Fußball-EM:Italien siegt im Spektakelspiel

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Im Halbfinale: Italiens Lorenzo Insigne jubelt. (Foto: Andreas Gebert/AFP)

Ein Spiel wie ein Finale: Italien besiegt den Mitfavoriten Belgien, weil es erst famos stürmt und dann hart verteidigt - im Halbfinale wartet Spanien.

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer, München

Am Ende mussten sie wirklich noch mal das tun, wofür man sie seit Jahrzehnten kennt, aufopferungsvoll, mit dem Einsatz längst aufgebrauchter Kräfte. Es liefen die letzten Minuten des Viertelfinalspiels gegen Belgien in München am Freitagabend, als sich Italiens Nationalspieler weit in die eigene Hälfte zurückzogen. Organisiert von Giorgio Chiellini, dem seit Ewigkeiten verteidigenden, 36 Jahre alten Kapitän, versperrten sie die Wege zu ihrem Tor, bis es geschafft war.

Mit dem Schlusspfiff, als die Tore von Nicolo Barella und Lorenzo Insigne den Sieg bedeuteten, klang es kurz, als hätten die Italiener ein Heimspiel in Monaco di Baviera, obwohl die Belgier dem Augenschein zufolge in größerer Zahl angereist waren. Doch es waren die Italiener, die nun sangen, weil sie den Favoriten mit 2:1 (2:1) geschlagen hatten. Mit einem Fußball voller Esprit, der sich nun, mit dem Einzug ins Halbfinale der Europameisterschaft, wo sie auf Spanien treffen, wohl endgültig bewährt hat.

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Das Spiel war von Beginn an seiner Klasse zufolge eines Finales würdig, es war ein fußballerisches Spektakel. Die Belgier hatten bislang im Turnier vor allem effektiv gespielt, wenige Chancen genutzt, gekontert. Am Freitag, so schien es, spielten sie erstmals mit offenem Visier, angriffsfreudig. Schon nach wenigen Minuten hatten sie mehrere Eckbälle vors Tor geschlagen, hinter dem sich die belgischen Anhänger versammelt hatten, die Abstandsregeln geflissentlich missachtend.

Umso länger das Spiel dauerte, desto mehr müssen die Belgier stürmen

"Ooh, Kevin De Bruyne", sangen sie, ihrem Spielmacher zu Ehren, dessen Einsatz infrage gestanden hatte. Der Mittelfeldspieler von Manchester City hatte sich beim 1:0 im Achtelfinale gegen Portugal am Sprunggelenk verletzt, doch er lief trotzdem von Beginn an auf, anders als Eden Hazard, der es gar nicht in den Kader geschafft hatte. De Bruyne trat nach 22 Minuten erstmals an, ein Haken, dann schoss er, Gianluigi Donnarumma im italienischen Tor musste sich strecken. Vier Minuten später fand De Bruyne auch Romelu Lukaku, den Stürmer, mit dem er sich so gut versteht. Wieder parierte der Torwart.

Doch danach sangen bald erst mal die Italiener im Stadion, ihre Hymne, schon während der ersten Halbzeit. Der erste italienische Jubel war noch vergebens, Leonardo Bonucci hatte im Abseits gestanden, bevor er den Ball in der 13. Minute über die Linie drückte, das korrigierte der Video-Assistent. Nach 31 Minuten schnürten die Italiener den Gegner dann aber erstmals in der eigenen Hälfte ein, im eigenen Sechzehner vielmehr. Am Strafraumrand gewann Marco Verratti den Ball, steckte ihn weiter auf Nicolo Barella, der sich um belgische Verteidigerbeine wand und traf. Es wurde der Beleg für ein großartiges Spiel des 24-Jährigen von Inter Mailand.

Romelu Lukaku (ganz hinten) bringt den Ball nicht im italienischen Tor unter. (Foto: Stuart Franklin/AP)

Auf Seiten der Italiener, die schon mit so überraschend rasantem Offensivfußball das Viertelfinale erreicht hatten, war Kapitän Chiellini in die Startelf zurückgekehrt, er hatte im Achtelfinale angeschlagen gefehlt. Sie waren gewappnet, diesmal mit aller Macht zu verteidigen. Doch es waren zunächst einmal mehr auch die Offensiven, die in Erscheinung traten.

Federico Chiesa, Schütze des entscheidenden Tores in der Verlängerung gegen Österreich, stand diesmal in der Startelf, er verfehlte nach 41 Minuten noch knapp aus der Distanz. Vier Minuten später dribbelte Lorenzo Insigne in Richtung belgischer Strafraum, der nur 1,63 Meter große Angreifer aus Neapel mit Bewegungen wie Wespenstichen. Er schlenzte den Ball aus der Ferne ins Tor, dorthin, wo ihn kein Torwart halten kann, auch nicht der so starke Belgier Thibaut Courtois. Insigne schien kaum zu wissen wohin mit seiner Freude, er machte nach seinem Jubellauf erst an der Mittellinie Halt.

Lukaku stolpert den Ball am Tor vorbei - und bleibt erstmal liegen

Belgien war keineswegs geschlagen, noch vor der Pause meldeten sie sich mit einem umstrittenen Elfmeter zurück. Jeremy Doku, der Eden-Hazard-Ersatz auf dem Flügel, mit 19 Jahren der Jüngste im Kader, fiel, nachdem ihn Di Lorenzo leicht berührt hatte. Lukaku traf kühl, es war sein viertes Turniertor.

Umso länger das Spiel dauerte, desto mehr mussten die Belgier stürmen, diese so hochtalentierte Auswahl an Spielern der goldenen Generation des Landes, die bei dieser EM eine ihrer letzten Chancen auf den ersten Titelgewinn wahrnehmen wollten. Es ging oft mit Tempo über Doku nach vorn, so auch in der 61. Minute, De Bruyne brachte den Ball in die Mitte, doch Lukaku stolperte den Ball am Tor vorbei. Daneben blieb er erstmal liegen. Zehn Minuten später sprang er an einer Flanke vorbei, es war nicht sein Spiel. Und es wurde auch nicht mehr das Spiel der Belgier.

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