Polens Robert Lewandowski:Die Einsamkeit des Weltfußballers

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Kann Robert Lewandowski auch ohne so gute Kollegen wie im Verein bei der EM etwas ausrichten? (Foto: Lars Baron/Getty Images)

"Robert war ein bisschen allein": Nach Polens Auftaktniederlage gegen die Slowakei nimmt Trainer Paulo Sousa seinen Stürmer in Schutz - und gerät selbst in die Kritik.

Von Sebastian Fischer, Sankt Petersburg

Paulo Sousa ist in seinem Leben für den Fußball weit gereist. Er spielte in Vereinen von Turin bis Athen, trainierte Mannschaften auf mehreren Kontinenten. Aber er musste polnischer Nationalcoach werden, um sich mit dem Vorwurf konfrontiert zu sehen, zur Enttäuschung eines gesamten Landes beigetragen zu haben. "Ganz Polen ist wütend", so begrüßte ihn ein mitgereister Journalist in der Video-Pressekonferenz, als Sousa nach dem 1:2 gegen die Slowakei im ersten EM-Spiel der Polen im Stadion im Sankt Petersburg saß. Und das alles, weil er eine Aufgabe bislang nicht lösen kann, von der er wusste, dass es seine wichtigste sein würde.

Sousa, 50, ist erst seit Januar Polens Nationaltrainer, das ist wenig Zeit, um eine Landesauswahl auf ein Turnier vorzubereiten. Er musste seine Prioritäten also gut sortieren. Eine seiner ersten Amtshandlungen war es, seinen wichtigsten Spieler in München zu besuchen: Robert Lewandowski, der damals gerade zum Weltfußballer gekürt worden war. Sousa Vorgänger Jerzy Brzeczek war nicht zuletzt an seinem schwierigen Verhältnis zu Polens Kapitän gescheitert. Das sollte Sousa nicht passieren.

Polen bei der Fußball-EM
:Lewandowski wird ausgebremst

Die Slowakei schafft, woran viele verzweifeln: Sie kriegt den Weltfußballer im ersten EM-Spiel in den Griff und gewinnt 2:1. Polens Trainer Paulo Sousa gibt zu: "Lewandowski wurde ein bisschen allein gelassen."

Von Sebastian Fischer

Und nun, am Montagabend, musste Sousa zugeben, dass doch wieder geschehen war, was seit Jahren das Problem ist, wenn Polen nicht so gut spielt, wie es eine Mannschaft mit dem Weltfußballer in seinen Reihen verheißt. "Es ist richtig", sagte der Trainer: "Robert war ein bisschen allein, besonders in der ersten Hälfte."

Von allen Feldspielern hatte Lewandowski die wenigsten Ballkontakte, 37 nur

Lewandowski, 32, ist in starker Form, das hat seine Bundesligasaison mit 41 Toren gezeigt, und deshalb kann man sich vorstellen, wie er, der so furchtbar Ehrgeizige, gehofft hat, dass er diese Verfassung im vierten großen Turnier zum ersten Mal auch für sein Land so richtig zeigen kann. Doch jetzt, wo in der Gruppe noch zwei Spiele gegen Spanien und Schweden anstehen, von denen fürs Weiterkommen eher keines mehr verloren werden darf, musste er im polnischen Sender TVP erst mal konstatieren: "Wir haben gegen den theoretisch schwächsten Gegner der Gruppe verloren, das bringt uns in eine schwierige Position."

Lewandowski hatte während der Niederlage selbst eine unglückliche Figur gemacht. Er hatte oft Pässe gefordert, die er nicht zugespielt bekam. Wie aus Aktionismus schien er mal hier und mal da hin zu laufen, es blieb jedenfalls ohne Wirkung. Am Ende hatte er, man kennt solche Auftritte von ihm bisweilen auch aus München, von allen polnischen Feldspielern auf dem Platz die wenigsten Ballkontakte in der Statistik stehen, 37 nur.

Die Frage, die sich nun stellt, ist nicht neu, sie ist eine wiederkehrende im Fall von eher soliden Nationalmannschaften wie der polnischen mit einem herausragenden Einzelspieler: Kann er auch ohne so gute Kollegen wie im Verein etwas ausrichten, zumal nicht unbedingt als geborener Teamplayer? Kann er trotzdem den Unterschied ausmachen?

Sousa betonte immer wieder, es müsse nun trotz allem positive Stimmung herrschen - was auch ihm helfen würde, nicht erst seit dieser Niederlage wird er in Polen skeptisch beäugt. Er benannte taktische Fehler von Lewandowskis Mitspielern als ausschlaggebend für das schwache Spiel. Mateusz Klich und Karol Linetty, die Flügelstürmer, hätten ihre Position von Anfang an so interpretieren sollen, dem einzigen Stürmer Lewandowski und dem hinter ihm spielenden Piotr Zielinski näher zu sein. Nach Korrekturen in der Halbzeit glich Linetty unmittelbar den slowakischen Führungstreffer aus der ersten Hälfte aus, Polen spielte nun für eine Weile so, dass es durchaus erfolgversprechend aussah. Bei der EM 2016, als die Auswahl bis ins Viertelfinale vorgerückt war, hatten auch die Spieler um Lewandowski herum entscheidenden Anteil, weil sie ihn entlasteten.

Es war Außenseiter Slowakei, der zeigte, wie es gehen kann

Doch die Mannschaft schleppt in diesem Jahr ein paar Schwächen mehr mit sich herum als vorherige Generationen. Das zeigte etwa das naive Abwehrverhalten vor dem slowakischen Führungstreffer, als der Ball von Torhüter Wojciech Szczesnys Rücken ins Tor prallte, nachdem der frühere Nürnberger Robert Mak sich von weit draußen nahe der Eckfahne gegen zwei Polen bis vors Tor gedribbelt und mit seinem Schuss den Pfosten getroffen hatte. Und das zeigte auch das fahrlässige Zweikampfverhalten von Mittelfeldspieler Grzegorz Krychowiak, der beim Stand von 1:1 mit Gelb-Rot vom Platz musste. Kurz darauf kippte das Spiel.

Es war die Slowakei, der Außenseiter, der zeigte, wie es gehen kann. Mit einem einfachen, stur durchgezogenen Defensivplan, der wie eine wechselnde und vielbeinige Manndeckung für Lewandowski aussah, "neutralisierten" sie ihn, wie Trainer Stefan Tarkovic sagte. Gleichsam brachte das ihren eigenen besten Spieler in Position: Milan Skriniar, der Verteidiger von Inter Mailand, war der Turm in der Defensive. Und er entschied das Spiel, saubere Annahme nach einer Ecke, kompromissloser Flachschuss, das Siegtor. Fast wie Robert Lewandowski in seinen besten Momenten.

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