Elf der Saison:Traumkörper, Taumler, Träumer

Ein junger Dribbler pflegt seinen Körper nur für den Strand, ein Verteidiger jagt den Jahrhundert-Rekord von Walter Frosch und ein Stürmer kann ein Buch über innere Monologe schreiben. Die Elf der Saison.

Jürgen Schmieder

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Elf der Saison:Thomas Kraft

FC Bayern Muenchen - Inter Mailand

Quelle: dapd

Ein junger Dribbler pflegt seinen Körper nur für den Strand, ein Verteidiger jagt den Jahrhundert-Rekord von Walter Frosch und ein Stürmer kann ein Buch über innere Monologe schreiben. Die Elf der Saison.

"Mit dem Torwartwechsel ging die Scheiße los!" Das waren die Worte von Uli Hoeneß nach der Entlassung von Louis van Gaal. Der Präsident des FC Bayern hatte sie nicht gegen Torwart Thomas Kraft gerichtet - aber er hat es genau so gesagt. Es war nicht der monatelange Zwist mit van Gaal, wobei der eine dem anderen Beratungsresistenz vorwarf und der andere dem einen erklärte, er möge doch mal in seinem Buch schmökern, um etwas zu lernen. Nein, nein, nein, es ging alles los, als plötzlich Thomas Kraft im Tor des FC Bayern stand. Kraft hielt nun wahrlich nicht schlecht - im Gegenteil: In manchen Spielen wie gegen Wolfsburg hielt er ganz formidabel. Er leistete sich nur zwei Fehler, nur leistete er sich diese Fehler zu denkbar schlechten Zeitpunkten: einen gegen Hannover, einen gegen Nürnberg. Kraft hat seinen Vertrag beim FC Bayern gekündigt, das Hoeneß-Zitat könnte ihn noch ein paar Jahre begleiten.

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Elf der Saison:Emanuel Pogatetz

VfB Stuttgart - Hannover 96

Quelle: dpa

Spielte bereits in der Schweiz, in Österreich, in England und in Russland. Hatte zwischenzeitlich laut transfermarkt.de einen Marktwert von mehr als sechs Millionen Euro. Wurde von Hannover 96 verpflichtet - und schon lag sein Marktwert nur noch bei knapp drei Millionen Euro, was nun wirklich keine Kritik an Hannover 96 sein soll. Wurde nach Hannover geholt, weil er beim FC Middlesborough genügend Erfahrung im Abstiegskampf gesammelt hatte. Und dann? Spielt Hannover plötzlich um die Qualifikation zur Champions League und wird in der kommenden Saison in der Europa League antreten. Und - schwupp - liegt der Marktwert des Österreichers bei 4,5 Millionen Euro. Ist damit sinnbildlich für diese Hannover-Elf, die ihren Marktwert binnen einer Spielzeit um 50 Prozent steigern konnte.

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Elf der Saison:Javier Pinola

Javier Pinola

Quelle: AP

Im Jahr 2009 hatte es eine beeindruckende Aktion der Nürnberger Fans gegeben: Die "Internettis" starteten pinola-muss-bleiben.de. 22.000 Club-Fans unterschrieben eine Petition - und Javier Pinola schließlich einen neuen Vertrag beim 1. FC Nürnberg. Vielleicht auch deshalb geschah in dieser Saison Unglaubliches. Die Nürnberger spielen ja gewöhnlich um den Aufstieg (aus der 2. oder 3. Liga) oder gegen den Abstieg (aus der 1. oder 2. Liga) - und gewöhnlich gibt es am Ende der Spielzeit ein Drama. In dieser Saison gab es das Drama bereits zu Beginn der Saison, als Pinola beim Spiel gegen den FC Bayern Bastian Schweinsteiger anspuckte. Nach seiner Sperre absolvierte er jede Partie von Beginn an, Nürnberg schaffte am Ende den sechsten Platz.

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Elf der Saison:Breno

FC Bayern Muenchen v Inter Milan - UEFA Champions League

Quelle: Bongarts/Getty Images

Wurde einmal als eines der größten Abwehrtalente aller Zeiten angepriesen. Spielte sehr selten, war aber zufälligerweise immer dann auf dem Feld, wenn gegnerische Stürmer schöne Tore erzielten und die Bayern-Verteidiger durch den Strafraum tapsten - etwas beim Hackentor von Grafite in der Saison 2008/09. Mittlerweile will kaum mehr jemand beim FC Bayern dafür verantwortlich sein, Breno gescoutet zu haben. Die Spur führt allerdings zu Paul Breitner. Wirkte bei seinen 13 Einsätzen in dieser Saison stets tapsig und taumelig - und war natürlich auf dem Feld, als der FC Bayern seine bitterste Minute erlebte. Leistete sich gegen Inter Mailand erst einen Stellungsfehler, ließ sich dann von Eto'o den Ball abluchsen und taumelte schließlich noch ein wenig im Strafraum, ehe Goran Pandev das 2:3 erzielte. Sinnbild für die Defensive des FC Bayern und damit für die gesamte Saison der Münchner.

