Es war wirklich fast alles so wie früher, sogar in den kleinen Details. Im Ferenc-Puskas-Stadion in Budapest wurde am Dienstag die erste Partie dieser EM ausgetragen (und eine der ersten in Europa seit dem Lockdown im Jahr 2020), in der eine Arena bis auf den letzten Platz gefüllt war - mit offiziell 61 000 Menschen. Und das bedeutete, dass es ratsam war, die eigenen Ohren zu schützen.
Das Detail: Auf der Nordtribüne standen im Unterrang auffällig viele Menschen in schwarzen Hemden, die sie als Sympathisanten der in vielerlei Hinsicht berüchtigten "Carpathian Brigade" auswiesen, einer Union vorrangig rechtsradikaler Hooligans. Das war schon deshalb interessant, weil bei internationalen Turnieren die Eintrittskarten wegen der großen Nachfrage kontingentiert und verlost werden. Aber siehe: Die Brigadisten hatten, welch Zufall, ihre Tickets am gleichen Fleck und formten einen Schwarzen Block.
Unter den Augen ihres Ministerpräsidenten Viktor Orbán machten sie auch ein bisschen Krawall: Als der Schiedsrichter berechtigterweise ein Tor des eingewechselten Szabolcs Schön annullierte (80.), flogen Flaschen, stürmte ein mutmaßlicher Hool auf den Rasen, auf der Tribüne wurde ein kleines Feuer entzündet. Doch just als die Atmosphäre zu kippen schien, wurde ausgerechnet Leipzigs Willi Orban nach bis dahin großartiger Leistung zur tragischen Figur - und spielte beim 3:0-Sieg der Portugiesen eine große Rolle.
Erst fälschte der Leipziger einen Schuss des Dortmunders Raphael Guerreiro unhaltbar ab (84.), dann verursachte er einen Foulelfmeter, den Cristiano Ronaldo verwandelte (87.). Am Ende sorgte der fünfmalige Weltfußballer nach schönem Solo auch noch für den 3:0-Endstand (90.+2). Es waren Ronaldos EM-Tore Nummer zehn und elf. Er steht nun in der ewigen Goalgetter-Liste des Turnieres allein vorn, zwei Tore vor dem Franzosen Michel Platini. Zudem ist er seit Dienstag auch in der Sparte EM-Teilnahmen vorne.
Ungarn schießt in der gesamten ersten Hälfte ein einziges Mal aufs Tor
Ungarns Trainer Marco Rossi war nach der Partie überaus geknickt - wegen des Spielverlaufs, und weil die Tore so spät fielen. "Man darf gegen Portugal schon mal mit drei Toren Unterschied verlieren. Aber nicht nach dem heutigen Spiel", urteilte er. Und dennoch: Das Spiel hielt aus deutscher Sicht eine Nachricht parat, die man im DFB-Lager nicht unbedingt gut finden dürfte. Gegen diese ungarische Mannschaft möchte man nicht auf einen Sieg zwingend angewiesen sein, und die Ungarn sind der dritte und letzte Gruppengegner des DFB-Teams. Gegen die Portugiesen, die am Samstag in München auf die Mannschaft von Joachim Löw treffen, bewiesen sie, dass sie sich darauf verstehen, mit einigem Geschick feinsten Beton anzurühren. Sie zogen sich ohne Gewissensbisse in ihre Hälfte zurück und folgten der Devise ihres italienischen Trainers Marco Rossi: Catenaccio! In der gesamten ersten Hälfte schossen sie ein einziges Mal aufs Tor - als der Mainzer Adam Szalai eine Freistoßflanke aus 14 Metern ohne Druck in die Arme von Portugals Torwart Rui Patrício köpfelte (37.).
Bis dahin war die Partie vor allem ein Duell zwischen Diogo Jota (FC Liverpool) und dem immens auftrumpfenden Peter Gulacsi. Zweimal packte der ungarische Torwart von RB Leipzig gegen Jota spektakulär die Hände aus: einmal bei einem Schuss aus 16 Metern, ein weiteres Mal bei einem Drehschuss aus kurzer Distanz. Danach hatte er das, was man Matchglück nennt: Als Ronaldo nach einer Hereingabe von Bruno Fernandes aus vier Metern übers Tor schoss.
Auch nach der Pause blieb Gulacsi im Fokus - als er in der 47. Minute einen Kopfballaufsetzer von Portugals Innenverteidiger Pepe aus der rechten unteren Ecke wischte, und als er einen Fernschuss von Bruno Fernandes in die linke Ecke parierte. Die Ungarn öffneten sich ein wenig, kamen durch Roland Sallai per Fernschuss zu einer Chance und zum annullierten Tor. Doch dann folgten die verdienten portugiesischen Treffer, die die Menschen im Puskas-Stadion zum Schweigen brachten, und der Rekord Ronaldos.
Dessen Trainer Fernando Santos nahm der Bestmarke seines Vorzugsschülers jede Wichtigkeit. "Für mich hat das keine Bedeutung. Und ich weiß auch, dass auch für Cristiano die drei Punkte das Wichtigste sind", sagte Santos. Ronaldo selbst sprach tatsächlich mit keiner Silbe über seinen Rekord. Schon am Vorabend hatte er ihn als irrelevant abgetan, wichtiger sei ihm, zum zweiten Mal Europameister zu werden.
"Ich bin froh über meine zwei Tore. Vor allem, weil ich damit dem Team helfen konnte", sagte der Stürmer von Juventus Turin nach der Partie in Budapest. Den Blick richteten beide aber schon auf die Partie am Samstag gegen die Deutschen - vor allem Fernando Santos: "Wir sind bereit."