Dänemark bei der EM:Hyggelig ins Viertelfinale

Dänemark bei der EM: Im Viertelfinale: Kasper Dolberg (oben rechts) mit seinen Mitspielern

Im Viertelfinale: Kasper Dolberg (oben rechts) mit seinen Mitspielern

(Foto: Koen van Weel/AFP)

"Ich kann kaum glauben, dass das alles Realität geworden ist": Die dänische Nationalmannschaft erlebt nach dem Albtraum nun einen Traum.

Von Ulrich Hartmann, Amsterdam

Die von branchenweiten Sympathien getragene Nationalmannschaft Dänemarks bringt sich bei der Fußball-Europameisterschaft mit zunehmendem Selbstvertrauen weiter in Stellung. Nach dem Schock um ihren kollabierten Spieler Christian Eriksen und zwei Niederlagen zum Auftakt zogen sie am Samstagabend in Amsterdam durch einen 4:0 (1:0)-Sieg gegen Wales ins Viertelfinale ein. Nach dem 4:1-Erfolg im finalen Gruppenspiel gegen Russland war es bereits das zweite Spiel nacheinander mit vier eigenen Treffern.

Unter der Leitung des deutschen Schiedsrichters Daniel Siebert erzielten Kasper Dolberg (27. und 48.), Joakim Maehle (88.) und Martin Braithwaite (90+4.) die Treffer. Der Waliser Harry Wilson sah in der 90. Minute nach überhartem Einsteigen die rote Karte. In der Runde der besten Acht bekommen es die Dänen am nächsten Samstagabend in Baku mit dem Gewinner der Sonntagspartie zwischen Tschechien und den Niederlanden zu tun.

"Es fühlte sich tatsächlich an wie ein Heimspiel"

Das Orange der niederländischen Fans in den drei Gruppenspielen in Amsterdam hatte sich am Samstag zum Achtelfinale in der Johan-Cruyff-Arena ins Rot der dänischen Fans verwandelt. Sie verkörperten nahezu vollständig die 16 000 zugelassenen Zuschauer und sorgten im Südosten Amsterdams für eine hyggelige Heimspiel-Atmosphäre. Fans aus Wales war die Einreise in die Niederlande nicht gestattet. Für die dänische Mannschaft fühlte sich das Spiel vielleicht nicht ganz so überwältigend an wie mit den 24 000 Fans im heimischen Kopenhagen, aber es genügte für einen atmosphärischen Vorteil. "Es fühlte sich tatsächlich an wie ein Heimspiel, es war fantastisch", schwärmte Dolberg.

Eriksen, der sich nach seinem Herzstillstand im Auftaktspiel mittlerweile daheim in Odense erholt und die Spiele seiner Kollegen im Fernsehen anschaut, hat von 2009 bis 2013 in dieser Arena für Ajax Amsterdam gespielt. Als vor dem Anpfiff, wie bei der EM üblich, meterlange überdimensionale Nationaltrikots beider Teams über den Rasen getragen wurden, erkannte man auf dem dänischen Trikot den Namen Eriksen samt seiner Rückennummer 10. Die Waliser überreichten dem dänischen Kapitän Simon Kjaer außerdem ein gerahmtes Nationaltrikot mit einer walisischen Widmung für Eriksen.

Dieser sah am Heimempfänger in Odense eine erste Halbzeit, in der die Dänen auch ohne ihren muskulär lädierten Mittelstürmer Yussuf Poulsen (RB Leipzig) haushoch überlegen waren. Sie scheuchten jene Waliser über den Platz, die in der Vorrunde mit im Schnitt 98,6 mannschaftlichen Kilometern pro Spiel am lauffaulsten waren. Der für Nizza spielende Dolberg, von 2015 bis 2019 bei Ajax daheim, erzielte in der 27. Minute vom Strafraumrand die 1:0-Halbzeitführung.

Dass die Dänen als Favorit gehandelt worden waren, hatte vor allem damit zu tun, dass sie nominell einfach besser besetzt sind. Fünf walisische Startspieler sind in England nur in der zweiten Liga aktiv. Andererseits hatten ähnlich mau eingeschätzte Waliser vor fünf Jahren in Frankreich das EM-Halbfinale (0:2 gegen Portugal) erreicht. Joe Allen und Gareth Bale sind aus jener Formation von 2016 noch übrig geblieben. Im Vergleich zu damals fehlte Wales diesmal jegliche Durchschlagskraft. "Wir sind eine junge Mannschaft und werden daraus lernen", sagte der Trainer Robert Page hinterher. "Für uns war schon das Erreichen des Achtelfinals eine große Leistung."

Erst der Albtraum, nun der erlösende Traum

Unmittelbar vor dem zweiten Treffer profitierten die Dänen davon, dass Referee Siebert ein vermeintliches dänisches Foul im Mittelfeld nicht geahndet hatte. Dolberg bekam in der 48. Minute im walisischen Strafraum einen Querschläger von Neco Williams genau vor die Füße und brauchte nur noch einzuschieben. Maehle und Braithewaite gaben den enttäuschenden Walisern mit ihren Toren am Ende den Rest.

"Ich kann kaum glauben, dass das alles Realität geworden ist", sagte der Trainer Kasper Hjulmand. Für ihn fühlt sich diese EM an wie ein Traum. Oder eher wie zwei: im ersten Spiel wie ein Albtraum und dann wie ein schöner, tröstlicher, erlösender Traum. "Ich bin dankbar für all die Unterstützung, die wir bekommen haben", schickte Hjulmand Grüße in die Fußballwelt hinaus. "Meine Jungs sind Krieger, ich bewundere, wie sie spielen."

Auf die Frage, ob sie sogar Europameister werden können, wollte sich Hjulmand allerdings nicht aus dem Fenster lehnen. "Immer mit der Ruhe", antwortete er. "Spiel für Spiel." Erstmals seit ihrem Titelgewinn 1992 können die Dänen am kommenden Samstag ins Halbfinale einer Europameisterschaft einziehen.

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