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Elf der Saison:Maik Franz

Maik Franz faellt mit Mittelfussbruch bis zum Saisonende aus

Quelle: dapd

Walter Frosch kann über die Statistiken von Maik Franz nur milde lächeln: 13 gelbe Karten in 23 Saisonspielen hat Franz gesehen - und wird deutschlandweit als Rüpel und Zupfer und Zerrer und Prügler geächtet. Frosch kam in der Zweitliga-Saison 1976/1977 auf 27 Verwarnungen bei 37 Einsätzen, nur deshalb führte der DFB die Sperre nach vier (später fünf) gelben Karten ein. Am Ende seiner Karriere jedoch wird sich Franz niemals vorwerfen lassen müssen, nicht alles aus seinem Talent gemacht zu haben - und wenn es irgendwie gerecht zugeht auf dieser Welt, dann wird er auch noch geehrt. Wie sein Pendant beim Basketball, Dennis Rodman. Der war auch ein Rüpel und Zupfer und Zerrer und Prügler - und wurde vor wenigen Wochen in die Hall of Fame aufgenommen. Maik Franz steigt nun erst mal in die zweite Liga ab.

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Elf der Saison:Kevin Großkreutz

Borussia Dortmund - 1. FC Nürnberg

Quelle: dpa

Nein, an dieser Stelle keine Scherze über die Frisur von Kevin Großkreutz. Das hat der Mann nun wirklich nicht verdient, der die Fußballfans in ganz Deutschland in dieser Saison mit verbalen Köstlichkeiten verwöhnt hat. Eine kleine Auswahl:

"Die Verfolger interessieren uns einen Scheißdreck."

"10.000 Fans begleiten uns zu den Bayern. Die werden das für uns zu einem Heimspiel machen - in München ist ja eh nicht so viel los."

"Ich fühle mich nicht als Star. Außerdem sorgen meine Eltern und mein Berater Konstantin Liolios dafür, dass ich auf dem Boden bleibe und finanziell alles geregelt ist. Davon hab' ich nämlich keine Ahnung."

"Wenn wir mal zwei Spiele nicht gewinnen und das jemand schlecht redet, tut der mir leid."

"Ich hasse Schalke wie die Pest."

"Schön, wenn Marco Reus an einen Gladbacher Sieg glaubt. Wir werden aber alles dafür tun, den Titel im Borussia-Park einzutüten. Wenn ich dann nächste Woche beim Friseur war, schicke ich Marco eine Meister-Strähne."

"Ich fühle mich immer noch wie ein Fan."

"Wer abends in Dortmund ins Kino geht, braucht sich nicht zu wundern, wenn da plötzlich acht oder zehn Borussen im Saal sitzen."

"Ich wollte unbedingt eine BVB-Zuckertüte. Alle anderen Jungs hatten Autos auf ihrer, für mich gab es nur Schwarz-Gelb."

"Subotic sagt, ich sei Dortmunds schönster Mann!"

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Elf der Saison:Mario Götze

Borussia Moenchengladbach  - Borussia Dortmund

Quelle: dapd

Das Gesicht des Dortmunder Erfolgs. Wurde von Trainer Jürgen Klopp in der vergangenen Spielzeit behutsam (fünf Mal eingewechselt) aufgebaut - und schaffte in dieser Saison den Durchbruch. 32 Spiele, sechs Tore, 15 Assists - dazu vier Länderspiele. Steigerte seinen Marktwert innerhalb von zwölf Monaten um 1000 Prozent auf 12,5 Millionen. Sorgte mit seinen Dribblings dafür, dass sich während der Saison Kommenator Marcel Reif beinahe in ihn verliebt hätte - doch Reif ist schon Lionel Messi versprochen. Götze ist auch nur das Gesicht von Borussia Dortmund, sein Körper ist laut Mitspieler Mats Hummels "nur für den Strand".

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Elf der Saison:Marko Arnautovic

Werder Bremen - Training

Quelle: dpa

Als Andreas Herzog dereinst von Rapid Wien zu Werder Bremen wechselte, da sagte Otto Rehhagel: "Jetzt muss er zeigen, ob er Fußballer oder ein Österreicher ist!" Herzog zeigte, dass er ein Fußballer war - und sagte vor einem Jahr über Marko Arnautovic: "Er stellt Krankl, Herzog, Polster und Prohaska in den Schatten!" Arnautovic kam von Inter Mailand zu Werder Bremen und erklärte Kapitän Torsten Frings erst einmal, dass er Champions-League-Sieger und sein neuer Verein ein "Saftladen" sei und beschimpfte nebenher seinen Nationalelf-Kollegen Stefan Maierhofer während einer Länderspielreise. Trainer Thomas Schaaf wusste einst mit schwierigen Charakteren wie Johan Micoud und Mesut Özil umzugehen, Arnautovic scheint jedoch ein härterer Brocken zu sein. Als er am letzten Spieltag gegen Kaiserslautern traf, da lästerte der Sky-Kollege: "An den letzten Treffer werden sich nur die Älteren unter Ihnen erinnern." Arnautovic muss in der kommenden Saison zeigen, ob er auch ein Fußballer ist.

