Eisschnelllauf:Olympia-Double und Zickenzoff - Pechstein zurück in Utah

Eisschnelllauf
Hat die besten Erinnerungen an das Utah Olympic Oval in Salt Lake City: Claudia Pechstein. Foto: Rick Bowmer/AP/dpa (Foto: dpa)

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Salt Lake City (dpa) - Während Claudia Pechstein vor dem Auftakt der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften im Utah Olympic Oval ihre Trainingsrunden dreht, sind die Gedanken an große Emotionen wieder da.

"Zweimal Gold, beide Male mit Weltrekord. Das vergisst man nie. Die 5000 Meter waren das Rennen meines Lebens", sagt die Berlinerin zu ihrer Sternstunde bei den Olympischen Spielen 2002.

"Alle zwölf Runden zwischen 32,0 und 32,5 Sekunden, ich hatte das Gefühl, ich schwebe über das Eis", fügt sie hinzu. Seit den Spielen von Salt Lake City ist sie Deutschlands erfolgreichste Winter-Olympionikin. Einen Tag nach ihrem 30. Geburtstag hatte sie in 6:46,91 Minuten den Weltrekord in eine neue Dimension gerückt und ihr zweites Gold bei den Spielen gewonnen. "Gefeiert habe ich den Triumph mit einer Perücke in Schwarz-Rot-Gold. Diese Haarpracht kann auch heute noch im Haus der deutschen Geschichte bewundert werden. Das ist eine sehr große Ehre für mich", sagt sie.

Fast 18 Jahre liegt jener Tag nun zurück, und Claudia Pechstein läuft und läuft. Mit fast 48 Jahren schickt sie sich an, mit ihrer 19. Teilnahme bei einer Einzelstrecken-WM erneut einen Rekord zu knacken. Nie zuvor hat sich eine Athletin in ihrem Alter für eine Eisschnelllauf-WM qualifiziert. An Medaillen darf sie bei den Titelkämpfen vom 13. bis 16. Februar aber nicht mehr denken. Die Top Acht über 5000 Meter und im Massenstart sind das Ziel der "Eis-Oma", die jetzt gegen Konkurrentinnen läuft, die zum Zeitpunkt ihrer Triumphe noch in den Kindergarten gingen.

Wie lange wird sie Deutschlands erfolgreichste Wintersportlerin bleiben? "Ich bin keine Hellseherin, aber wer auch immer die Marke von neun Olympiamedaillen inklusive fünf Goldenen irgendwann knacken wird, der ist dann verdient der Beste", sagt Pechstein. Und sofort kehrt wieder der Gedanke an den Tiefpunkt ihrer Karriere ins Bewusstsein zurück: "Allerdings macht es mich auch heute noch sehr traurig, dass mir die ISU durch die Unrechtssperre von 2009 die Spiele in Vancouver und somit auch die Chance auf mindestens eine weitere Goldene gestohlen hat. Denn ich wäre fester Bestandteil des Teams gewesen, das unser Gold von 2006 wiederholen konnte."

In Erinnerung bleibt von den Spielen in Salt Lake auch der mediale "Zickenzoff" mit Konkurrentin Anni Friesinger. "Sie hatte damals im Vorfeld alle Weltcuprennen gewonnen. Damit war sie für die Medien die große Favoritin. Das gesamte Friesinger-Lager hielt sie für unschlagbar", sagt Pechstein. "Aber mein Trainer Joachim Franke und ich hatten die Trainingsarbeit so aufgebaut, dass ich zum Höhepunkt meine Bestform erreiche." Ihre deutsche Konkurrentin, die über 1500 Meter Gold gewann, sagte damals: "Ich habe es satt, auch wenn der Zickenkrieg der Turbo für unsere Bekanntheit war."

Noch immer hat Pechstein Freude am Sport. Und ihr Ehrgeiz macht es vielleicht möglich, dass sie 2022 in Peking mit fast 50 Jahren als erste Frau - wie bisher nur Skispringer Noriaki Kasai - ihre achten Winterspiele erlebt. "Jahrelang war meine Motivation die Wut auf die ISU und der Wille, es allen unbedingt beweisen zu wollen, dass man auch jenseits der 40 Jahre noch Medaillen und Siege feiern kann. Jetzt bin ich unter die Genießer gegangen."

"In der großen Familie des Eisschnelllaufsports bin ich längst rehabilitiert. Jetzt fehlt nur noch, dass auch das Bundesverfassungsgericht klarstellt, dass mir großes Unrecht widerfahren ist", ergänzt sie mit Blick auf weitere juristische Kämpfe gegen ihre Sperre zwischen 2009 und 2011.

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