es ist ein wahnsinnig toller Tag", sprach der Politiker danach in die Kameras. "Ich bin extrem stolz auf diese Mannschaft."

Nachdem auf dem Platz jeder jeden abgebusselt hatte, machten sich die Spieler auf in die Kurve. Sie brüllten und sangen in das Megafon, sie feierten sich selbst, die Fans und die kleine Fußballnation Österreich, die an diesem Abend ganz groß war. Schließlich hat sich die Elf sogar vor dem Weltmeister aus Deutschland für die Endrunde der EM qualifiziert.

Auch die Zeitungen reagierten euphorisch. "Ein ganzes Land im Freudentaumel", schrieben die Salzburger Nachrichten. Der Standard titelte über die Leistung des Teams: "Mit einer Gala in die Glückseligkeit". Die Zeitung Österreich wurde noch pathetischer: "11 Helden als neues Wunderteam".

Alaba kündigte nach dem Spiel an, in der Nacht noch ausgiebig weiterfeiern zu wollen: "Man schläft ja generell nicht so gut nach einem Match, aber heute wird noch weniger geschlafen", sagte der 23-Jährige - und hielt Wort.

Über Twitter veröffentlichte Alaba noch in der Nacht ein Foto. Darauf zu sehen: grinsende, übereinander gestapelte Fußballer. Manche hatten ein T-Shirt an, auf dem stand: "Frankreich, wir kommen". Andere trugen nur noch eine Unterhose.

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