Die Zeitung Marca rechnet vor, dass der Kader der spanischen Nationalmannschaft nun auf insgesamt 233 Titel kommt, mehr als zehn im Durchschnitt pro Spieler. Darunter sind auch ein paar unbedeutende nationale Supercups und Erfolge mit Jugend-Nationalmannschaften. Dennoch verdeutlich es den unstillbaren Hunger nach Pokalen in dieser vielleicht besten Spielergeneration eines Landes, die es bisher gab. Diese Generation schaffte zum ersten Mal, nach EM- und WM-Sieg wieder Europameister zu werden. Kurzporträts der spanischen Triple-Generation und ihrer Helfer. Aus Kiew von Thomas Hummel
EM-Einzelkritik der Spanier
Iker Casillas
Iker Casillas: Kapitän, Rekordnationalspieler mit 137 Länderspielen, freute sich mit 31 Jahren (kein Alter für einen Torwart!) über seinen 18. Titel, Teil der Triple-Spanier-Generation mit dem EM-Sieg 2008, WM-Sieg 2010 und EM-Sieg 2012. Einen solch guten Torwart hätte diese Mannschaft eigentlich gar nicht nötig. Hielt im ersten Spiel gegen Italien einige Male grandios. Sagte nach dem Spiel in Kiew: "Wir sind es gewohnt zu gewinnen." Lieferte in Johannesburg noch die Klatsch-Story, als er vor laufender Kamera seine Freundin und Moderatorin Sara Carbonero küsste. Als sie sich diesmal lediglich umarmten, erinnerte ihn ein spanischer Radioreporter an ein Versprechen, dass es auch nach diesem Titel einen Kuss geben sollte. Daraufhin erhielt der Radioreporter von Iker Casillas einen Schmatz.
EM-Einzelkritik der Spanier
Alvaro Arbeloa
Alvaro Arbeloa: Gehört überraschenderweise auch zur spanischen Triple-Generation. Durfte bei der EM 2008 im unbedeutenden letzten Gruppenspiel ran und bei der WM 2010 immerhin noch 15 Minuten gegen Honduras. Diesmal aber Stammspieler. Besetzte die Problemposition des Rechtsverteidigers, weil Sergio Ramos nach dem Ausfall von Carles Puyol in die Mitte rutschte. Füllt diese Position auch bei Real Madrid zumeist tadellos aus, wobei er als einziger braver Zuarbeiter dieser spanischen Nationalmannschaft gelten muss. Darf froh sein, Teil dieses Kaders zu sein. Holte bislang in seiner Karriere fünf Titel, davon drei mit der Nationalmannschaft.
EM-Einzelkritik der Spanier
Sergio Ramos
Sergio Ramos: Vor einigen Wochen noch die Lachnummer der Fußballwelt. Zumindest der Münchner. Drosch im Champions-League-Halbfinale einen Elfmeter für Real Madrid Richtung Mond. Wie cool diese Spanier sind, zeigte sich dann im Halbfinale der EM: Sergio Ramos lief wieder an und hob den Ball lässig in die Mitte des Tores. Der Andalusier mimte nach dem Schlusspfiff vor dem spanischen Fanblock einen Stierkampf-Torero, allerdings wesentlich gekonnter als Mario Gomez und mit echtem Stierkampf-Tuch. Einziger dauerhafter Teil des Barcelona-Tiki-taka der spanischen Nationalmannschaft, der seit vielen Jahren bei Real Madrid spielt. Teil der Triple-Spanier-Generation, bei der EM 2008 und der WM 2010 noch Außenverteidiger, diesmal robuster Vertreter von Carles Puyol in der Mitte.
EM-Einzelkritik der Spanier
Gerard Piqué
Gerard Piqué: Spanier mit der berühmtesten Freundin: Sängerin Shakira. Manch einer glaubte während dieser Saison schon, dass dem Verteidiger sein Ruhm zu Kopf gestiegen sei, doch dieser Verdacht legte sich bald wieder. Ist immer noch der galanteste unter den härtesten Abwehrspielern der Welt. Eröffnet ganz hinten das spanische Tiki-taka mit gestochenen Flachpässen. Wird in der innerspanischen Titelgeneration mit 20 Pokalen auf Rang vier geführt, einige Titel entspringen aber seiner Zeit bei Manchester United, wo er nur Ersatzspieler war. Kein Teil der Triple-Spanier, 2008 noch nicht im Kader. Dafür kann er mit 25 Jahren auf einen WM-Titel, einen EM-Titel, zwei Champions-League-Siege und alle möglichen weiteren Siege verweisen.
