Uefa:Alles dem Geschäft unterzuordnen, ist auch politisch

Uefa: Hat gerade Ärger an vielen Fronten: Uefa-Präsident Aleksander Ceferin.

Hat gerade Ärger an vielen Fronten: Uefa-Präsident Aleksander Ceferin.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Wer Spiele nach Aserbaidschan gibt und Werbebanden an Katar verkauft, sendet selbst ohne Regenbogen-Verbot politische Signale. Die Toleranz-Kampagnen des Fußballs entlarven sich selbst als schöner Schein.

Kommentar von Claudio Catuogno

Sportfunktionäre? Kann man alle in einen Sack stecken und draufhauen, es trifft immer den Richtigen. Das ist zumindest der Eindruck, den zum Beispiel die Fifa, das IOC und der DFB seit Jahren bestätigen. Man kann da die Vorgänge im Deutschen Fußball-Bund unter Interimspräsident Rainer Koch anführen: das Schmierentheater um eine mutwillig gesprengte Ethikkommission, die jetzt ihre wichtigste Ermittlung nicht fortführen kann - jene gegen Koch.

Oder das taktische Irrlichtern des Internationalen Olympischen Komitees und seines Präsidenten Thomas Bach rund um die Sommerspiele in Tokio, die gegen jeden Expertenrat zu einem "Licht am Ende des Pandemietunnels" verklärt werden, während das Ende dieses Tunnels noch gar nicht in Sicht ist, jedenfalls nicht in der globalen Perspektive.

Besonders skrupellos: Gianni Infantino, der Chef des Fußball-Weltverbands Fifa. Bei ihm kommt alles zusammen, von Einflussnahme auf die Justiz über angelogene Compliance-Instanzen bis zum Versuch, Teile des Weltfußballs an Investoren zu verscherbeln.

Europas Fußball-Union wirkte da zuletzt wie ein Gegenpol. Die Uefa war die letzte Bastion gegen Infantinos Weltherrschafts-Fantasien. Und Korruptionsaffären sind auch keine bekannt, seit der Slowene Aleksander Ceferin das Präsidentenamt 2016 vom Blatter-Zögling und Infantino-Mentor Michel Platini übernahm. Ja, es war Ceferins Uefa, die ihre Europapokal-Wettbewerbe immer weiter aufblähte und die reichen Klubs immer reicher werden ließ. Letztlich wollten das aber die Klubs.

Die Uefa färbt ihr eigenes Logo bunt - um etwas zu retten, was nicht mehr zu retten ist

Nun steht die Uefa allerdings im Feuer - zu Recht. Erst die Quasi-Erpressung der EM-Orte, in jedem Fall Zuschauer in die Stadien zu lassen, Pandemie hin oder her, an deren Ende Bilbao und Dublin tatsächlich die Spiele entzogen wurden. Nun die Forderung nach Quarantäne-Erleichterungen für VIP-Delegationen am Finalort London. Und dann auch noch das Verbot, die Münchner Arena als Zeichen für Toleranz beim Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben zu illuminieren, weil dies eine "politische Aktion" sei.

Ist Toleranz politisch? Natürlich nicht, Toleranz ist universell, deshalb kann man das Verbot mit gutem Grund einen Skandal nennen. Andererseits hatte der Münchner Stadtrat die Aktion explizit politisch begründet - als konkrete Reaktion auf Ungarns jüngste, zugegebenermaßen unerträgliche, homophobe Gesetzgebung. Das machte es der Uefa schwer, den Antrag mit ihren Neutralitäts-Statuten in Einklang zu bringen. Nun färbte die Uefa am Spieltag in den sozialen Netzwerken ihr eigenes Logo bunt ("Die Uefa respektiert den Regenbogen") - was aber nur wie ein hilfloser Versuch wirkte, etwas zu retten, was nicht mehr zu retten ist.

Das Problem: Die Behauptung, sie sei unpolitisch, führt die Uefa bei dieser EM selbst ad absurdum. Wenn man vier EM-Spiele nach Aserbaidschan vergibt, wissend, dass der dortige Machthaber sie politisch instrumentalisieren wird, ist das auch ein politisches Signal: jenes, dass man kein Problem damit hat. Gleiches gilt für die Werbebanden, die an (Staats-)Firmen aus China, Russland oder Katar verkauft sind. Da kann man noch so oft "Respekt" oder "Equal Game" oder den Regenbogen posten, es entlarvt sich als schöner Schein. Alles dem Geschäft unterzuordnen, ist auch eine politische Haltung.

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