Es war hinterher nicht schwer, die traurigsten Darsteller an diesem verregneten Gründonnerstag zu identifizieren: Der Däne Rasmus Kristensen, 27, der zuerst in die Knie ging, dann das Trikot über den Kopf zog. Unweit davon zeigte sich der Brasilianer Kaua Santos, 22, mit schuldbewusster Miene an der Mittelfeldlinie. Kapitän Kevin Trapp, derzeit angeschlagen und deshalb von Kaua Santos im Frankfurter Tor vertreten, steuerte dann auch genau diese beiden Unglücksraben nacheinander an, um Aufmunterung zu spenden. Der eine hatte beim bitteren Europa-League-Aus im Viertelfinalrückspiel gegen die Tottenham Hotspur (0:1) mit seinem ungestümen Herauslaufen das Gegentor verschuldet, der andere mit seinen unglücklichen Abschlüssen den Ausgleich vergeben.
Die Hessen werden also nicht wie vor drei Jahren als einziger Bundesligist weiter durch Europa touren. In der Nordwestkurve hatte vor Anpfiff eine imposante Choreografie gehangen: „Die Adler sind auf Beutezug. Wir ham‘ noch lange nicht genug“. Unterlegt mit dem gleichnamigen Song der Band „Böhse Onkelz“. Geholfen hat alles nichts, dabei hätte ein Halbfinale gegen das Überraschungsteam FK Bodo/Glimt aus Norwegen eine reelle Option aufs Finale am 21. Mai in Bilbao eröffnet.

Real Madrid:Und nun der Trainerwechsel?
Real verliert im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Arsenal deutlich. Alles deutet auf ein baldiges Ende von Carlo Ancelotti als Trainer in Madrid hin. Offen ist, was der Italiener danach tut – und ob sein Nachfolger aus der Bundesliga kommt.
„Leider geht die wundervolle Reise zu Ende. Wir hatten tolle Erlebnisse, wir hatten tolle Spiele. Wir hätten gerne noch länger in diesem Wettbewerb gespielt“, sagte Trainer Dino Toppmöller. Seine Worte klangen gegen Mitternacht reichlich abgeklärt dafür, dass der Dritte der Bundesliga gegen den 15. der Premier League vor allem an sich selbst gescheitert war. Die „jüngste Mannschaft des Wettbewerbs“ (Toppmöller) hatte bezahlt für ihre Unbekümmertheit, ja auch Naivität.
Als vor drei Jahren Oliver Glasner die Eintracht zum Europa-League-Triumph geführt hatte, war die Mannschaft mit vielen charakterfesten Haltepunkten ausgestattet: Sebastian Rode, Makoto Hasebe, Filip Kostić, Torwart Trapp. Dessen vielleicht schon vorschnell in die Kategorie Weltklasse gehievter Vertreter Santos räumte nun bei einem überflüssigen Ausflug James Maddison so brachial ab, dass Schiedsrichter Davide Massa nach Ansicht der Videobilder gar nicht anders konnte, als auf den Elfmeterpunkt zu zeigen. Dominic Solanke schob den Ball lässig in die Tormitte (42.).
Toppmöller wollte seinem Torhüter keinen Vorwurf machen: „Wir sind froh, dass er den Mut hat, rauszukommen. Es sieht natürlich brutal aus, wie er den Spieler wegräumt.“ Dennoch wirkte die Fehleinschätzung des Keepers ebenso fatal wie die Mischung aus Pech und Unvermögen, als der aufgerückte Verteidiger Kristensen erst mit Kopf, dann mit dem Fuß vorbei zielte. Und viele Jungspunde in diesem Perspektivkader – von Nathaniel Brown und Jean-Mattéo Bahoya bis Can Uzun – stießen an ihre Grenzen, weil Tottenham mehr Widerstand bot als gewohnt.
Tottenham konzentriert sich in der Abwehr auf Hugo Ekitiké
„Es gehört dazu, dass junge Spieler auch mal Fehler machen“, hielt Toppmöller fest. Niederlagen seien „Teils des Erfolgs: Wir müssen das als Chance für Wachstum begreifen.“ Doch Team und Trainer sollten in der Analyse den selbstkritischen Ansatz nicht ausklammern. Dass der Fußballlehrer, 44, erst spät sein System auf zwei Spitzen umstellte, war durchaus diskutabel. Alleinunterhalter Hugo Ekitiké kam schließlich kaum zur Geltung, weil gleich zwei, drei Akteure der Spurs zur Stelle waren, sobald der Franzose an den Ball kam. Tottenham habe Ekitiké gut verteidigt, gab der Eintracht-Coach zu, der aber erst nach 76 Minuten mit Elye Wahi einen weiteren Angreifer eingewechselt hatte.
So erbrachte diese intensive, aber nie hochklassige Begegnung einen weiteren Beleg, dass die hektischen Wintertransfers nach dem Abgang von Omar Marmoush noch nicht wie gewünscht gezündet haben. Der für 20 Millionen Euro geholte Wahi wirkte bei seinem Kurzeinsatz erneut wie ein Fremdkörper, der ebenfalls als Ersatz für Omar Marmoush verpflichtete Michy Batshuayi blieb ganz auf der Bank. „Wir können nicht nur mit Offensivspielern agieren“, verteidigte sich Toppmöller. Ein wenig mehr Mut hätte die Trainerbank aber wohl schon aufbringen können, von der Assistent Jan Fießer wegen Betreten des Spielfelds kurz vor der Pause nach einer Rudelbildung mit roter Karte verwiesen worden war.
Mario Götze wird im wichtigen Saisonendspurt erst mal fehlen
Offensichtlich, dass es neben der Durchschlagskraft auch an Kreativität mangelte, um mindestens mal die Verlängerung zu erzwingen. Erschwerend kam ein früher Griff von Mario Götze an den hinteren Oberschenkel hinzu. Zweimal setzte sich der Weltmeister, 32, auf den Hosenboden, ehe er nach 17 Minuten vom Platz gehen musste. „Das hat unseren Matchplan zerstört“, urteilte Sportvorstand Markus Krösche. Toppmöller vermutete später „mindestens einen Faserriss“. Das Fehlen des ballsicheren Ruhepols konnte das Team nicht kompensieren.
Während das Team aus Tottenham gegen Mitternacht die mitgebrachte Musikbox aufdrehte, sagte Toppmöller, man müsse „den Fokus jetzt voll auf die Bundesliga“ richten. Dort wartet am Wochenende das unangenehme Auswärtsspiel beim FC Augsburg (Sonntag, 15.30 Uhr). Danach kommt RB Leipzig mit aufsteigender Formkurve. Es ist keine Selbstverständlichkeit, den Champions-League-Platz zu verteidigen. „Wir lechzen nach mehr von diesen Spielen. Wir tun alles dafür, dass wir unseren Fans auch nächste Saison europäischen Fußball anbieten“, versprach Toppmöller. Konkreter fasste sich Abwehrchef Robin Koch für den Auftrag im Herzen von Europa: „Was hier wieder los war, ist unglaublich.“ Jeder Spieler würde das in der kommenden Saison wieder erleben wollen – dann, so Koch, „hoffentlich in der Champions League“.