EM-Einzelkritik der Spanier
Jordi Alba
Jordi Alba: Der 23-Jährige gehört keiner Triple-Generation an, sondern gewann in Kiew seinen ersten Titel überhaupt. Und dass mit seinem ersten Länderspieltor. Löste das einzige Problem, das die WM-Spanier von 2010 noch hatten: die Linksverteidiger-Position. Zeigte vor seinem Final-Tor, dass er die 70 Meter in weniger als drei Sekunden zurücklegen kann. Wechselte während des Turniers vom FC Valencia zum FC Barcelona für 14 Millionen Euro, um dort das einzige Problem zu lösen: die Linksverteidiger-Position.
EM-Einzelkritik der Spanier
Sergio Busquets
Sergio Busquets: Oft übersehenes Mitglied der besten Mittelfeldreihen der Welt: des FC Barcelona und der spanischen Nationalmannschaft. Wirkt als Zulieferer im defensiven Bereich für Xavi und Iniesta, erfüllt diesen Auftrag mit der Ruhe eines katalanischen Bahnhofsvorstehers. Kein Triple-Mitglied, 2008 zweikämpfte noch Marcos Senna in der zentralen Mitte. Liegt aber in der innerspanischen Titelwertung mit 16 Erfolgen auf Platz sechs. Und das mit knapp 24 Jahren.
EM-Einzelkritik der Spanier
Xabi Alonso
Xabi Alonso: War zwar bei der EM 2008 in Österreich noch ein Ergänzungsspieler, gehört dennoch zu den Triple-Spaniern. Spielte damals noch in der englischen Premier League und stand bei den Spaniern nicht so ganz im Fokus. Dabei war er schon Teil des Liverpooler Wunders 2005 im Champions-League-Finale gewesen, als die Engländer ein 0:3 gegen den AC Mailand aufgeholt hatten. Vermutlich deshalb ohne Angst im Finale gegen Pirlo und De Rossi. Der 30-Jährige (im Bild mit Ehefrau Nagore Aramburu) bringt zwischen all den filigranen Feinfüßen den bärtig-männlichen Aspekt ins spanische Spiel. Haut schon mal aus der Ferne drauf oder legt hinten einen Gegenspieler aus Kreuz. Machte im Viertelfinale gegen Frankreich, seinem 100. Länderspiel, zwei Tore. Liegt in der innerspanischen Titel-Rangliste mit neun Pokalen auf Rang neun.
EM-Einzelkritik der Spanier
Xavi
Xavi: "Wenn ich mich gut fühle, werde ich bei der WM in Brasilien dabei sein." Dieser Satz des Mittelfeldspielers Xavi Hernandez ist für den Rest der Fußballwelt die ultimative Drohung. Die Hoffnung, das Gehirn des spanischen Tiki-takas würde es mit 32 Jahren nun mal gut sein lassen, schwindet. Hatte Probleme in diesem Turnier, fand lange nicht zu seiner gewohnten Dominanz. Vor allem die Portugiesen setzten ihm arg zu, wurde im Halbfinale sogar ausgewechselt. Im Finale allerdings mit der unwiderstehlichen Präsenz und einem Pass zum 2:0, den kein Computerspiel jemals so hart und scharf auf ein Grün zaubern kann. Mit 115 Länderspielen und 24 Titeln die Nummer eins der spanischen Triple-Generation.
EM-Einzelkritik der Spanier
Andrés Iniesta
Andrés Iniesta: Das Tor sei nicht das Wichtigste im Fußball, sagte Andrés Iniesta nach dem Spiel, es sei egal, wer es schieße. Da könnte er recht haben, denn das Wichtigste in dieser spanischen Mannschaft sind seine Pässe, seine Antritte, seine Dribblings. Als das spanische Spiel einzuschlafen drohte, kam der 28-Jährige und durchsäbelte die gegnerische Abwehr mit einem Steilpass knapp über der Grasnarbe auf Ces Fàbregas, der das 1:0 vorbereitete (siehe Finale). Wurde völlig zurecht zum "Mann des Finals" gewählt, sagte danach: "Ich wollte eigentlich nur Profi-Fußballer werden", an all diese Titel habe er nie gedacht. Sammelte nun schon 24 davon und führt mit Xavi die Liste der Triple-Spanier an. Denn er hat ja auch schon dreimal die Champions-League gewonnen.
