Süddeutsche Zeitung

Eisschnelllauf:Hauptsponsor im Gepäck

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Ohne Gegenkandidat, mit neuen Möglichkeiten: Matthias Große wird von der DESG-Mitgliederversammlung mit deutlicher Mehrheit zum Eisschnelllauf-Präsidenten gewählt.

Von Barbara Klimke, Frankfurt

Am Ende ging es schneller als gedacht. Am Samstagmittag, lange bevor die Pressekonferenz anberaumt war, stand Matthias Große, 52, auf dem Rasen eines Frankfurter Hotels und sprach in die Fernsehkameras. Die Delegierten versammelten sich derweil am Bratwurststand. 80 Prozent der Stimmen hatte Große auf sich vereint. Der Berliner Immobilienunternehmer, der im Eisschnelllaufverband DESG bis vor wenigen Monaten nur als Lebensgefährte, Betreuer und bisweilen als eine Art Bodyguard der fünfmaligen Olympiasiegerin Claudia Pechstein in Erscheinung getreten war, wird nun vier Jahre lang einen olympischen Spitzensportverband führen. Ein rasanter Aufstieg - oder um es in Großes eigenen Worten zusammenzufassen: "Ich bin vom Unwählbaren zum klaren Präsidenten geworden."

Das Ergebnis der Mitgliederversammlung, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit und wegen Corona mit nur 87 Personen stattfand, fiel mit 70 Ja-Stimmen bei fünf Gegenstimmen und zwölf Enthaltungen deutlich aus. Gegenkandidaten hatte es nicht gegeben. Auch Großes Wunschpersonal für sein Präsidium wurde am Nachmittag in geheimer Abstimmung bestätigt. Dies wertete er als klares Mandat für den "neuen Weg der DESG", auf dem er den zuletzt tief gespaltenen, wirtschaftlich schwer angeschlagenen Verband aus der Krise führen will. Der neue Hauptsponsor, ein Wohnungswirtschaftsunternehmen, hat sich nach Großes Auskunft bis 2026 zu einer Partnerschaft mit dem DESG-Präsidium unter seinem Vorsitz bereit erklärt. Und auch sportlich sollen die Eisschnellläufer, die zuletzt von Olympischen Winterspielen zweimal medaillenlos abreisten, unter seiner Ägide bis 2026 die Kurve kriegen. "Wenn wir keinen Erfolg haben, stelle ich mein Amt auch gern zur Verfügung", sagte er: "Wenn man nichts erreicht hat, braucht man auch nicht dranzubleiben."

Im Sommer gab es noch starke Bedenken gegenüber Große, nun blieben Kontroversen aus

Unvorbereitet ist Große nicht: Bereits seit Juni hatte er als kommissarischer Präsident der DESG fungiert. So lässt sich das Votum der in Frankfurt versammelten Mitglieder auch dahingehend interpretieren, dass es ihm gelungen ist, im Wahlkampf Skeptiker zu überzeugen und Kritiker einzubinden. Von Seiten der Athleten hatte es zunächst Gegenwehr gegen seine Bewerbung gegeben; noch im Juni berichteten die Athletensprecher über die Angst vieler Kollegen, offen ihre Meinung zu äußern. Beschwerden über Großes Auftreten waren in der Vergangenheit auch von anderen Beteiligten laut geworden.

Am Samstag in Frankfurt hingegen blieben die großen Kontroversen aus. Stattdessen berichteten die Anwesenden von einer überraschend positiven Atmosphäre: Es habe "gute, vielversprechende Ansätze" gegeben, sagte Pino Dufter, Präsident des DEC Inzell, eines der bedeutendsten Vereine im Lande. Dass nun "die Altlasten des Verbands ehrlich und transparent aufgearbeitet werden", wertete Dufter ebenfalls als Hoffnungszeichen. Zudem nahmen die Delegierten die Gewissheit mit, dass ihr Verband sogar an oberster Stelle Unterstützung genießt: Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), Alfons Hörmann, ließ es sich nicht nehmen, selbst das Grußwort an die Eisschnellläufer zu richten. Zudem, so berichteten Teilnehmer, habe der Chef des Sportdachverbands noch vor der Wahl eine lebhafte Diskussion im Plenum anregt. Große stellte später klar, Hörmann habe "darauf hingewiesen, dass er keine Wahlkampfempfehlung gibt und nur den Zustand der DESG analysiert hat". Dies habe der DOSB-Chef auch so im Protokoll vermerken lassen.

Der neue Chef der Eisschnellläufer wird sich nun an seinen Versprechungen messen lassen müssen. Zu den ersten Beschlüssen gehört, dass die Geschäftsstelle des Verbandes von München nach Berlin an den dortigen Olympiastützpunkt umzieht, so werden laut Große 72 000 Euro im Jahr gespart. Am Donnerstag soll auf einer "historischen Pressekonferenz" die "sportliche Ausrichtung" des Verbandes samt Personalien bekanntgegeben werden.

Athletensprecher Moritz Geisreiter, der zu den kritischsten Stimmen zählte, war am Samstag nicht am Ort. Er verband seinen Glückwunsch an den neuen Präsidenten aus der Ferne mit den Worten: "Er hat nun die Möglichkeit, etwas Gutes aus der Wahl zu zimmern."

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SZ vom 21.09.2020
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