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Elf der Saison:Theofanis Gekas

Training Eintracht Frankfurt

Quelle: dapd

Sollte irgendjemand auf die Idee kommen, ein grandioses Sport-Buch herauszubringen, der könnte eine Geschichte schreiben über Theofanis Gekas und seine Gedanken während der 90 Minuten eines Fußballspiels in der Rückrunde der Saison 2010/11. Es würde beginnen mit einer vergebenen Torchance - und danach würde ein innerer Monolog starten. Gekas würde sich erinnern, wie er trotz des Aktionsradius eines Dartspielers auf 14 Hinrunden-Treffer gekommen war, wie er sich in Frankfurt nach den mäßigen Stationen Leverkusen, Portsmouth und Berlin endlich wieder gewollt und gefeiert fühlte - und wie er dann in ein Gedankengefängnis gesperrt wurde. Und weil Happy Ends in der Kunst derzeit einen unglaublich schlechten Ruf haben, musste Gekas am letzten Spieltag seine letzte groteske Torchance vergeben.

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Elf der Saison:Ruud van Nistelrooy

Sportclub Freiburg - Hamburger SV

Quelle: dapd

Spielte einst für Manchester United und Real Madrid und konnte dort jeweils beeindruckende Torquoten (0,61 in England, 0,67 in Spanien) vorweisen. Wechselte dann in der Winterpause der vergangenen Spielzeit zum Hamburger SV - was von vielen Beobachtern als Indiz für die Attraktivität der Bundesliga gewertet wurde. Hatte in der Hinrunde eine Torquote von immerhin 0,35 - schoss also fünf Tore in 14 Spielen. Kündigte dann an, so schnell wie möglich wieder nach Madrid wechseln zu wollen - was von nicht wenigen Beobachtern nicht als Indiz für die mangelnde Attraktivität des HSV, sondern vielmehr als Eigensinn van Nistelrooys gedeutet wurde. "Wenn ihr mich nicht nach Madrid ziehen lasst, werde ich nie mehr für den HSV auflaufen", soll er gesagt haben. Machte seine Drohung nach der Blockade des HSV irgendwie wahr: Schoss in der Rückrunde ganze zwei Tore, was einer Quote von 0,15 entspricht.

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Elf der Saison:Raúl

Champions League - FC Schalke 04 - Inter Mailand

Quelle: dpa

Spielte einst für Real Madrid, schoss dort 228 Treffer in der Primera Division, wurde sechs Mal spanischer Meister und gewann drei Mal die Champions League. Wechselte dann zu Schalke 04 - was von nicht wenigen Beobachtern als Indiz für die Attraktivität der Bundesliga gewertet wurde. Als Schalke dann eine mäßige Bundesliga-Saison spielte, da sagte Raúl: nichts. Als Real Madrid in der Winterpause einen Kurzzeit-Stürmer suchte, da sagte Raúl: nichts. Zeigte als 33-Jähriger oftmals mehr Einsatz als mancher Jungspund, traf regelmäßig in allen Wettbewerben - und feierte nach dem Einzug ins Champions-League-Halbfinale gemeinsam mit den Schalker Fans. Real Madrid hatte das Versprechen, das Trikot mit der 7 niemals wieder zu vergeben, nach der Ankunft von Cristiano "CR7" Ronaldo gebrochen. Mal sehen, was die Schalker nach dem Karriereende von Raúl machen werden.

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Elf der Saison:Jens Keller

VfB Stuttgart v 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Wer könnte Trainer der Saison werden? Jürgen Klopp? Gewiss. Louis van Gaal? Auch eine gute Wahl. Mirko Slomka? Ebenfalls. Doch einer überstrahlt als prägender Übungsleiter dieser Spielzeit alle anderen: Jens Keller. Ganz böse Zungen behaupten, dass Keller überhaupt nur deshalb befördert wurde, damit die Autoren der Stadionzeitung weiter lustige Wortspiele mit den Trainernamen machen konnten: Erst war der VfB-Trainer "Veh-nomenal", wenig später gab es einen Coach, der "nicht babbelt, sondern Siege feiert" - darauf folgte "ein Gross-er Trainer". Und dann hieß es: "Mit Keller aus dem Keller!" Keller attackierte bei seiner ersten Pressekonferenz als Cheftrainer in Stuttgart erst einmal Vorgänger Christian Gross - dessen Assistent er ja gewesen war. Das brachte ihm einen Rüffel von Trainer-Philosoph Armin Veh ein: "Das geht gar nicht. Wenn er sagt, dass er als Assistenztrainer nicht gehört wurde, dann muss er aufhören als Assistent. Er kann jetzt nicht nachkarten und sagen, der Trainer hat nicht auf mich gehört. Dann auch noch sagen: 'Ich arbeite schon lange daraufhin, Cheftrainer zu werden.' Leute, mit solchen Aussagen kann ich nichts anfangen!" Nach neun Punkten in acht Spielen wurde Keller auch schon wieder von seinen Aufgaben entbunden. Er ist jetzt Scout beim VfB Stuggart - und Trainer der Saison!

© sueddeutsche.de/ebc
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