EM der Frauen in Schweden:Nadine Angerer macht Deutschland zum Europameister

Spektakuläres Finale der Frauenfußball-EM in Schweden: Torfrau Nadine Angerer wehrt zwei Elfmeter ab, die eingewechselte Anja Mittag erzielt das entscheidende Tor. Die deutschen Fußballerinnen gewinnen gegen Norwegen - und feiern den achten EM-Titel der Verbandsgeschichte.

Von Kathrin Steinbichler, Solna

Als es vorbei war, als endlich abgepfiffen war, da hielt die deutschen Fußballerinnen nichts mehr. Wie entfesselt stürmten sie in der Arena von Solna auf Nadine Angerer zu und begruben sie unter sich. Zwei Elfmeter hatte die deutsche Torfrau im EM-Finale pariert - einmal vor und einmal nachdem Anja Mittag getroffen hatte (49. Minute). Am Ende feierte die deutsche Elf ihr hart erkämpftes 1:0 und den achten Europameister-Titel. "Es ist phänomenal, dass wir es geschafft haben, einfach geil", fand Angerer. Bundestrainerin Silvia Neid sagte: "Es war ein Spiel auf Augenhöhe, ein ganz schweres Finale. Es macht mich sehr stolz, was diese junge Mannschaft geleistet hat." DFB-Präsident Wolfgang Niersbach schwärmte: "Was das Team nach dem Ausfall vieler Stammspielerinnen geleistet hat, verdient ein Riesenkompliment."

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Nadine Angerer (rechts) hielt zwei Elmeter, Deutschland ist Europameister.

(Foto: dpa)

Die Spielerinnen selbst suchten nach dem Abpfiff lange nach Worten für das, was an diesem Abend passiert war. "Ich bin ein bisschen sprachlos", sagte Mittag, "und sehr erleichtert. Ich muss das alles erst verarbeiten." Die 28-Jährige hatte im Finale zunächst zusehen müssen, nachdem Stürmerin Celia Okoyino da Mbabi nach ihrer Oberschenkelzerrung in die Startelf zurückgekehrt war. Doch in der ersten Halbzeit tat sich Deutschland schwer gegen das schnelle, aus einem dicht gestaffelte Mittelfeld herausspielende Norwegen. In der Vorrunde noch hatte Norwegen den Deutschen beim 0:1 in Kalmar die erste EM-Niederlage seit 20 Jahren zugefügt. Das erzeugte bei der jungen deutschen Mannschaft eine Trotzreaktion, wegen der sie nun überhaupt in diesem Finale stand. Und jetzt, an diesem Sonntagnachmittag vor den Toren der schwedischen Hauptstadt, wollte sich die deutsche Elf nicht noch einmal bezwingen lassen.

Doch gleich in den ersten Sekunden war Innenverteidigerin Annike Krahn erst einmal gezwungen, eine ihrer Spezialitäten zu zeigen: Nach einem verunglückten Abwehrversuch musste sie den Ball mit einem herzhaften Schuss aus der Gefahrenzone "herauspöhlen", wie sie es gern nennt. Nach 53 Sekunden staunte dafür Norwegen zum ersten Mal: Nadine Keßler hatte den Ball nach einem Freistoß von Dzsenifer Marozsan per Kopf an die Latte befördert. Insgesamt aber wirkte Norwegen zunächst gelassener und zugleich mutiger. Die deutsche Mannschaft zitterte sich von Pass zu Pass und wirkte derart zögerlich, dass sie oft im forschen Pressing der Norwegerinnen hängenblieb. Entsprechend unwirsch reagierte Bundestrainerin Neid an der Seitenlinie, immer wieder brüllte sie Anweisungen ins Feld.

Triumph auf der Linie

"Was gar nicht passieren darf, ist, dass wir in Rückstand geraten. Dann zieht sich Norwegen noch weiter zurück und baut zwei Viererketten auf", hatte Silvia Neid vor dem kompakten Spiel des Finalgegners gewarnt. Mehrmals musste ihr deshalb das Herz in die Hose gerutscht sein angesichts der Angriffe Norwegens, vor allem in der 29. Minute. Bis Nationaltorhüterin Nadine Angerer das einleitete, was man einen Triumph auf der Linie nennen kann.

Die rumänische Schiedsrichterin Cristina Dorcioman hatte auf Foulelfmeter entschieden, nachdem Nadine Keßler im Strafraum ungeschickt in den Zweikampf mit Cathrine Dekkerhus gegangen war (28.). Den scharf geschossenen Strafstoß von Trine Rönning aber wehrte Angerer mit einer tollen Parade ab - und holte so ihre Mannschaft zum ersten Mal aus der Schockstarre. Beim Pausenpfiff konnte die deutsche Elf dennoch froh sein, nicht mit einem Rückstand in die Kabine gehen zu müssen - hinten kämpfte die Neid-Elf ums Überleben, da blieb keine Präzision mehr für das Spiel nach vorne.

Dass zur Halbzeit trotzdem gute Stimmung aufkam, lag dann an den Gastgeberinnen: Die von Deutschland aus dem Turnier geworfenen Schwedinnen zogen mit einem Spruchband über das Spielfeld, um sich von ihren Fans zu verabschieden; die 40 301 Zuschauer im Nationalstadion von Solna jubelten ihnen frenetisch zu. Bei Wiederanpfiff kam dann Anja Mittag für Lena Lotzen ins rechte Mittelfeld.

Die Einwechslung hatte durchschlagenden Erfolg: Nach einer erneut druckvollen Anfangsphase der Norwegerinnen konnte sich Okoyino da Mbabi auf dem linken Flügel durchsetzen, ihre scharfe Hereingabe schob die in Malmö spielende Mittag zum 1:0 ins Tor (49.). "Dass ich in diesem Spiel, im Finale in Schweden treffe, ist natürlich Wahnsinn", meinte Mittag, "ich bin sehr glücklich. Wir sind alle überglücklich."

Schon bei der EM 2005 in England standen sich Deutschland und Norwegen im Finale gegenüber, Deutschland gewann damals 3:1. "Es wäre gut, Rache zu nehmen", hatte Norwegens Trine Rönning vor dem Spiel in Solna gemeint; die 31-jährige Innenverteidigerin hat die Finalniederlage damals miterlebt. Doch dann hielt Angerer, die zur besten Spielerin des Finales gekürt wurde, erst ihren Strafstoß (29.) und später auch noch mit einer erneut gelungenen Parade einen weiteren Foulelfmeter von Solveig Gulbrandsen (61.). "Dass Natze in einem Finale einen Elfmeter hält, das kennen wir ja von der WM 2007. Aber dass sie gleich zwei hält, so etwas habe ich noch nicht erlebt", jubelte Saskia Bartusiak. "Sie hat ihre ganze Klasse unter Beweis gestellt", lobte Bundestrainerin Neid.

Das war, bevor sie und Angerer in der Pressekonferenz von der vorbeiziehenden Mannschaft mit Getränken übergossen wurden. "Wir haben in dem Turnier zum richtigen Zeitpunkt den Schalter umgelegt und können zu Recht stolz auf uns sein", meinte Angerer. Dann ging auch sie feiern.

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