Deutsche Nationalmannschaft:"Nur Potenzial alleine hilft dir am Ende nicht weiter"

Deutschland - Weißrussland

Es ist fraglich, ob Joshua Kimmich, Toni Kroos und Serge Gnabry (v. l. n. r.) Ende März gegen Italien antreten.

(Foto: dpa)
  • Das DFB-Team kann in der EM-Quali sogar noch Gruppenerster werden.
  • Die Nationalspieler verfallen aber nicht in Euphorie.
  • Leon Goretzka sagt, man könne sich "eigentlich in fast allen Bereichen" verbessern.

Von Christopher Gerards, Mönchengladbach

Es war kein schlechtes Zeichen fürs DFB-Team, was sich da nach einer guten Stunde im Mönchengladbacher Stadion zutrug. Klar, diese La Ola hätte noch etwas solider ausgesehen, wenn im südlichen und südöstlichen Oberrang Zuschauer gesessen hätten, die sich hätten beteiligen können. Und welche Rolle der Drang der Menschen spielte, sich einfach zu bewegen und damit warmzuhalten, das war auch nicht ganz klar. Andererseits: Nach gut einer Stunde, beim Stand von 3:0, ging minutenlang eine La Ola durchs Mönchengladbacher Stadion, und das war zumindest kein Ausdruck von gewaltiger Unzufriedenheit.

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat ihre Fans in diesem Jahr vor manches Rätsel gestellt, sie hat teils hübschen Fußball gespielt und teils sehr fahrlässigen. Sie hat beide Elemente auch am Samstagabend ausgepackt, aber weil der Schwerpunkt auf dem des hübschen Fußballs lag, stand am Ende nicht nur ein 4:0 (1:0) gegen Weißrussland, sondern auch die Qualifikation für die Europameisterschaft 2020. Man habe das Ziel "recht souverän erreicht", befand Toni Kroos, der selber recht souverän zwei Tore beigesteuert hatte. Und, diese Wendung gehörte auch zum Abend: Das DFB-Team kann mit einem Sieg gegen Nordirland nun tatsächlich noch Gruppenerster werden.

Wer den deutschen Spielern hinterher zuhörte, der stieß auf zwei grundsätzliche Bewertungsansätze. Der eine enthielt die Zufriedenheit mit dem Abend und dem Erreichten. Der andere und oft wiederholte war eine Art Mahnung, dass noch viel Arbeit vor dem Team liege. Und beide hatten ihre Berechtigung.

DFB-Team zweimal im Glück

Die deutsche Elf hatte von Beginn an dominiert, sie hatte Chance um Chance, wenn auch nicht Großchance um Großchance. Dass Matthias Ginter dann das 1:0 vor der Halbzeit erzielte, in Mönchengladbach, als Innenverteidiger, als erstmaliger A-Team-Torschütze, mit der Hacke zudem - das war eine nette Pointe dieses Spiels, auch wenn Ginter dabei leicht im Abseits stand. Auch bei den Toren von Leon Goretzka und dem ersten von Toni Kroos wirkte er als Gegner-Verwirrer beziehungsweise als Vorbereiter mit (wobei beim 3:0 Timo Werner im Abseits stand).

"Wir haben größtenteils das Spiel sehr gut kontrolliert, in der einen oder anderen Phase nach dem 3:0 haben wir vielleicht die eine oder andere Chance zu viel zugelassen", bilanzierte Bundestrainer Joachim Löw - wobei Weißrussland schon in der ersten Hälfte Manuel Neuer zum Fliegen gebracht hatte. Nach einem Foul von Robin Koch durfte der DFB-Kapitän dann noch einen Elfmeter parieren.

Ein Spiel mit eingeschränkter Aussagekraft

Als Joshua Kimmich hinterher um eine Bewertung des Jahres gebeten wurde, verteilte der Mittelfeldspieler (ein mittlerweile nicht mehr so neues Synonym für ihn, d. Red.) eine "solide Drei plus". Seine Argumentation: "Ich glaube, wir hatten sehr, sehr gute Spiele dabei oder sehr, sehr gute Halbzeiten. Aber auch Halbzeiten, die nicht so gut waren." Er verwies auf das Potenzial in der Mannschaft, das man "konstanter auf den Platz bekommen" müsse, weil "nur Potenzial alleine hilft dir am Ende nicht weiter". Es folgte eine längere Liste an verbesserungswürdigen Dingen, was übrigens der These Goretzkas entsprach, wonach man sich "eigentlich in fast allen Bereichen" verbessern könne. Kimmich nannte als Ziele: 90 Minuten Spielkontrolle, wenig zulassen, Automatismen in der Offensive. Und: "Es würde guttun, wenn alle Spieler mal an Bord wären."

Gegen Weißrussland trat ja eine Mannschaft an, die sich massiv unterschied von jener beim 3:0 in Estland, dem vorherigen Qualifikationsspiel. Sieben Mal umgebaut hatte Löw, teils weil er es so wollte (Julian Brandt saß etwa draußen), teils weil er nicht anders konnte. Die Liste der verletzten Spieler umfasste die Namen Havertz, Reus, Sané, Süle, Kehrer und Draxler. Hinzu kamen die zuletzt angeschlagenen beziehungsweise verletzten Innenverteidiger Jonathan Tah und Niklas Stark, die auf der Bank blieben. All dies schränkte die Aussagekraft dieses Spiels ebenso ein wie die Anwesenheit eines Gegners, der sich vor allem aufs Verteidigen konzentrierte.

Wenn Goretzka hinterher mit Blick auf das letzte Spiel des Jahres anmerkte, das Team müsse jede Minute zur Entwicklung nutzen, dann war das sicher keine Floskel. Denn viele Spiele wird das DFB-Team bis zur EM nicht mehr bestreiten. Goretzka sah es zugleich als "Anreiz", die Gruppe C als Erster abzuschließen - eine Perspektive, die eigentlich als unwahrscheinlich galt. Nun reicht dem DFB-Team ein Sieg gegen Nordirland, das gegen die Niederlande ein 0:0 geholt hatte. "Die Holländer spielen schon etwas länger so jetzt zusammen und haben die Abläufe viel häufiger auch trainieren und spielen können, und das wäre schon wichtig, wenn wir vor Holland bleiben", sagte Kapitän Neuer. Mit Platz eins würde Deutschland auch in Lostopf eins landen.

Für den Abschluss der Qualifikation kündigte Löw eine Rotation an. "Ich glaube, dass ich den ein oder anderen Wechsel vornehmen werde, dass der ein oder andere Spieler eine Chance bekommt, der heute oder letztes Mal nicht gespielt hat", sagte der Bundestrainer. Was schon sicher ist: Manuel Neuer wird gegen Nordirland nicht im Tor stehen, Löw hatte schon vorab den Einsatz von Marc-André ter Stegen angekündigt. Wie er seine Rolle für die kommenden zwei Tage sieht, wollte ein Reporter wissen. "Dass ich so supporte, dass sie gewinnen", sagte Neuer.

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