Eisschnelllauf: Dopingfall:Attacken gegen Pechstein

"Auf einmal lief sie die Sterne vom Himmel": Ein früherer Trainingspartner von Claudia Pechstein wundert sich über deren gelegentliche Leistungssprünge - und glaubt, dass die Deutsche gedopt hat.

Claudia Pechsteins früherer Teamkollege Havard Bökko hat vor dem Weltcup-Auftakt in Berlin am Freitagabend schwere Vorwürfe gegen die wegen auffälliger Blutwerte gesperrte fünfmalige Olympiasiegerin erhoben. Der Norweger, Vize-Weltmeister über 5000 und 10.000 Meter und nach dem Niederländer Sven Kramer bester Langstreckler der Welt, ließ im Gespräch mit der niederländischen Zeitung De Telegraaf keinen Zweifel daran, dass er Pechstein für eine Dopingsünderin hält.

Eisschnelllauf: Dopingfall: Claudia Pechstein gerät auch innerhalb ihres Sports in die Kritik.

Claudia Pechstein gerät auch innerhalb ihres Sports in die Kritik.

(Foto: Foto: dpa)

"Es war für mich keine echte Überraschung, dass Pechstein gesperrt wurde", sagte Bökko, der unter Trainer Peter Müller in Norwegen gemeinsam mit Pechstein trainiert hat: "Im Training war sie oft schlecht, und auf einmal lief sie die Sterne vom Himmel. So wie beim Weltcup in Moskau, wo sie über 1500 und 5000 Meter gewann. Wir haben im Team noch Witze darüber gemacht und sie noch gefragt, was sie zum Frühstück eingenommen hätte. Wahrscheinlich hatte sie sich vorher in der Woche gedopt."

Zum mit Spannung erwarteten Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs Cas in Lausanne, das über Pechsteins sportliche Zukunft entscheidet, sagte der Langstrecken-Spezialist: "Ich wäre sehr böse, wenn sie durch Formfehler doch ihre Karriere fortsetzen könnte."

Bökko erklärte, dass er Pechstein in Berlin vor dem Weltcup kurz gesehen, sie begrüßt, aber nicht mit ihr gesprochen habe: "Das Bedürfnis habe ich auch nicht mehr." Der Internationale Sportgerichtshof Cas hatte die Bekanntgabe seines Urteils im Fall Pechstein verschoben. Deshalb musste Pechstein ihre Hoffnungen begraben, in ihrer Heimatstadt ein Comeback geben zu dürfen.

Pechstein reagierte relativ gelassen auf die Vorwürfe: "Ich weiß nicht, ob sich Bökko mit derart leichtfertigen Äußerungen einen Gefallen tut. Offensichtlich ist ihm nicht klar, dass auch er jederzeit Opfer eines unberechtigten Dopingverdachts werden könnte, sei es wegen Blutwerten oder herausragender Leistungen. Er ist noch jung und grün hinter den Ohren. Wenn er mit Mitte 30 immer noch laufen und Weltklasseleistungen zeigen sollte, wird er sicherlich anders denken und reden. Ich bin mir sicher, wenn er darüber mal nachdenkt, wird er sich bei mir entschuldigen", sagte Pechstein. "Offensichtlich scheint Bökko über den Verlauf des Verfahrens nicht informiert zu sein. Um Formfehler geht es mittlerweile doch nur noch am Rande", ergänzte die Berlinerin.

Kritik aus den Niederlanden

Neben Bökko starteten in Berlin auch Konkurrentinnen aus den Niederlanden Verbalattacken gegen die 37-Jährige. "Ich habe kein Bedürfnis, mit Claudia zu sprechen", sagte 3000-Meter-Weltmeisterin Renate Groenewold vor dem Start des ersten Weltcups am Freitag in Berlin dem niederländischen Fernsehen. Groenewold, die 2002 bei Olympia über 3000 Meter hinter Pechstein Silber gewonnen hatte, sagte aber auch: "Wenn sie zu mir kommt und mir alles erklären will, dann höre ich mir das an."

Auch 3000-Meter-Olympiasiegerin Ireen Wüst zeigte wenig Mitleid mit Pechstein. "Es ist richtig, dass Claudia hier beim Weltcup nicht dabei ist", sagte die Niederländerin am Donnerstag. Direkt nach Bekanntwerden der zweijährigen Sperre für Pechstein durch den Weltverband ISU wegen auffälliger Blutwerte Anfang Juli hatte Wüst schon schweres Geschütz aufgefahren: "Das ist einfach sehr dumm. Warum macht man so etwas? Man will sich doch in die Augen schauen können. Es ist eine Sünde für den Sport."

Wüsts Trainer Gerard Kemkers relativierte die Aussagen seiner Läuferin. "Bei der ersten Reaktion waren nicht alle Informationen verfügbar. Es war für uns alle ein großer Schock", sagte der Coach. Er selbst fordert eine neutrale Haltung: "Man muss abwarten. Der Weltverband hat Argumente gegen Claudia. Claudia hat Argumente gegen den Weltverband." Generell sei so ein Fall für das Ansehen des Eisschnelllaufs aber "ganz schlimm".

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