Italien ist der erste Finalist der Europameisterschaft 2021. Die Italiener besiegten Spanien im Elfmeterschießen mit 4:2 und treffen im Endspiel nun auf den Sieger aus der Partie, die England und Dänemark am Mittwoch ebenfalls im Wembley-Stadion austragen werden.
Spaniens Trainer Luis Enrique war wegen der Verletzung von Stürmer Pablo Sarabia gezwungen, eine Änderung vorzunehmen, doch er beließ es nicht dabei. Er setzte erstmals bei dieser EM in Álvaro Morata seinen etatmäßigen Mittelstürmer auf die Bank. Und das bedeutete, dass er Dani Olmo von RB Leipzig als "falschen Neuner" aufbot, um den italienischen Innenverteidiger Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini keine Anhaltspunkte zu geben. Und das ging gar nicht mal so schlecht auf.
Das neue Italien, es sah sich bald ins alte, für überholt gehaltene Klischee zurückgedrängt, und das hieß: in die Rolle des raffiniert, taktisch klug verteidigenden Teams. Aber das war nichts, womit man sich nicht wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser fühlte. Die Spanier monopolisierten den Ball, streichelten ihn, hüteten ihn, spielten ohne Hast und ohne Unterlass. Doch den zuletzt als Tikitaka-Imitat gefeierten Italienern verrutschten die Frisuren nicht einmal um einen Zentimeter.
Mochten hier und da Pedri, Busquets oder der fantastisch aufgelegte Olmo die eine oder andere Delikatesse bieten - den Italiener reichte es, darauf zu spekulieren, mit Pässen hinter die weit vor dem eigenen Strafraum gezogene, letzte Abwehrlinie der Spanier für Verwirrung zu sorgen. Das offenkundige Ziel: Spaniens Torwart Unai Simón zu Ausflügen zu verleiten.
Nach der Pause gewinnt die Partie an Tempo und Abwechslungsreichtum
Fast wäre das Rezept aufgegangen. Genauer: als Simón in der 22. Minute sich jenseits der Strafraumgrenze verlief wie unbedarfte Touristen in der Londoner Metro. Emerson passte auf Barella, und nur weil dieser sich entschließen konnte, das nahezu verwaiste Tor anzuvisieren, konnte Busquets die Situation entschärfen. Kurz danach kamen wiederum die Spanier zu einer grandiosen Chance: Olmo schoss aus elf Metern aufs Tor und zwang Torwart Gianluigi Donnarumma zu der einzigen brillanten Parade der ganzen ersten Halbzeit (25.). Denn der Schlusspunkt der ersten Halbzeit war ein Schuss gegen das Aluminium. Linksverteidiger Emerson, der den verletzten Leonardo Spinazzola (Achillessehnenriss) ersetzte, jagte den Ball aus spitzem Winkel ans Lattenkreuz. Kurz danach pfiff der deutsche Schiedsrichter Felix Brych zur Halbzeit.
Nach der Pause gewann die Partie an Tempo, an Abwechslungsreichtum, kurzzeitig an italienischer Ambition und auch an Chancen. Sergio Busquets zog übers Tor (52.), Simón musste in der 54. Minute gegen Federico Chiesa retten. Sechs Minuten später aber war er völlig machtlos.
Torwart Donnarumma pflückte eine Flanke aus der Luft und leitete umgehend einen italienischen Konter ein, der wie ein Skalpell ins Fleisch der Spanier schnitt. Drei, vier Pässe benötigten die Italiener, um Federico Chiesa am Strafraumeck in Position zu bringen. Die Offensivkraft schlenzte den Ball mit großer Kunstfertigkeit ins rechte obere Eck - und ließ Simón ohne Abwehrchance (60.). Mit der Führung war das Spiel wie gemalt für die Italiener - eigentlich. Da war es wieder, das alte, grausame Italien. Was sollte ihnen mehr behagen als eine Führung zu verteidigen, den Ahnen bei der EM gewissermaßen eine Hommage darzubringen, nachdem sie weltweit für ihren positiven, nach vorn gerichteten, durchdachten Fußball gelobt worden waren?
Luis Enrique schickte alles, was auf seiner Reservebank auch nur ansatzweise nach Tor roch, aufs Feld. Allen voran Stürmer Gerard Moreno vom FC Villarreal - und Álvaro Morata. Die Spanier erspielten sich Chancen: Oyarzabal streifte einen Koke-Chip in den Strafraum nur mit den Haarspitzen, der Ball flog am Tor vorbei (65.). Danach setzte Olmo einen von Oyarzabal abgelegten Ball knapp daneben. So blieb der Ausgleich Morata vorbehalten - ausgerechnet dem viel kritisierten Juve-Legionär. Innenverteidiger Aymeric Laporte spielte auf den Stürmer, der den Ball mit Tempo übers Feld trieb, den Doppelpass mit Olmo suchte - und Donnarumma schließlich verlud. Dieser Treffer aus der 80. Minute zum 1:1 bedeutete: Verlängerung, in der es fast nur vor dem Tor der Italiener zu Torgefahr kam. Vor allem in der 98. Minute, als der Ball nach einem Schuss von Morata wie eine Flipperkugel durch den italienischen Strafraum sprang. Doch dann kam das Elfmeterschießen.
Italien eröffnete, vergab aber durch Locatelli den ersten Elfmeter. Postwendend konnte Olmo den frühen Vorteil nicht nutzen und scheiterte ebenfalls. Die Spanier fanden nicht mehr zurück: Morata vergab den dritten Elfmeter und am Ende war es Jorginho, der den italienischen Finaleinzug perfekt machte.