EM-Einzelkritik der Spanier
David Silva
David Silva: Einziger Stammspieler, der nie bei Real Madrid oder dem FC Barcelona spielte (und auch nicht während der EM von einem der Nobelklubs gekauft wurde). Ging direkt vom FC Valencia zu Manchester City und gewann dort, wie könnte es anders sein, in diesem Jahr zwei Titel. Dennoch mit sieben Pokalen nur auf Platz 14 der innerspanischen Titelreihenfolge notiert. Passt aber mit seinem kleinteiligen Passspiel, seinem schnellen Antritt und guter Übersicht ideal zum Tiki-taka der Barca-Spieler. Deshalb schon 2008 bei der EM Stammkraft, bei der WM in Südafrika oft auf der Bank, jetzt wieder in der ersten Elf. Dürfte irgendwann ein Angebot aus Barcelona erhalten.
EM-Einzelkritik der Spanier
Cesc Fàbregas
Cesc Fàbregas: Bekam den Titel der "falschen Neun" von seinem Trainer Vicente del Bosque. Ein Mittelfeldspieler, der auf der Stürmerposition spielen muss. Fàbregas war das Sinnbild der spanischen Konsequenz: Lieber einen Spieler aufstellen, der sich im Tiki-taka auskennt, als einen Stürmer, der nur Tore schießen will. Für den 25-Jährigen war del Bosques Plan ein Segen, denn sonst wäre er wohl wieder dem Überangebot an Weltklasse-Mittelfeldspielern im Kader zum Opfer gefallen. Durfte allerdings wieder kein Spiel über 90 Minuten absolvieren und blieb wie 2008 und 2010 der beste Ergänzungsspieler des Turniers.
EM-Einzelkritik der Spanier
Fernando Torres
Fernando Torres: Schnappte Mario Gomez zehn Minuten vor Turnierschluss noch die Torjägerkrone weg. Erzielte im Finale seinen dritten Treffer, von den sechs Spielern, die je drei Tore bei dieser Endrunde erzielten, verbuchten nur der Spanier und der Deutsche zusätzlich eine Vorlage. In diesem Fall entschied die kürzere Einsatzzeit für Torres. Insofern lohnte sich sogar das Auf-der-Bank-Sitzen für den 26-Jährigen. Ist der erste Spieler, der in zwei EM-Finals traf, nach seinem 1:0 in Wien gegen Deutschland 2008. Saß auch beim FC Chelsea viel auf der Bank, dennoch setzte er weiter Maßstäbe: Zusammen mit Mitspieler Juan Mata ist er nach Landsmann Luis Suárez 1964 und vier Niederländern 1988 einer der wenigen, die in einer Saison die Champions League (Europapokal der Landesmeister) und die EM gewinnen.
EM-Einzelkritik der Spanier
Juan Mata
Juan Mata: Durfte sechs Minuten (Inklusive Nachspielzeit) ein EM-Finale erleben und dabei auch noch ein Tor schießen. Gewann damit in einer Saison Champions League (mit dem FC Chelsea) und EM-Titel. Blieb wie 2010 aber ein Beiwerk der großen Xaviniesta-Gruppe.
EM-Einzelkritik der Spanier
Pedro Rodríguez
Pedro Rodríguez: Hat mit 23 Jahren bereits 16 Mal einen Titel gewonnen. Gehört der Pokalmaschinerie des FC Barcelona an. 2008 allerdings noch bei Barcelona B im Einsatz, verschreckte er 2010 in Durban schon die Deutschen im Halbfinale der WM mit seinem hibbeligen aber gekonnten Dribbel-Stil. War auch diesmal die Außenstürmer-Einwechsel-Variante der Spanier, brachte immer frischen Elan mit.
Javi Martinez, Alvaro Negredo, Jesus Navas, Fernando Llorente, Santi Cazorla, Juanfran, Raúl Albiol: Mit Sicherheit die stärkste Ersatzbank der Welt. Für Javi Martinez, Mittelfeldspieler von Athletic Bilbao soll der FC Bayern München bereit sein, 40 Millionen Euro auszugeben.
Victor Valdez, l., und Pepe Reina: Die erfolgreichsten Ersatztorhüter der Welt. Beide kommen zusammen auf 31 Titel.