EM-Favorit Spanien:Diabolisch nervend

Die Spanier nerven, ist jetzt oft zu hören, dieser ewige Tiki-Taka-Fußball, und dann spielen sie auch noch ohne Stürmer! Die Elf hat ihren Ballbesitz-Fußball auf fast diabolische Art perfektioniert, die Generation um Xavi und Iniesta ist auf der Höhe ihres Schaffens. Ein Ende des Imperiums ist nicht in Sicht.

Claudio Catuogno

Imperien gehen selten ohne Vorwarnung unter. Meistens beginnt es, an den Rändern zu bröckeln, Achtungserfolge wahren noch eine Weile den Schein, aber irgendwann kommt die Implosion. Der deutsche Weltmeisterfußball von 1990, auf Jahre hinaus für unschlagbar erklärt, setzte sich 1996 sogar noch Europas Krone auf, ehe vier Jahre später Schluss war mit der Illusion von der ewigen Wettbewerbsfähigkeit. So ähnlich ergeht es Frankreich bis heute.

Spain v France - UEFA EURO 2012 Quarter Final

Perfekte Raumaufteilung: die spanische Elf gegen Frankreich.

(Foto: Getty Images)

Beim Weltmeister von 1998 und Europameister von 2000 hat immer auch die Sehnsucht nach gloire mitgespielt, und diese Größe zog der französische Fußball aus der Vielfalt seiner Gesellschaft. Zidane: Sohn algerischer Einwanderer. Djorkaeff: armenischer Abstammung. Desailly: in Ghana geboren. Karembeu: aus Neu-Kaledonien. Dazu der Baske Lizarazu und der schlohweiße Deschamps.

Der französische Fußball war das Maß aller Dinge damals, er verband gesellschaftliche Botschaft mit erfolgsorientierter Ästhetik. Dann setzte er Rost an. Der Kopfstoß des alten Zinédine Zidane im WM-Finale 2006 ist das Letzte, was von der Dynastie in Erinnerung ist.

Das Beständigste am Fußball ist, dass er immer neue Zyklen hervorbringt. Die Équipe Tricolore ist heute wieder in ethnische Grüppchen zerfallen und verzweifelt an der einstigen Größe. Die DFB-Elf ist einen Schritt weiter, in Sachen Fußballmoderne wie auch in Sachen Integration. Ihr fehlt aber, was eine neuerliche Ära begründen könnte: ein Titel. Und damit also zu den Spaniern, den Herrschern der Gegenwart.

Die Spanier nerven, ist jetzt oft zu hören, dieser ewige Tiki-Taka-Fußball, und dann spielen sie auch noch ohne Stürmer! Ist das schon das Bröckeln am Rand? Eher nicht. Die Spanier haben ihren Ballbesitz-Fußball auf fast diabolische Art perfektioniert, die Generation um Xavi und Iniesta ist auf der Höhe ihres Schaffens - und ihre Erben werden längst geschult.

Es wird weniger an eigenen Versäumnissen liegen, sollten sie bei dieser EM gebremst werden. Sondern an den Strategien ihrer Gegner. Der deutsche Bundestrainer tüftelt seit Jahren am Anti-Spanien-Plan, die Italiener haben es beim 1:1 in der Vorrunde gut gemacht, auch die Kroaten waren bis zum späten Gegentor auf keinem schlechten Weg mit ihrer Mischung aus Standfestigkeit und bedingungsloser Konzentration.

Die Franzosen hatten keine taugliche Strategie gegen die Spanier. Sie haben dafür oft darauf hingewiesen, dass dieses Spiel mit Zinédine Zidanes 40. Geburtstag zusammenfällt.

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