EM in Bonn:Homerun aus der Nische

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Die deutschen Baseballer kämpfen bei der Heim-EM in Bonn am Finalwochenende noch um die Teilnahme am Olympia-Qualifikationsturnier in Italien. Für sie stehen wertvolle Fördergelder auf dem Spiel.

Von Raphael Späth

Im Baseball reicht am Ende oftmals ein Schlag, um knapp drei Stunden harte Arbeit für eine Mannschaft zunichte zu machen. Ein solcher Schlag gelang dem Italiener Alberto Minero am Freitagabend im Europameisterschafts-Viertelfinale gegen Deutschland. 5:5 stand es im letzten Inning, als Minero als letzter Schlagmann an die Home Plate trat - und mit einem Homerun, er hämmerte den Ball auf die Tribüne, alle Halbfinal-Träume der deutschen Spieler und der rund 1000 Zuschauer im Bonner Ballpark beendete. "Wir sind sehr enttäuscht", sagte der deutsche Kapitän Simon Gühring. "Ich glaube, wenn wir nur in einem Inning besser gespielt hätten, hätten wir das Spiel auch gewinnen können. Jetzt wird es schwer, die Partie einfach so abzuhaken."

Der Präsident des Deutschen Baseball und Softball Verbandes (DBV), Jürgen Elsishans, sieht das einen Tag später schon pragmatischer: "Wir wussten natürlich, dass es schwer wird", sagt er. "Die Mannschaft hat eine Top-Leistung gebracht, am Ende hat es halt nicht ganz gereicht und wir haben ganz knapp verloren. So ist das halt im Sport." Die Niederlage an sich war keine Überraschung, die Italiener sind neben der Niederlande und Spanien die Top-Nation in Europa. Die deutsche Mannschaft hingegen galt schon vor dem Turnier als Außenseiter, als beste Platzierung bei einer Europameisterschaft nach der Wende steht ein dritter Platz aus dem Jahr 2010 zu Buche - auch damals vor heimischem Publikum.

In diesem Jahr hat der DBV vor dem Turnier den fünften Platz als Minimalziel ausgegeben, dieser berechtigt zur Teilnahme am Olympia-Qualifikationsturnier in Italien in der kommenden Woche. "Die Teilnahme an diesem Turnier wäre für uns extrem wichtig, denn das hat einen großen Einfluss auf zukünftige Fördergelder", sagt DBV-Präsident Elsishans. "Nach der Leistungssportreform vor gut drei Jahren wird das Potenzial einer Sportart in Turnierresultaten gemessen. Wenn wir in der Leistungssportförderung weniger Gelder bekommen, müssen wir mehr Eigenmittel in diesen Bereich stecken, um einigermaßen auf dem Niveau zu bleiben, und haben dann eben weniger Gelder für Entwicklungs- und Breitensportprogramme zur Verfügung."

In Bologna kämpfen in der kommenden Woche die fünf besten Mannschaften der Europameisterschaft und Afrikameister Südafrika um ein Ticket zu den Olympischen Spielen in Tokio 2020. Nachdem Baseball 2008 aus dem olympischen Programm genommen wurde, entschied das japanische Organisationskomitee, die Sportart zusätzlich mit ins Programm für Tokio aufzunehmen. Allerdings gibt es dort nur sechs Startplätze, aus Europa kann sich höchstens eine Mannschaft direkt qualifizieren. "Realistisch gesehen sind unsere Chancen sehr begrenzt, das Qualifikationsturnier zu gewinnen", sagt DBV-Präsident Elsishans. Auch Shortstop Christian Ziegler geht die Sache realistisch an: "Wir machen uns jetzt nicht riesige Hoffnungen und googeln schon einmal, welche Sehenswürdigkeiten es in Tokio gibt", sagt der 27-Jährige. Normalerweise spielt er in der Baseball-Bundesliga und arbeitet nebenbei, wie ein Großteil der Nationalspieler auch, bei einem Baseballartikel-Vertrieb in München.

Seit 2000 ist es bereits die vierte EM auf deutschem Boden

Vollprofis gibt es im deutschen Kader im Gegensatz zu anderen Nationen nicht. Israel bürgerte vor dem Turnier 18 amerikanische Profis mit israelischen Wurzeln ein - eine Taktik, die der DBV nicht verfolgt: "Das ist nicht nachhaltig", sagt Präsident Elsishans. "Wir setzen darauf, Spieler selbst auszubilden und zu entwickeln." Die deutsche U15-Nationalmannschaft wurde in diesem Jahr Europameister, die U13 erreichte das EM-Finale. "Das Einbürgerungsverfahren ist in Deutschland ohnehin nicht so einfach wie in anderen Nationen. In Spanien ist es beispielsweise seit vielen Jahren gang und gäbe, dass das Nationalteam eigentlich nur aus Kubanern, Venezolanern oder Spielern aus der Dominikanischen Republik besteht."

Dass die deutsche Nachwuchsausbildung aber durchaus Früchte trägt, zeigt sich momentan an Max Kepler: Als einziger Deutscher in der nordamerikanischen Profiliga MLB bricht er in dieser Saison einen Rekord nach dem anderen, mit nunmehr 36 Homeruns in einer Saison ist er der erfolgreichste europäische Spieler in der Geschichte, dazu befindet er sich mit den Minnesota Twins momentan auf Playoff-Kurs. Auch deshalb kann der 26-Jährige beim Heimturnier in Bonn nicht dabei sein. "Wir versuchen natürlich, Max' Erfolge für die Popularität des Baseballs in Deutschland zu nutzen", gesteht DBV-Präsident Elsishans. "Aber ich glaube eher, dass das mittel- oder langfristig anstatt kurzfristig etwas bringt."

Auch deshalb setzt man beim Baseball-Verband auf die Nationalmannschaft als Aushängeschild der Sportart in Deutschland. Nach 2001, 2010 und 2014 findet die Europameisterschaft schon zum vierten Mal seit 2000 auf deutschem Boden statt. Die Gründe dafür sind vielfältig: "Zum einen erhoffen wir uns natürlich einen sportlichen Heimvorteil", erzählt DBV-Präsident. "Zum anderen nutzen wir solche Großereignisse auch, um Sportanlagen auszubauen und auf internationales Niveau zu bringen." Die Baseball-Anlage in Bonn bekam anlässlich der Europameisterschaft eine Flutlichtanlage, "die wir jetzt auch für attraktive Abendspiele in der Bundesliga nutzen können".

Zunächst liegt der Fokus aller Beteiligten aber auf den Entscheidungsspielen um den fünften Platz, der zur Teilnahme am Olympia-Qualifikationsturnier berechtigen würde. Gegen Frankreich zeigte sich die deutsche Mannschaft nach dem späten Schock am Samstagmorgen gut erholt, mit Wut im Bauch wurde der Nachbar mit 14:4 besiegt. Das entscheidende Spiel findet an diesem Sonntag um 11 Uhr gegen Tschechien statt - in der Vorrunde unterlag die deutsche Mannschaft mit 6:10.

© SZ vom 15.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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